Im Iran wurden zuletzt so viele Menschen hingerichtet wie seit 1989 nicht mehr. Das Regime testet Raketen, die Israel erreichen können, und destabilisiert mit seiner expansionistischen Politik den gesamten Nahen Osten. Dennoch sollte der iranische Präsident Hassan Rouhani heute und morgen in Wien vom österreichischen Bundespräsidenten, vom Bundeskanzler und von Wirtschaftsführern empfangen werden. Dagegen war bereits Protest geplant. Nun aber wurde der Besuch kurzfristig überraschend abgesagt.

Die Tinte unter dem Atomabkommen, das die fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland im Sommer des vergangenen Jahres in Wien mit dem iranischen Regime vereinbart hatten, war kaum getrocknet, da setzte sich der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer auch schon in Bewegung, um der »Islamischen Republik« – gemeinsam mit 130 hochrangigen Gewerbetreibenden sowie dem Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl – als erstes Oberhaupt eines EU-Staates seit 2004 seine Aufwartung zu machen. Angesichts der erhofften hochprofitablen Geschäfte mit dem Iran duldete die Reise offenkundig keinerlei Aufschub; nicht einmal die Tatsache, dass das Regime Homosexuelle an Baukränen aufknüpft, deren österreichischer Hersteller den Iran als »Zukunftsmarkt« bezeichnet, sorgte auch nur für den Anflug einer Irritation. Gleiches gilt für die Kritik, die beispielsweise der Vizepräsident des European Jewish Congress (EJC), Ariel Muzicant (»Das Geld, das der Iran jetzt erwirtschaftet, wird wieder in den Terror investiert«), und das Bündnis »Stop the Bomb« (»Es handelt sich um eine Liebesdienerei und um die Hofierung eines Regimes, an dessen terroristischen Zielen sich nichts geändert hat«) äußerten.

Nun sollte der Gegenbesuch erfolgen: Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte geplant, heute nach Wien zu kommen und sich dort nicht nur mit Fischer, sondern auch mit dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann zu treffen. Am Donnerstag sollte dann bei einem österreichisch-iranischen Wirtschaftsforum die ökonomische Bande noch enger geknüpft werden. Gewissensbisse schienen und scheinen weiterhin niemanden zu plagen, schließlich werde der Atomdeal mit dem Iran, so wird allenthalben seit der Unterzeichnung des Vertrages im Juli des vergangenen Jahres beteuert, die Kriegsgefahr verringern, mehr Sicherheit schaffen und nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die politischen Verhältnisse im Land signifikant verbessern. Bloß hat sich sichts davon bewahrheitet, ganz im Gegenteil: Im Jahr 2015 hat das Regime mindestens 966 Menschen hingerichtet, das sind etwa doppelt so viele wie 2010, zehnmal so viele wie 2005 und mehr denn je seit 1989. Am internationalen Tag des Gedenkens zur Befreiung von Auschwitz im Januar hat der oberste geistliche Führer Ali Khamenei zudem erneut die Shoa in Zweifel gezogen, Anfang März haben die Revolutionsgarden mehrere Raketen getestet, die mit der Parole »Israel muss ausradiert werden« beschriftet waren. Diese Raketen haben eine Reichweite bis nach Jerusalem und Tel Aviv.

»Hassan Rouhani ist kein ›moderater Hoffnungsträger‹, sondern das freundliche Gesicht des Terrors«, stellt »Stop the Bomb« deshalb zu Recht fest. Das iranische Regime rüste massiv auf und finanziere weiterhin antisemitische Terrororganisationen wie die Hisbollah und die Hamas. »In Rouhanis und Khameneis Iran finden staatliche Festivals zur Holocaust-Leugnung statt, auf Homosexualität steht die Todesstrafe, Frauen werden brutal unterdrückt, und die Vernichtungsdrohungen gegen Israel werden permanent wiederholt«, so das Bündnis weiter. Wenn Bundespräsident Heinz Fischer dem iranischen Präsidenten den roten Teppich ausrolle und europäische Firmen mit dem Regime der Ajatollahs Geschäfte trieben, legitimierten und finanzierten sie antiisraelische Hetze, Homophobie und islamistischen Terror. Hinzu kommt, dass die Hoffnung des Westens, man könne mit der »Islamischen Republik« den »Islamischen Staat« bekämpfen, ein völliger Irrglaube ist. Denn mit seinem Krieg für den syrischen Diktator Assad und seiner expansionistischen Politik im Irak, im Libanon und im Jemen hat das iranische Regime jene desaströse Lage in Nahost, vor der unzählige Menschen jetzt fliehen, in entscheidendem Maße mitzuverantworten.

Reformorientiert ist in der iranischen Führung also schlichtweg nichts und niemand, es gibt keine Öffnung, keine Kursänderung in der Außenpolitik und keine Verbesserung der menschenrechtlichen Situation im Land. Khamenei – der bei politischen Entscheidungen stets das letzte Wort hat – hält Rouhani trotzdem sogar noch für zu sanftmütig, wie Alexander Gruber in einem Beitrag für die Medienbeobachtungsstelle Naher Osten in Wien herausarbeitet. Der oberste geistliche Führer des Iran kritisiert demnach den Präsidenten, weil dieser nach Khameneis Ansicht glaube, dass die ökonomischen Probleme des Iran durch weitere Verhandlungen mit den USA gelöst werden könnten. Notwendig sei jedoch, so Khamenei, eine »Ökonomie des Widerstands« auch gegenüber Amerika, um den Iran »unverwundbar« werden zu lassen. Diese Differenzen machen Rouhani gleichwohl keineswegs zum Reformer, sondern werfen vielmehr, wie Gruber weiter schreibt, die grundsätzliche Frage auf, »ob ein revolutionär-antiwestliches Regime wie das iranische sich überhaupt dem verhassten Westen gegenüber öffnen kann oder ob solche Vorstellungen letzten Endes nichts als Illusionen sind«, also »nicht gedeckte Hoffnungen auf eine interne Transformation der Islamischen Revolution hin zur friedvollen Koexistenz«.

Unter dem Motto #RouhaniNotWelcome hatte »Stop the Bomb« gemeinsam mit zahlreichen weiteren Organisationen ursprünglich zu einer Protestkundgebung gegen den Besuch des iranischen Präsidenten in Österreich und seinen Empfang durch Bundespräsident, Bundeskanzler und Wirtschaftsforum aufgerufen. Doch am Dienstagabend sagte Rouhani seinen Österreich-Besuch so kurzfristig wie überraschend ab (und »Stop the Bomb« daraufhin die Kundgebung). Als Grund dafür wurden »Sicherheitsbedenken« geltend gemacht. Da das fragwürdig anmutet, gibt es Mutmaßungen, beispielsweise darüber, dass die Iraner sich schwer verstimmt gezeigt hätten, weil die Proteste zugelassen wurden, oder darüber, dass der Machtkampf zwischen Rouhani und Khamenei sich zugespitzt haben könnte. Gleichwie: Die Reise wird nur aufgeschoben sein, nicht aufgehoben, das haben beide Seiten bereits betont. Bundespräsident Fischer beeilte sich außerdem zu erklären, die Qualität der österreichischen Beziehungen mit dem Iran werde »durch diese Verschiebung nicht berührt«. Natürlich wird sie das nicht – schließlich haben bereits schwerste Menschenrechtsverletzungen das Verhältnis nicht zu trüben vermocht. Und das spricht Bände.

Youtube/Screenshot https://www.youtube.com/watch?v=UhNtY8v5vQU

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