Der israelische Fußball hat bislang nicht gerade durch überragende internationale Erfolge von sich reden gemacht. Dennoch gibt es im jüdischen Staat einen Klub, der etwas geschafft hat, das wohl einzigartig auf der Welt ist. Er gewann nämlich gleich in drei Ländern nationale Titel: in Österreich, in den USA und in Israel selbst. Die Rede ist vom derzeitigen Zweitligisten Hakoah Ramat Gan. Seine Ursprünge liegen in Wien.

Zu den traditions- und erfolgreichsten Sportvereinen Österreichs zählt immer noch der SC (früher SK) Hakoah Wien. Seine Ringer, Schwimmer und Wasserballer errangen internationale und olympische Titel, bekannt wurde der Klub jedoch vor allem durch seine Fußballmannschaft. Zur Gründung von Hakoah kam es 1909, zum einen als Folge des gestiegenen Selbstbewusstseins liberaler Juden, zum anderen als Konsequenz aus dem wachsenden Antisemitismus, der es Juden immer schwerer oder sogar unmöglich machte, in anderen Vereinen Aufnahme zu finden. »Wann die g’winnen, gibt’s an Pogrom«, hörte man in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Tribünen so manches Wiener Fußballklubs.

1920 stieg Hakoah – das Wort ist hebräisch und bedeutet »Kraft« – in die höchste Liga auf und spielte bereits unter Profibedingungen, als es professionellen Fußball in Österreich offiziell noch gar nicht gab. Hauptkonkurrent war zu jener Zeit der Lokalrivale Austria. Im September 1923 sorgte der Klub sogar für ein internationales fußballerisches Erdbeben, als er den englischen Spitzenklub West Ham United in dessen eigenem Stadion mit 5:0 demütigte. Erstmals hatte eine Mannschaft vom Kontinent auf der Insel gegen eine englische Profimannschaft gewonnen.

Die Zeitungen überschlugen sich dann auch regelrecht vor Begeisterung. Walther Bensemann etwa, der Herausgeber der deutschen Fußballfachzeitschrift Kicker, sah die »Suprematie des englischen Fußballsports gebrochen«, in Wien rühmte der berühmte Fußball-Kommentator Felix Schmal die »sportliche Heldentat«. Die 15.000 Zuschauer im Upton Park hatten eine historische Stunde des Fußballs erlebt, nachdem Hakoah »zum ersten Male den Löwen in seiner eigenen Höhle bezähmt« hatte, wie Bensemann schrieb.

1925 errang Hakoah die österreichische Fußballmeisterschaft und war mit rund 5.000 Mitgliedern zeitweilig die größte Sportorganisation der Welt. Viele Juden in allen Erdteilen sympathisierten und identifizierten sich mit ihr, darunter nicht wenige Schriftsteller und Intellektuelle wie etwa Franz Kafka und Friedrich Torberg. Letzterer war, bevor er als Autor reüssierte, ein erfolgreicher Wasserballspieler, der seine sportliche Karriere bei Hakoah begonnen hatte. Der Klub war berühmt, erfolgreich und populär.

In New York gründeten Spieler der Wiener Hakoah 1928 im Rahmen einer Amerika-Tournee eine Dependance, die New York Hakoah. Der bekannteste dieser Spieler dürfte Béla Guttmann gewesen sein, der Entdecker des im Januar 2014 verstorbenen portugiesischen Idols Eusébio und Trainer von Benfica Lissabon in den Jahren 1961 und 1962, als der Klub zweimal den Europapokal der Landesmeister gewann. New York Hakoah wurde 1929, nur ein Jahr nach der Gründung, mit einem Team aus österreichischen und ungarischen Fußballern amerikanischer Pokalsieger. Dem Klub war jedoch keine lange Lebensdauer beschieden, bereits 1932 wurde er aufgelöst.

Hakoah Wien wiederum wurde von den Nazis nur einen Tag nach der Annexion Österreichs 1938 zerschlagen. »Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete das Ende des Vereines und seiner Sportstätten. 1938 wurde der Platz im Prater ›arisiert‹, 1941 der Name Hakoah in Wien offiziell ausradiert«,heißt es auf der Website des Klubs. Viele Spieler flohen vor den Nazis ins Ausland, die meisten von ihnen ins britische Mandatsgebiet Palästina. Dort gründeten sie noch im selben Jahr den Verein Hakoah Tel Aviv, der 1955 erstklassig wurde und 1959 mit Maccabi Ramat Gan fusionierte. Der daraus entstandene Klub, Hakoah Ramat Gan, wurde 1965 und 1973 israelischer Meister sowie 1969 und 1971 israelischer Pokalsieger.

Schon in dieser Geschichte, die hier nur kurz skizziert werden kann, ist so vieles aufgehoben: der Glanz und die internationale Bedeutung des jüdischen Fußballs in Europa zwischen den beiden Weltkriegen, sein jähes und brutales Ende durch die nationalsozialistische Verfolgung und Ermordung, der unbändige Wille zum Wiederaufbau und zur Fortführung durch jüdische Emigranten und Überlebende im Mandatsgebiet Palästina respektive in Israel. Hakoah ist diesbezüglich wie ein Sinnbild, und so, wie sich der Werdegang dieses Klubs nicht ohne die politischen Rahmenbedingungen erklären lässt, lässt sich die gesamte Geschichte und Gegenwart des israelischen Fußballs nicht ohne Würdigung der politischen Umstände erzählen.*

Hakoah Ramat Gan spielt derzeit in der Liga Leumit, der zweithöchsten israelischen Spielklasse. Die Wiener Hakoah wurde nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus von Überlebenden und Rückkehrern mit neuem Leben gefüllt, obwohl die beschlagnahmten Spielstätten nicht zurückerstattet wurden. Heute umfasst der Verein die Sportarten Basketball, Bowling, Judo, Karate, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis und Wandern. Eine Fußballabteilung ist jedoch nicht mehr dabei.

* Hinweis in eigener Sache: Die Audio-Aufzeichnung eines Vortrags zur Geschichte und Gegenwart des israelischen Fußballs, den ich am 9. Januar 2014 im Jüdischen Museum München halten durfte, findet sich hier.

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