»In Deutschland gibt es keine Debatte über den Iran-Deal, nicht im Parlament und nicht in der Zivilgesellschaft.« Dieser Satz ist zunächst einmal eine Feststellung, eine zutreffende obendrein, denn wer wollte ernsthaft behaupten, dass in der Bundesrepublik eine nennenswerte kontroverse Diskussion über das Wiener Abkommen stattfindet, das Mitte Juli zwischen den vier UN-Vetomächten plus Deutschland auf der einen und dem iranischen Regime auf der anderen Seite geschlossen wurde? Nun trifft man diese Feststellung aber nicht ohne Grund. Und da gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Entweder man bedauert diese Tatsache oder man begrüßt sie. Philipp Ackermann, von dem der Satz stammt, ist die Nummer zwei der deutschen Diplomaten in den USA – und »stolz auf die unkritische Akzeptanz der Wiener Vereinbarung« in Deutschland, wie Benjamin Weinthal in seinem Gastkommentar für die »taz« schreibt.

In Ackermanns Wahlheimat, den Vereinigten Staaten, sieht die Sache anders aus. Dort wird ausführlich und heftig über den Deal mit dem Iran gestritten, und »je mehr sich die Amerikaner über die Details des 159 Seiten umfassenden Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) informieren, umso stärker wird ihre Opposition gegen die Vereinbarung«, so Weinthal. Die Skepsis und das Misstrauen gegenüber der Regierung von Barack Obama steige sowohl im Kongress als auch in der Bevölkerung, und Umfragen zufolge lehne eine Mehrheit der Amerikaner das Abkommen ab. Aus gutem Grund, denn je mehr Details bekannt werden, desto aberwitziger mutet die gesamte Übereinkunft an. Schon die Versicherung, dass die Inspektoren überall und jederzeit ungehinderten Zugang zu iranischen Nuklear- und Militäranlagen haben werden, entpuppt sich als unhaltbar. Denn vor einer Inspektion wird erst einmal ein bürokratisches Prozedere eingeleitet, das einen Zugang erst 24 Tage später ermöglicht. Hinreichend Zeit für das iranische Regime, um Spuren zu verwischen.

Hinzu kommt eine nun bekannt gewordene Übereinkunft zwischen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und dem Nationalen Sicherheitsrat des Iran, die eine ganz besondere Farce zu werden verspricht: Ausgerechnet das Rüstungszentrum in Parchin, dem die Aufmerksamkeit der internationalen Kontrolleure stets in besonderem Maße galt, soll offenbar nicht von unabhängigen Wissenschaftlern kontrolliert werden, sondern vom iranischen Regime selbst. Demnach würden »autorisierte iranische Inspektoren«, so fasst es der Journalist Detlef zum Winkel zusammen, »für die IAEA das Gelände fotografieren. Innerhalb eines umstrittenen Gebäudes würden sie sieben Materialproben für anschließende Laboruntersuchungen in Wien entnehmen, außerhalb desselben zwei Bodenproben. Auf einem eintägigen Workshop sollen die Ergebnisse erörtert werden. Anschließend würden der Generaldirektor der IAEA, Yukiya Amano, und der Chef der Inspektoren eine Einladung in den Iran (nach Parchin?) erhalten.«

»Ist der viel gerühmte Atomdeal mit dem Iran weniger ein bindendes Kontrollabkommen, sondern eher eine Art Freiwillige Selbstkontrolle?«, fragt deshalb nicht nur Daniel-Dylan Böhmer in der »Welt«. Ganz besonders bizarr ist, dass das Abkommen mit der IAEA, wie Böhmer unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AP berichtet, »zur Unterschrift durch Ali Hoseini-Tash ausgefertigt worden sein soll, der heute stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats des Iran ist. Zur Zeit der vermuteten Arbeiten an Nuklearsprengköpfen in Parchin sei der General der Elitetruppe der Revolutionsgarden jedoch als stellvertretender Verteidigungsminister der direkte Vorgesetzte jener Paramilitärs gewesen, die Parchin betrieben. Wenn dies zutrifft, dann würde also genau jener Mann, der im Verdacht steht, die Arbeit an Atomwaffen beaufsichtigt zu haben, nun garantieren, dass dieser Vorwurf aufgeklärt wird – durch seine eigenen Leute. Der Verdächtige bekäme die Ermittlungen übertragen.«

Und als wäre das alles nicht schon genug, blamiert der Iran ein ums andere Mal die kläglichen Versuche westlicher Politiker, die vom Regime ausgehende existenzielle Gefahr für Israel herunterzuspielen. Schon der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel musste sich während seiner Iran-Reise im Juli belehren lassen, es gebe keinerlei Pläne seitens der »Islamischen Republik«, das »zionistische Regime« anzuerkennen – und das, obwohl er in Teheran doch nur »offen und partnerschaftlich und respektvoll« über »schwierige Themen« wie das Existenzrecht des jüdischen Staates plaudern wollte. Nun fiel auch der britische Außenminister Philip Hammond auf die Nase. Bei der Wiedereröffnung der britischen Botschaft in Teheran hatte er behauptet, der Iran zeige gegenüber Israel inzwischen eine »nuanciertere Herangehensweise«. Das Dementi folgte auf dem Fuß: »Unsere Position zum zionistischen Besatzungsregime hat sich keinen Deut geändert: Israel sollte vernichtet werden, und das ist unser letztes Wort«, tat ein Berater des iranischen Parlamentspräsidenten Ali Larijani unmissverständlich kund. Genau das hat auch der oberste religiöse Führer des Iran, Ali Khamenei, in seinem kürzlich erschienenen Buch »Palästina« auf 416 Seiten noch einmal bekräftigt.

»Warum ist man so naiv, eine Verabredung mit einem solchen Regime zu treffen, von dem man annehmen muss, dass dessen Zugeständnisse rein taktischer Natur sein werden?«, fragt Jan-Philipp Hein in einem Kommentar für die »Schweriner Volkszeitung«. Die Antwort gibt er gleich selbst: »Weil das Sicherheitsinteresse Israels als zunehmend lästig empfunden wird. Warum sollte man wegen des kleinen Landes mit seinen acht Millionen Einwohnern auf Geschäfte mit einem Staat verzichten, in dem knapp 80 Millionen Menschen leben? Dass beim Geld der Idealismus an seine Grenzen geraten kann, ist nicht neu. Verlogen sind nur die Sonntagsreden, in denen die richtigen Lehren aus der Shoah präsentiert werden.« Und in denen beteuert wird, die Sicherheit Israels sei ein Teil der deutschen Staatsräson. Niemand muss befürchten, für dieses leere Versprechen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Denn so, wie es in Deutschland keine ernsthafte Debatte über den Iran-Deal gibt, gibt es auch kaum jemanden, der auf die Gefahr für den jüdischen Staat – die durch das Abkommen noch erheblich größer geworden ist – auch nur hinweist.

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