Der Ausdruck „Fake News“, sowie seine ganze dialektische Verwandtschaft (fake facts, falsche Fakten, Falschnachrichten, usw., usf.) haben sich innert kürzester Zeit eingebürgert, sind aber praktisch aus dem Nichts zu allgegenwärtiger Prominenz gelangt. Ein Blick in die Statistik der beliebtesten Suchmaschinen des Internets zeigt, wie der Ausdruck „Fake News“ zwischen Ende 2016 und Anfang 2017 sozusagen über Nacht zu einem Alltagsbegriff wurde, wobei er zuvor als eigenständige Vokabel eigentlich nicht verwendet wurde. Es drängt sich die Frage auf, woher diese plötzliche Akribie bezüglich der faktischen Genauigkeit von all dem, was gesagt wird. Die einfache Antwort wäre natürlich irgendwas mit dem (noch immer) medialen Steckenpferd Donald Trump, aber kann man wirklich allen ernstes behaupten, Trump sei der erste schmierige Politiker gewesen, der immer wieder Falschheiten von sich gegeben hat? Wohl kaum. Und sowieso, inzwischen gibt es ja einen regelrechten Boom der Anschuldigungen bezüglich vermeintlicher Missinformation, sei es bezüglich Corona, des Klimawandels, des Ukraine-Krieges, oder was auch immer gerade das geläufige Thema wäre. Hat sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahren so sehr verblödet, dass sie bis vor kurzem fähig waren, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden, und nun plötzlich nicht mehr? Oder haben wir bisher in einer Märchenwelt, frohlockend unter dem Regenbogen gelebt, wo Journalisten, Politiker und sonstige Teilhaber des öffentlichen Diskurses immer nur brav die Wahrheit gesagt haben, bis plötzlich der böse Donald Trump mit seiner fiesen Fake-News-Hexerei das Land verflucht hat?

Zum Glück aber haben sich aber mutige Helden gefunden, in Form der Faktenchecker und der seriösen Journalisten, die wie Ritter in schillernder Rüstung zur Rettung der hilflosen, dummen Masse reiten, um ihnen zu sagen, was wahr ist und was nicht. Was in der Idee der Faktenchecker und sonstiger Nachprüfer der Wahrheit aber zumal nicht bedacht wird, ist dass es ja eine implizite Behauptung ist, eine bedeutende Masse an Menschen könne mit grösster Einfachheit manipuliert werden. Sollte das eigentlich nicht eine viel grössere Sorge sein? Die Idee, dass ein Grossteil der Bevölkerung eigentlich nicht selber denken können, dass sie alles glauben und befolgen was die Medien ihnen einreden, ist eigentlich entsetzlich: Wenn diese Leute sich nun „richtig“ verhalten, so tun sie es doch nur, weil wohlwollende Erhabene es ihnen so vorschreiben; und das ganze Konzept der Demokratie hat keinen Sinn mehr, weil so viele Leute nicht fähig sind, in Mündigkeit eine eigene Entscheidung zu treffen. Das ist keine Polemik, sondern lediglich die logische Folgerung der Behauptung, dass die Manipulation der Massen noch heute derart einfach ist.

Die Lösung unserer Ritter der Fakten in ihrer schillernden Rüstung der Wahrheit ist derweil klar, die ganzen Unwahrheiten müssen unterbunden werden. Ein Schelm könnte meinen, das sei eine Art von Zensur, aber scheinbar ist es das nicht: Zensur ist die Unterbindung von Informationen aus politischen Gründen, nicht weil es objektive Unwahrheiten sind. Aber wenn die dumme Masse offensichtlich nicht fähig ist, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden, woher wissen unsere gutmütigen Zensoren, was denn nun richtig ist und was „fake news“ sind? Das führt zur nächsten logischen Folgerung, dass ein Organismus existieren muss, welcher zwischen Wahrheit und Lüge diskriminiert, und die einfachen (dummen) Leute vor der Lüge schützt, also eine Autorität die entscheiden würde, was nun gesagt werden darf und was nicht. Auch wenn man diesen den Namen der „Faktenchecker“ gibt, welche eben die Fakten überprüfen sollen, so ist dies trotz allem eine Autorität, die schlussendlich nur auf Grundlage vorliegender Informationen entscheidet, was als Fakt gilt. Diese Autorität ist nicht selber am Ursprung der Fakten, sondern sie interpretiert lediglich Informationen ohne dazu spezifische Kenntnisse zu besitzen, wie auch jeder Mensch selber vorhandene Informationen einsehen und interpretieren könnte. Trotzdem wird eine Entscheidungsmacht zugetragen, die dem gemeinen Volk verwehrt bleibt, nämlich eben zu entscheiden, was nun als Fakt gelten soll, und was nicht. Ein Wahrheitsministerium also.

Dieses Konzept, wie auch die Idee dass alle Realität in Richtig/Falsch, Wahrheit/Lüge oder Fakt/Missinformation eingeteilt werden kann, hat allerlei Schwächen, angefangen dabei, dass die Tatsachen selbst nicht immer klar und definitiv sind. In unserer immer komplexer werdenden Welt sind eindeutige und unwiderlegbare Erkenntnisse zunehmen rar. Die Wissenschaft selbst arbeitet zumal mit sog. „deskriptivem Verstehen“, also Erkenntnisse, welche nicht aus einem inhärenten Verständnis entstehen, sondern nur aus Beobachtung und Folgerung. Diese Erkenntnis sind folglich niemals definitiv, sondern immer Teil einer fortlaufenden Annäherung. Im Laufe der Corona-Pandemie wurde solches deskriptives Verstehen angewandt, um die epidemiologischen Modelle zu erstellen, welche gar all zu oft nicht mit der tatsächlichen Entwicklung übereinstimmten. Trotzdem wurden diese prekären Erkenntnisse zur Grundlage für die Zensur unerwünschter Ansichten und Behauptungen. Studien aller Art werden herbeigezogen, um als Grundlage für die Wahrheit herzuhalten, aber was, wenn zwei Studien zu unterschiedlichen Schlüssen kommen, wie oftmals schon geschehen ist? Wie entscheidet der Wahrheitsminister dann, welche recht hat? Besonders pervers im Fall von Hunter Bidens berüchtigten „Laptop from Hell“ waren es gar Geheimdienstmitarbeiter, die die falsche Information verbreiteten, dieser Laptop sei nicht echt. Da diese Leute als Autoritäten bzw. Experten gelten, wurden diese falschen Aussagen erneut zum Ausschlaggeber für Zensur. Wie kann Missinformation unterbunden werden, wenn sie von denen kommt, denen eigentlich die Entscheidungsmacht über die Wahrheit innewohnt?

Vor allem aber wird missachtet, dass die Möglichkeit, alle verfügbaren Informationen, egal wie wahr oder unwahr, erfassen zu können, und selbständig zur Erkenntnis über Wahrheit, Fakt und Realität zu gelangen, ein fundamentaler Wert der Mündigkeit ist. Das einzige, was dieses hypothetische Wahrheitsministerium von jeglichem menschenverachtenden Totalitarismus unterscheidet, ist die Behauptung, es richte sich ausschliesslich nach objektiven Tatsachen. Doch wie kann man das überhaupt nachprüfen, wenn all das, was nicht dem Wahrheitsdogma entspricht unterbunden wurde? Es bleibt dann nur ein blindes Vertrauen in die immerwährend guten Absichten des Wahrheitsministers. Und folglich wäre es nur nötig, diese Position zu infiltrieren, um ungestört allen möglichen Unsinn zu verbreiten, ohne dass dieser angezweifelt werden darf. Erneut ist all dies nicht leere Polemik, sondern die logische Folgerung der Idee, dass man Missinformation systematisch unterbinden sollte. Und tatsächlich ist dies bereits der modus operandi sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter, worin ein eigenes Wahrheitsministerium die geltende Wahrheit festlegt, und alle gegensätzliche Information oder Behauptung bestenfalls kennzeichnet, schlimmstenfalls löscht. Alles was hier vorgetragen wird, wäre lediglich die Anwendung dieses Konzeptes auf die gesamte Gesellschaft.

Dieselben die verlangen, dass mit aller Härte Missinformationen unterbunden werden, weil die dumme Masse davon leicht manipuliert wird, machen sich selber wenig Gedanken darüber, was diese Forderung eigentlich mit sich führt, oder wie sie umzusetzen wäre. Erst recht scheinen sie nicht in Betracht zu ziehen, dass sie selber vielleicht falsch liegen, dass man sie selber manipuliert hat, mit falschen Informationen. Warum sind sich diese Leute so sicher, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein? Vielleicht täte es uns allen gut, ein wenig Bescheidenheit zu zeigen, und nicht zu meinen, jedem der eine andere Meinung hat, sei das Hirn von irgendwelchen perfiden „fake news“ gewaschen worden, und stattdessen in gegenseitigem dialektischen Austausch Argumente vorzulegen, warum die eine Ansicht oder Behauptung zutreffender ist, als die Andere; oder sogar zu akzeptieren, dass wir Vieles nicht genau wissen können. Unsere Realität ist komplexer denn je, und die Mengen an Informationen sind unmöglich für einen einzelnen Menschen vollkommen zu umfassen, gleichzeitig kursiert eine völlige Besessenheit, alles in binären Absoluten zu verstehen: Ja/Nein, Richtig/Falsch, Wahrheit/Lüge, Gut/Schlecht. Der menschliche Fortschritt hat uns wohl zu arrogant gemacht, um die Unwissenheit zu akzeptieren, und verschiedenen Ideen, die uns vielleicht anfangs frappant erscheinen, trotzdem eine Chance zu geben; oder aber das, was aus vermeintlich glaubwürdigen Quellen entstammt, trotzdem in Frage zu stellen, anstatt blind dem Diktat der sog. Experten zu gehorchen. Denn auch Experten widersprechen sich immerzu gegenseitig.

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