Eine Baisse für das NGO-Business?

Die israelische Justizministerin will Nichtregierungsorganisationen, die ihre Gelder überwiegend aus dem Ausland beziehen, mit einer Gesetzesverschärfung dazu zwingen, ihre Finanzierung transparenter zu machen. Die Opposition ist darüber empört, deutsche Medien und Politiker sind es ebenfalls. Dabei ist der Vorstoß keineswegs so unbegründet und abwegig, wie manche glauben.

Geht es nach der israelischen Regierung, dann müssen israelische NGOs, die mehr als die Hälfte ihres Budgets von ausländischen Regierungen und staatlichen Organisationen erhalten, auf diese Tatsache in Zukunft deutlicher hinweisen als bisher. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde jedenfalls vom Kabinett verabschiedet und dem Parlament, der Knesset, vorgelegt. Findet er dort eine Mehrheit, dann sind die betroffenen Nichtregierungsorganisationen künftig verpflichtet, ihre Finanzierung auf sämtlichen Veröffentlichungen zu vermerken (und dabei auch die Namen der Geldgeber zu nennen), auf sie in der Korrespondenz mit Abgeordneten und Beamten aufmerksam zu machen und bei Treffen mit Parlamentariern besondere Namensschilder zu tragen (was andere Lobbyisten bereits jetzt tun müssen). Bei einem Verstoß kann eine Geldbuße von umgerechnet bis zu 7.000 Euro verhängt werden.

Bislang müssen die Vereinigungen direkte und indirekte Zuwendungen durch ausländische Regierungen und Einrichtungen lediglich in einer Übersicht festhalten und vierteljährlich an die staatliche Registrierungsstelle für Non-Profit-Organisationen schicken, die diese Informationen anschließend publiziert.

Die neue Vorlage ist auf Initiative der Justizministerin Ayelet Shaked entstanden. Regierungen, die sich in die »inneren Angelegenheiten Israels einmischen« wollten, sollten dies nicht durch eine monetäre Unterstützung von NGOs, sondern »öffentlich auf diplomatischem Weg tun«, sagte sie. Den Vorwurf von Oppositionspolitikern, durch das neue Gesetz werde im Falle seiner Verabschiedung die Meinungsfreiheit erheblich eingeschränkt, weist Shaked zurück. Im Gegenteil sei es »die Einmischung fremder Staaten in den Entscheidungsfindungsprozess, der unsere Demokratie gefährdet«. Die geplante Gesetzesverschärfung hängt entscheidend damit zusammen, dass maßgeblich aus dem Ausland finanzierte israelische Nichtregierungsorganisationen zu den extrem einseitigen Berichten des notorischen UN-Menschenrechtsrats über die israelischen Militärschläge gegen die Hamas Ende 2008, Anfang 2009 (Goldstone-Report) und Mitte 2014 (Schabas/McGowan-Davis-Report) beigetragen hatten. Shaked hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, solche Aktivitäten nicht länger hinnehmen zu wollen.

Nun ist die Aufregung groß, nicht nur bei den linken Oppositionsparteien in Israel, sondern erwartungsgemäß auch in Deutschland. »Israels nationalistischste Regierung aller Zeiten geht zum Großangriff gegen alles über, was ihrer Meinung nach links ist«, dröhnt beispielsweise der »Tagesspiegel«. Die israelische Justizministerin schrecke »nicht davor zurück, ihre ultraradikalen Ansichten als einzig wahre Staatsideologie nach innen und außen anzupreisen« und ein »Maulkorb-Gesetz« auf den Weg zu bringen. Der Grünen-Politiker Volker Beck spricht von einer »Idee aus der Giftküche der Demokratur in Russland«. Im »Deutschlandfunk« glaubt man, Shaked gehe es darum, »der zivilgesellschaftlichen Opposition Fesseln anzulegen«. Im »Fadenkreuz der Ministerin« stünden »Dutzende von Bürger- und Menschenrechtsgruppen, die zum Beispiel aus den Kassen der Europäischen Union oder von den parteinahen Stiftungen in Deutschland gefördert werden«, etwa »Organisationen, die im Westjordanland mit sozialen Projekten versuchen, zur Verständigung von Israelis und Palästinensern beizutragen«.

Wie antizionistische Initiativen finanziert werden

Der Blick auf einen Bericht, den die in Jerusalem ansässige Organisation »NGO Monitor« bereits im Februar 2015 veröffentlichte, fördert allerdings ein etwas anderes Bild zutage. Demnach finanzieren Regierungen und (quasi-)staatliche Einrichtungen aus Europa bevorzugt solche Nichtregierungsorganisationen, deren Arbeit vor allem in Boykottaktivitäten gegen den jüdischen Staat sowie in Kampagnen zu dessen Dämonisierung und Delegitimierung besteht. 24 Gruppierungen dieses politischen Zuschnitts haben zwischen 2012 und 2014 rund 23,7 Millionen Euro erhalten. Berücksichtigt wurden bei der Berechnung sowohl direkte finanzielle Zahlungen durch ausländische Regierungen als auch Mittel, die über staatlich geförderte Stiftungen und NGOs geflossen sind. Der größte Geldgeber war im untersuchten Zeitraum demnach die Europäische Union mit 4,2 Millionen Euro, gefolgt von Norwegen (3 Millionen Euro), den Niederlanden (2,5 Millionen Euro) und Deutschland (2,2 Millionen Euro). »NGO Monitor« stützt sich dabei auf die Zahlen, die von den israelischen NGOs selbst an die staatliche Registrierungsstelle gemeldet wurden.

Die Auswertung konzentriert sich auf diejenigen Vereinigungen, die eine gegen den jüdischen Staat gerichtete, fundamentaloppositionelle politische Agenda haben, also nicht als humanitäre Hilfsorganisationen fungieren und auch nicht auf eine Kooperation und Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern setzen. Zu den Aktivitäten dieser Gruppierungen gehören beispielsweise die Beteiligung an der sogenannten BDS-Bewegung, die Kriminalisierung sämtlicher Handlungen der israelischen Armee als »Kriegsverbrechen« und eine Verharmlosung palästinensischer Terrorgruppen. Die Zuwendungen ausländischer Regierungen, Stiftungen und NGOs an diese Organisationen machen rund 60 Prozent der Gelder aus, die an all jene 75 israelischen Vereinigungen geflossen sind, die zwischen 2012 und 2014 ihre Einnahmen an die Registrierungsstelle gemeldet haben.

Zu den größten und bekanntesten Geldempfängern gehört mit drei Millionen Euro »B’Tselem«, eine israelische NGO, die Israel als »Apartheidstaat« verunglimpft und ihm in der Vergangenheit auch vorgeworfen hat, Nazimethoden anzuwenden. Unlängst geriet die Vereinigung in die Kritik, weil einer ihrer Aktivisten dem amerikanisch-israelischen Publizisten Tuvia Tenenbom vor laufender Kamera sagte, der Holocaust sei »eine Lüge« und »eine Erfindung der Juden«. »B’Tselem« dementierte die Äußerung zunächst, dann erfolgte eine halbherzige Distanzierung und schließlich die Ankündigung, sich von dem Mitarbeiter zu trennen. »Brot für die Welt/Evangelischer Entwicklungsdienst« unterstützte die NGO zwischen 2012 und 2014 mit Zuschüssen von insgesamt rund 480.000 Euro. Damit ist diese nicht zuletzt aus staatlichen Zuschüssen finanzierte kirchliche Einrichtung einer der Hauptförderer von »B’Tselem«.

Bereits im Juni 2014 hatte »NGO Monitor« einen Bericht vorgelegt, der sich mit der Finanzierung und der politischen Unterstützung fundamental antiisraelischer Vereinigungen aus Israel und den palästinensischen Gebieten durch staatliche und staatlich geförderte deutsche Einrichtungen und Organisationen befasst. Er kam zu dem Ergebnis, dass nicht zuletzt die deutschen Parteistiftungen eine gewichtige Rolle spielen. So kooperiere etwa die Rosa-Luxemburg-Stiftung eng mit der israelischen NGO »Zochrot«, der es ein Anliegen sei, den palästinensischen Mythos von der sogenannten »Nakba« zu pflegen. Mit diesem Begriff, der übersetzt »Katastrophe« bedeutet, wird im arabischen Raum die israelische Staatsgründung bezeichnet, die man bekanntlich für illegitim hält. Außerdem schließe sich »Zochrot« der Forderung nach einem »Rückkehrrecht« für die palästinensischen »Flüchtlinge« an, was das Ende Israels als jüdischer Staat bedeuten würde, und bezichtige die israelische Armee »ethnischer Säuberungen«.

Die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt, wie auch die Konrad-Adenauer-Stiftung, nach Angaben von »NGO Monitor« unter anderem die palästinensische NGO »Miftah«, die Israel »Massaker«, einen »kulturellen Genozid«, »Kriegsverbrechen« und »Apartheid« vorwerfe und auf ihrer Website auch schon mal antisemitische Verschwörungstheorien verbreite. Die Friedrich-Ebert-Stiftung arbeite mit der »Palestinian Academic Society for the Study of International Affairs« (PASSIA) zusammen, die sich an antiisraelischen Boykottaktivitäten beteilige und Israel vorhalte, ein Apartheidstaat zu sein.

Unterminierung jüdischer Souveränität

Dass die von der israelischen Regierung geplante Gesetzesverschärfung in erster Linie Bürgerrechtsvereinigungen treffen würde, die, wie im »Deutschlandfunk« behauptet, »mit sozialen Projekten versuchen, zur Verständigung von Israelis und Palästinensern beizutragen«, darf man mithin füglich bezweifeln. Vielmehr würden insbesondere solche NGOs zu größerer Transparenz gezwungen sein, die sich – mit großzügiger finanzieller Unterstützung von Regierungen und staatsnahen Organisationen vor allem aus Europa – an den internationalen Kampagnen zur Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates beteiligen, also keineswegs bloß »regierungskritisch« sind. »Man stelle sich vor, Israel finanzierte Gruppen in Nordirland, die britische Beamte in aller Welt juristisch verfolgen, oder baskische Gruppen, die eine Unabhängigkeit von Spanien fordern«, zitiert die »Welt« einen »rechten Kolumnisten« aus Israel. »Würden London oder Madrid das tolerieren?« Eine rhetorische Frage.

Doch in Deutschland hält man die bezeichnende Tatsache, dass diverse israelische Nichtregierungsorganisationen den größten Teil ihrer Mittel von ausländischen Regierungen erhalten, nicht für diskussions- oder gar kritikwürdig. Schließlich ist das, was Deutsche und Europäer tun, selbstverständlich per se stets edel, hilfreich und ein Dienst am Frieden. Und wenn die bockbeinige israelische Regierung nicht so will, wie man das für richtig hält, pumpt man eben Millionen in Vereinigungen, die vor Ort an der Unterminierung jüdischer Souveränität arbeiten – um sich anschließend vehement zu echauffieren, wenn diese Mittäterschaft öffentlich gemacht werden soll. Nebenbei sei bemerkt, dass als Vergleichsmaßstab für die vorgesehene Regelung durchaus nicht das russische »Agentengesetz« herangezogen werden muss: In den demokratischen USA gilt der »Foreign Agents Registration Act« bereits seit 1938. Anlass für seine Einführung war die Propagandatätigkeit des »Dritten Reichs« in den Vereinigten Staaten.

Die Kritiker des Gesetzentwurfs beklagen nun auch, dass die Neuregelung sich gezielt gegen linke NGOs richte und der israelischen Regierung nahestehende, konservative Organisationen verschone. Das ist insofern richtig, als Letztere in der Regel nicht von Staaten oder staatlichen Einrichtungen finanziert werden, sondern vor allem von Privatpersonen und privaten Unternehmen. Deshalb unterlägen sie nicht der Offenlegungspflicht. Das ergibt allerdings auch einen Sinn, denn der politische Unterschied zwischen der Einflussnahme anderer Staaten auf monetärem Weg einerseits und privaten Spenden andererseits ist immens. Nicht wenige NGOs haben das »N« insoweit obsolet gemacht. Sie werden deshalb künftig möglicherweise zu mehr organisatorischem Aufwand gezwungen sein. Das würde zweifellos ihre Handlungsfreiheit einschränken – aber der von der israelischen Tageszeitung »Haaretz« befürchtete »schwere Schlag für die Meinungsfreiheit von Organisationen, die Israels moralischen Charakter beschützen«, wäre es ganz gewiss nicht. Und es kann auch keine Rede davon sein, dass den betroffenen NGOs das Handwerk gelegt werden soll, wie der »Deutschlandfunk« meint.

Robert Hoetink/Fotolia

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