Manchmal sind es die beiläufigen, scheinbar nebensächlichen Äußerungen, die den Zweck und den Stand politischer Gespräche besonders gut verdeutlichen. Auch in Bezug auf die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im schweizerischen Lausanne ist das nicht anders. Zwei Bemerkungen am Rande haben eindrücklich klargemacht, wie die Dinge liegen und weshalb die teilweise euphorischen Einschätzungen in Politik und Medien fehl am Platz sind. Die eine stammt von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und fiel bereits vor anderthalb Wochen: »Es geht darum, dass die nukleare Bewaffnung des Iran eingedämmt wird, und das muss sich im Verhandlungsergebnis natürlich glaubwürdig widerspiegeln«, sagte sie auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Eingedämmt und damit grundsätzlich hingenommen also – und nicht etwa verhindert, wie das offizielle Ziel eigentlich lautet (und wie es die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verlangen).
Die andere Äußerung kam von Amir Hossein Motaghi, einem iranischen Journalisten und PR-Manager von Präsident Hassan Rouhani, der nach Lausanne geschickt worden war, um im Sinne des Regimes über die Verhandlungen zu berichten, dann jedoch überlief und in der Schweiz politisches Asyl beantragte. »Die Amerikaner sind hauptsächlich dort, um im iranischen Interesse mit den anderen Mitgliedern der 5+1-Staaten zu sprechen und sie zu einem Abkommen zu überreden«, kritisierte er die Strategie von Außenminister John Kerry und dessen Delegation. Eine höchst bemerkenswerte und brisante Geschichte – nur hat sie kaum jemanden interessiert. Zu sehr widersprach sie der allgemeinen Auffassung, unter der Führung der USA stehe ein historischer Deal bevor, der einen heiklen Konflikt beende und allen nur nütze.
Dabei würde eine Vereinbarung vor allem »die nukleare Infrastruktur des Iran aufrechterhalten, und damit wäre der Weg zur Bombe weiterhin ausgesprochen offen für das iranische Regime«, wie der Wiener Politikwissenschaftler Stephan Grigat im Interview des Hessischen Rundfunks analysierte. Selbst wenn Teheran gewisse Zugeständnisse machen müsste, sei die entscheidende Frage immer noch die nach der Kontrolle der Atomanlagen – und in dieser Hinsicht habe der Iran sehr deutlich gemacht, dass er »garantiert nicht zum Beispiel die Militärbasen der Revolutionsgarden für Inspektionen öffnen würde«. Hinzu komme, so Grigat weiter, dass das Regime sich nach wie vor standhaft weigere, »über sein Raketenprogramm, das ein wichtiger Bestandteil der ganzen Nuklearrüstung ist, auch nur zu verhandeln«.
Rund 6.000 Zentrifugen soll der Iran voraussichtlich behalten dürfen, viel mehr, als ursprünglich von den USA als Kompromiss angestrebt. Mit ihnen könnte das Regime »sehr schnell die kritische Menge Uran für eine Atombombe anreichern, ohne die einjährige Vorwarnzeit, die die US-Regierung als Ziel vorgegeben hat«, warnt der italienische Politikwissenschaftler und Publizist Emanuele Ottolenghi. Eine Befürchtung, die Olli Heinonen, der frühere stellvertretende Generaldirektor für Sicherheitsmaßnahmen bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), für realistisch hält – und die auch von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu geteilt wird. »Nach allem, was wir hören, ist klar, dass der Deal Teherans Weg zur Atombombe ebnet«, sagte er.
Sollten die Sanktionen nun tatsächlich aufgehoben werden, könnte der Iran sich außerdem wirtschaftlich erholen und damit zunehmend unempfindlich gegen Druck von außen werden. Darüber hinaus wäre der Deal für Teheran wie eine Belohnung für die Destabilisierung der Region mit den immer zahlreicher werdenden kriegerischen Aktivitäten und direkten Einmischungen des Iran in Syrien, dem Irak, Bahrain, dem Libanon, den palästinensischen Gebieten und neuerdings dem Jemen zwecks Vergrößerung der eigenen Macht in der Region und darüber hinaus. »Nach der Beirut-Damaskus-Bagdad-Achse nimmt der Iran jetzt aus dem Süden die Region in die Zange, um den gesamten Nahen Osten zu kontrollieren«, skizzierte Netanjahu das Ziel des Regimes. Noch deutlicher wurde der israelische Verteidigungsminister Moshe Yaalon: »Jede Vereinbarung zwischen dem Westen und diesem apokalyptischen, messianischen Regime wird dem Westen und Israel schaden. Iran wird ein nuklearer Schwellenstaat und kann seine terroristischen Aktivitäten fortsetzen.«
Hocherfreut über einen Deal und das damit verbundene Ende der Sanktionen wäre dagegen die Wirtschaft, vor allem in Deutschland und hier nicht zuletzt in den Bereichen Petrochemie, Maschinenbau, Energietechnik und Automobilindustrie, wo die Beziehungen zum Iran traditionell besonders gut sind. Es stehen lohnende Geschäfte in Aussicht, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet mit einem Exportvolumen von bis zu zwölf Milliarden Euro jährlich. Die Herrscher in der »Islamischen Republik« Iran sehnen sich nach Produkten »Made in Germany«, und Deutschland – einer ihrer wichtigsten Handelspartner überhaupt – hat sich stets als verlässlich erwiesen. Die diktatorische Herrschaft des klerikalfaschistischen Regimes und sein aggressives außenpolitisches Vorgehen sind dadurch entscheidend begünstigt worden. Und dabei wird es bleiben.
Fotocredit: Fotolia, leaf imaging