Zum wiederholten Male hat der FC Bayern München sein Wintertrainingslager in Katar absolviert – einem Land, das den islamistischen Terror fördert und in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Anschließend hat der Klub auch noch ein Testspiel in Saudi-Arabien ausgetragen. Ein Bayern-Fan und -Mitglied hat dagegen in einem bemerkenswerten offenen Brief an den Klubvorstand protestiert und seinen Austritt angekündigt.

Am Tag nach dem islamistischen Terroranschlag auf die Redakteure und Mitarbeiter von Charlie Hebdo in Paris verschickte der deutsche Fußball-Rekordmeister FC Bayern München über seinen offiziellen Twitter-Account eine Solidarisierung mit den Opfern. „#JeSuisCharlie“ hieß es in einem Tweet, zu dem auch ein Foto gehörte, das elf Bayernspieler Arm in Arm zeigt, ein Bild, das bei einer Gedenkminute aus anderem Anlass aufgenommen worden war. Eine noble Geste, zweifellos, und dass außerdem der Spruch „#MiaSanMia“ ergänzt wurde – jener Leitsatz, mit der der Klub seit Jahren sein Selbstverständnis (und -bewusstsein) auf den Punkt gebracht sieht –, sollte das Bekenntnis, Charlie zu sein, vermutlich noch unterstreichen. Nach dem Motto: Ist doch Ehrensache, dass wir unsere Empathie mit den Angegriffenen zeigen.

Am selben Tag bestiegen die Bayern ein Flugzeug, um zu ihrem zehntägigen Wintertrainingslager zu jetten – nach Katar. In jenes Emirat also, dessen Regime wie kaum ein zweites den islamistischen Terror fördert – politisch, finanziell, logistisch. Beziehungen pflegt es unter anderem mit der palästinensischen Hamas, den afghanischen Taliban und dem „Islamischen Staat“ sowie mit der Muslimbruderschaft und salafistischen Organisationen. Frauen werden in Katar, wo die Scharia gilt, in extremer Weise benachteiligt und unterdrückt, Homosexualität gilt als „Sodomie“ und wird mit Gefängnisstrafen und Folter geahndet, auch für Blasphemie kommt man für mehrere Jahre in den Knast. Israelis dürfen grundsätzlich nicht nach Katar einreisen – aus dem einzigen Grund, dass sie Israelis sind. Und wenn sich dieses Verbot mal nicht durchsetzen lässt, wie beispielsweise beim Schwimm-Weltcup im Oktober 2013, dann unternimmt man alles, um ihre Anwesenheit unsichtbar zu machen.

All dies hat den FC Bayern schon in den vergangenen fünf Jahren nicht davon abgehalten, in der Winterpause in die katarische Hauptstadt Doha zu fliegen. Auch die zunehmende Kritik an Katar, Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, wegen der sklavenähnlichen Behandlung der Bauarbeiter und den zahlreichen Todesfällen auf den WM-Baustellen haben den Münchner Klub nicht zu einem Umdenken bewegen können. Werden seine Funktionäre auf die Verhältnisse in dem Land am Persischen Golf angesprochen, dann wird es schnell peinlich. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge etwa weist jegliche Kritik mit dem schlichten Argument zurück, „nicht verantwortlich für Katar“ zu sein: „Natürlich lesen wir auch, dass dort gewisse Dinge passieren, die uns hier in Deutschland allen nicht gefallen. Aber ich glaube, das ist eine Aufgabe der Politik und nicht die des Sports.“ Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bestreitet gar allen Ernstes, was schlechterdings nicht zu bestreiten ist: „Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Ich weiß nicht, woher diese Berichte kommen. Ich war schon oft in Katar und habe deshalb ein anderes Bild, das, glaube ich, realistischer ist.“

Rummenigge macht außerdem Prioritäten geltend, die für ihn wichtiger sind als die menschenrechtliche Situation in Katar: „Die sportliche Führung hat sich extrem dafür ausgesprochen, dort nochmal hinzugehen, weil es die besten Voraussetzungen gibt. Die Plätze sind wunderbar, das Klima ist perfekt.“ Außerdem sei man „auch ein bisschen abergläubisch“, denn: „Wir haben nach den ganzen Trainingslagern jeweils große, wichtige Titel gewonnen. Das ist für uns auch ein wichtiger Faktor.“ In Wahrheit spielen allerdings ganz andere Gründe die Hauptrolle: Das Emirat ist Großaktionär beim Autohersteller VW/Audi, der Anteile an der FC Bayern München AG hält. Bayern-Partner Lufthansa übernahm die Flugkosten für den Klub, und Katar selbst entlohnte den Aufenthalt des Rekordmeisters mit einer Million Euro. Darüber hinaus ist der gesamte arabische Raum ein lohnender Markt, auf dem sich bereits andere große internationale Vereine tummeln. Hinzu kommt, dass Bayerns Trainer Josep Guardiola eine Art Image-Botschafter für Katar ist – eine Tätigkeit, für die er sich fürstlich entlohnen lässt.

War die Wahl des Ortes für das Trainingslager also schon überaus kritikwürdig, so setzten die Münchner zum Abschluss ihrer Reise sogar noch einen drauf: Sie flogen weiter nach Saudi-Arabien, um dort ein Testspiel zu bestreiten. Das war der Tropfen, der das Fass für den Twitterer Agitpopblog – selbst Bayern-Fan und Mitglied des Vereins – zum Überlaufen brachte. In einem bemerkenswerten offenen Brief an den Vorstand des Klubs schrieb er: „Dieses Spiel findet statt an einem Tag, an dem ein Aktivist“ – gemeint ist der liberale saudische Blogger Raif Badawi – „zum zweiten Mal dafür ausgepeitscht werden sollte, dass er es gewagt hat, für religiöse Debatten und politische Freiheiten in Saudi-Arabien einzutreten, wozu er weiterhin zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde. Wie kann ein Verein, der sich offiziell für eine freie Gesellschaft und eine friedliche Welt einsetzt, dies ignorieren? Ebenfalls findet dies einen Tag nach der öffentlichen Enthauptung einer Frau in Mekka statt, die während der Enthauptung nicht einmal narkotisiert wurde, damit sich die Enthauptung für sie so schmerzvoll wie möglich gestaltet. Seit Jahresbeginn wurden damit in Saudi-Arabien bereits sieben Menschen hingerichtet.“

Auch wenn der FC Bayern nicht die Politik Saudi-Arabiens und Katars bestimme, so Agitpopblog weiter, legitimiere er sie mit seiner Anwesenheit doch zumindest. „Eine Absage des Testspiels mit Verweis auf die politische Situation in Saudi-Arabien wäre ein starkes und wichtiges Zeichen eines Vereins gewesen, der Millionen Fans auf der ganzen Welt erreichen kann. Der Verlust von Sponsorengeldern oder eventuell sogar eine schlechtere Saisonvorbereitung sind für mich in keiner Weise gegen die Vorgänge aufzurechnen, die der FC Bayern mit seiner Anwesenheit adelt.“ Wenn der Klub für diese Werte, die er bei der posthumen Ernennung seines langjährigen jüdischen Vereinsvorsitzenden Kurt Landauer zum Ehrenpräsidenten hochgehalten habe, nicht eintreten könne oder wolle, „dann kann ich eine Vereinsmitgliedschaft mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Ich würde gerne eine Stellungnahme von Ihnen zu diesen Anliegen hören, die mir zeigt, dass der Verein sich seiner konkreten moralischen Verpflichtung zu diesen Themen bewusst ist und mit erklären kann, warum ich nicht fristgerecht zum 1. Juni 2015 aus dem Verein austreten sollte.“

Der offene Brief fand in den sozialen Netzwerken rasche Verbreitung und eine beachtliche Resonanz, auch einige Medien, etwa der Berliner Tagesspiegel, griffen ihn auf; Zeit Online veröffentlichte ihn sogar ungekürzt. Einige Bayernfans diskutierten auf Twitter darüber, wie man die Problematik auf der nächsten Jahreshauptversammlung ihres Lieblingsvereins zur Sprache bringen kann. Es dürfte sich bei ihnen jedoch – und das ist zutiefst bedauerlich – um eine kleine Minderheit handeln, die nicht stark genug sein wird, um auch über die Medien so viel Druck auf den Klub aufzubauen, dass dieser entweder ein Einsehen hat oder sich zumindest gezwungen sieht, sein Wintertrainingslager künftig andernorts aufzuschlagen. Eine Einsicht dürfte ohnehin kaum zu erwarten sein. Nötig wäre deshalb wohl ein gewaltiger Imageschaden für den FC Bayern wegen der Kooperation mit Ländern wie Katar und Saudi-Arabien – ein Imageschaden, der größer sein müsste als der monetäre Gewinn, den der Klub aus dieser Kooperation zieht. Oder, um es positiv zu formulieren, ein beträchtlicher Imagegewinn durch ein Ende der Zusammenarbeit mit islamistischen Staaten. Es wäre jedenfalls sehr zu begrüßen, wenn der offene Brief von Agitpopblog auch in der großen Anhänger- und Mitgliederschar des FC Bayern eine längst überfällige Debatte anstoßen würde.

Offenlegung: Der Autor ist selbst seit vielen Jahren Fan und Mitglied des FC Bayern München.

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Silvia Jelincic

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