Für friedens- und menschenrechtspolitisch engagierte Linke gäbe es derzeit mit Blick auf den Nahen Osten eigentlich eine Vielzahl von Feldern zu beackern. Zu nennen wären beispielsweise die Schlächtereien des »Islamischen Staates«, der grausame Bürgerkrieg in Syrien, die aggressiven hegemonialen Bestrebungen und die nuklearen Ambitionen der »Islamischen Republik« Iran oder der Krieg im Jemen. Doch nichts davon war in der jüngeren Vergangenheit Anlass für eine Eingabe der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Ganz im Gegensatz zum Lieblingsthema ihrer außenpolitisch besonders aktiven Mitglieder: »Staat Palästina anerkennen – Vollmitgliedschaft Palästinas in der Uno aktiv unterstützen«, so lautet der Titel eines Antrags, den 16 Abgeordnete der Linken vor wenigen Tagen im Namen der Fraktion eingebracht haben, darunter auch das »Toilettengate«-Trio, bestehend aus Inge Höger, Annette Groth und Heike Hänsel.

In der Beschlussvorlage, die voraussichtlich Ende April im Parlament behandelt werden wird, heißt es, der Bundestag wie auch die Bundesregierung sollten »den Staat Palästina mit unverzüglicher Wirkung in den Grenzen von 1967 anerkennen« (wobei die Westbank damals bekanntlich von Jordanien besetzt war und der Gazastreifen von Ägypten), »der Forderung nach Anerkennung des Staates Palästina durch die Vereinten Nationen zustimmen«, »die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israel und Palästina befördern« und »sich dafür einsetzen, dass Palästina als Vollmitglied der Vereinten Nationen aufgenommen wird«. All dies sei im Sinne einer »Wiederbelebung des Friedensprozesses«. »Die Nennung eines Termins für den Abzug Israels aus den besetzten palästinensischen Gebieten«, so heißt es in dem Antrag weiter, »sollte kein Grund sein, einer Resolution nicht zuzustimmen, welche die Anerkennung eines Staates Palästinas fordert«.

Es ist so bemerkenswert wie bezeichnend, mit welcher Nonchalance die Linksfraktion, die sich sonst so gerne als Hüterin des internationalen Rechts aufspielt, hier den offenen Bruch bestehender Verträge befürwortet und Gespräche trotz gegenteiliger Beteuerungen für verzichtbar hält. In den Osloer Abkommen zwischen Israel und der PLO war unmissverständlich festgelegt worden, dass nur Verhandlungen zur Gründung eines palästinensischen Staates führen können und einseitige Schritte zum Erreichen dieses Ziels unbedingt zu unterlassen sind. Was Mahmud Abbas derzeit betreibt – nämlich die Anerkennung eines Staates Palästina in der Uno und internationalen Gremien an Israel vorbei –, ist deshalb ein klarer Verstoß gegen diese Vereinbarungen. Kritisiert wird dieser Schritt gleichwohl kaum – am allerwenigsten von denen, die sonst nicht eine Sekunde zögern, wenn es darum geht, den jüdischen Staat aller denkbaren Verstöße gegen Recht und Gesetz zu beschuldigen. Schlimmer noch: Dieses Vorgehen wird von ihnen sogar belohnt.

Selbstverständlich würde die Anerkennung eines Staates Palästina durch Bundesregierung und Bundestag nicht zu einer »Wiederaufnahme von Friedensgesprächen« und einer »Wiederbelebung des Friedensprozesses« führen – ganz im Gegenteil. Welches Interesse sollten die Palästinenser auch daran haben, wenn man ihnen zuvor doch eindeutig signalisiert hat, dass man ihre Staatlichkeit auch ohne eine Verhandlungsbereitschaft ihrerseits – und ohne ein Bestehen auf Abstriche von ihrem Ziel einer »Befreiung ganz Palästinas« – zu akzeptieren gewillt ist? Auch ansonsten knüpft die Linksfraktion keinerlei Bedingungen an ihr Votum: nicht die Anerkennung des Staates Israel durch die Palästinenser, nicht den Gewaltverzicht, nicht die demokratische Legitimation der palästinensischen Regierung in Form von Wahlen (die seit 2010 ausstehen, inzwischen also überfällig sind).

Mit diesem Persilschein für einen Staat Palästina macht die Fraktion der Linken im Bundestag etwas deutlich, das der Publizist Arthur Buckow bereits für die Vereinten Nationen in kritischer Absicht festgestellt hat: »dass es im Grunde keiner Verhandlungen mehr bedarf, nicht einmal mehr zum Schein, dass Israel kein Verhandlungspartner mehr ist, für (nahezu) niemanden, dass man Israels ›legitime Interessen‹ – um einmal die übliche Phrase in Anschlag zu bringen – schlicht negiert«. Die Anerkennung »Palästinas« und der Verzicht auf einen diplomatischen Prozess unter Einbindung des jüdischen Staates bedeute de facto, »dass Israel die Eigenschaft, ein souveräner Staat zu sein, aberkannt wird«. Genau darum – und um nichts anderes – geht es den Antragstellern von der Linksfraktion: Perspektivisch soll die Zweistaatenlösung in eine Einstaatenendlösungübergehen – das heißt, in einen Nahen Osten ohne jüdischen Staat.

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