Anmerkungen zur Postmoderne (3): Demokratie als perfekte Tyrannei

Einst gab es eine Zeit da waren Krisen und Katastrophen einschlägige, zeitlich begrenzte Phänomene: Ein Erdbeben, ein Krieg, eine Flut, eine Seuche. Heute wo alles immer schneller geht, scheinen Katastrophen es das Einzige zu sein, was sich immer weiter in die Länge zieht. Die Klimakatastrophe wird zum Dauerbrenner, fünf vor zwölf ist es seit einem Jahrzehnt, eine Flüchtlingskrise verschmilzt mit der nächsten, ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine der irgendwie Europa und unsere westlichen Werte bedrohen soll und sogar auf dem toten Gaul Corona versuchen so einige noch herumzureiten. Nebenbei lassen sich sicherlich noch unzählige kleinere, regional begrenzte Krisen und Katastrophen finden, Klankriminalität, Flutkatastrophe, Finanzkrisen, Inflationskrisen, irgendwas mit Russland, die Fahrt endet nie.

Die Leute sind verständlicherweise unzufrieden, da diese Krisen sich auf den Alltag, die Psyche und vor Allem den Wohlstand auswirken, und der Eindruck gilt, dass es Aufgabe der Politik und der Regierung gewesen wäre, sie entweder zu verhindern oder zu beheben. Doch weit davon entfernt, scheint es eher dass die Politik all diese Situationen nur verschlimmert, während zugleich eine scheinbare Abhilfe angeboten wird, welche aber nur oberflächlich wirkt, und das Grundproblem verschlimmert: Die Corona-Massnahmen hatten massive negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit, hingegen wenig Nutzen gegen das Virus, dafür aber einen Keil in die Gesellschaft getrieben; die Waffenlieferung an die Ukraine haben, den punktuell erfolgreichen Gegenangriffen zum Trotz, nicht zu einer wesentlichen Umkehr der Schlachtfeldverhältnisse geführt, stattdessen aber eine diplomatische Lösung verunmöglicht; ebenso haben die Sanktionen uns selber mehr geschadet als Russland; in der Inflationskrise werden Entlastungspakete erarbeitet, welche nach der fundamentalen Logik der Wirtschaft die Inflation nur noch weiter verschlimmern werden; die Energiewende hat uns nicht energieunabhängig gemacht, sondern lediglich die Preise in die Höhe getrieben und die Versorgungssicherheit untergraben, wodurch nun die Industrie und folglich auch Entwicklung und Wohlstand leiden. Der gewöhnliche politische Prozess ist langsam, er verlangt Debatten, Kompromisse, Taktizismus. Doch die Krise erfordert schnelles handeln. Je weiter sich also diese Krisensituationen ausbreiten, umso mehr sieht sich die Regierung dazu gezwungen oder ermächtigt, durchgreifend zu handeln, und hingegen die ordentlichen Prozesse auf Eis zu legen. Man sieht es immer wieder: Plötzlich werden Gesetze in wenigen Tagen verabschiedet, plötzlich sitzt der (Steuer)Geldbeutel sehr locker, plötzlich braucht es „Zaren“ und „Generäle“ welche sich als Oberhäupter der Krisen annehmen. Das ganze komplexe politische System verkommt nach und nach zu einem Schönwetterkonzept, welches nur existiert, um ausserhalb von Krisenzeiten einen Anschein von Demokratie und Parlamentarismus zu vermitteln. Wenn es ernst wird, kommt jedes Mal die eiserne Faust.

Der Sinn einer Demokratie sollte es sein, dass die Regierung die Interessen der Bevölkerung vertritt, und dass, Mittels der Gewaltenteilung, die unterschiedlichen Instanzen der Regierung sich gegenseitig kontrollieren. Welche Bedeutung hat das jedoch, wenn einerseits bei jedem Fliegenfurz diese Kontrolle ausgesetzt wird; und welchen Sinn haben Wahlen, wenn einerseits ein riesiger Einheitsbrei an Parteien existiert, welche sich nicht wesentlich in ihren Ansichten unterscheidet, während die Medien (massgeblich vom Staat selber finanziert) gegen abweichende Meinungen und deren politische Vertretung hetzen? Seit nunmehr über zwei Jahren werden die ordentlichen Vorgehensweisen der Politik regelmässig ausser Kraft gesetzt: Erst wegen Corona, jetzt wegen des Krieges, oder besser gesagt wegen der Konsequenzen unseres Wirtschaftskrieges, und falls dies wider der geopolitischen Machenschaften für einen neuen scheinbar endlosen Krieg mal vorüber sein sollte, so steht bereits die „Klimakrise“ als Begründung bereit, um das ganze politische System zu überbrücken.

Trotz all dem wird uns immer wieder zugesichert, wir seien die sog. freie Welt, unsere Demokratie sei das bestmögliche System, das Volk sei souverän. Man kann ja allenfalls bei den nächsten Wahlen in wer weiss wie vielen Jahren einfach eine andere Regierung wählen, auch wenn die dann innert kürzester Zeit gegen alle ihre Wahlversprechen verstösst. Schliesslich wird es schon durch irgend eine Krise begründet sein. Aber unter keinen Umständen wäre es gerechtfertigt, sich gegen die geltende Ordnung zu stellen, wie zum Beispiel durch einen Aufstand gegen die Regierung, wie man ihn sich hingegen offen für Russland oder andere Autokratien wünschen darf. Und das ist schliesslich der springende Punkt: Die Regierung hat keinerlei Notwendigkeit mehr, den Wahlversprechen nachzugehen, sich der Konsequenzen ihres Handelns zu verantworten, oder das Volk irgendwie bei der Entscheidungsfindung miteinzubeziehen; und nicht einmal das politische System muss überhaupt noch berücksichtigt werden. Trotzdem bleibt es illegitim, dass das Volk gegen die Regierung einen Aufstand probt: aufgrund von Wahlen die keinerlei politische Verpflichtung mit sich bringen, und aufgrund eines Systems, welches willkürlich ausgesetzt werden kann.

In dieser Realität existiert die Demokratie und das politische System nur noch als bedeutungslose Fassade, deren einzige effektive Wirkung die ist, dass die Regierung und alle ihre Gesetze und Verordnungen legitimiert, und der bürgerliche Aufstand delegitimiert wird, aber nicht um dem Volk irgend eine reelle Souveränität zu erteilen. Diese postmoderne Demokratie ist nun die perfekte Tyrannei, welche sich nicht durch zwang durchsetzen muss, sondern willig von der Bevölkerung akzeptiert wird.

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Tourix

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