Wie der Iran-Deal das syrische Flüchtlingselend befeuert

Angesichts der bemerkenswerten Hilfsbereitschaft und Unterstützung, die in diesen Tagen namentlich in Wien und München dort ankommenden Flüchtlingen vonseiten freiwilliger Helfer zuteilwird, gerät ein wenig aus dem Blick, wovor insbesondere die zahlenmäßig größte Gruppe von Neuankömmlingen die Flucht ergriffen hat – und was die westlichen Staaten damit zu tun haben. Unzählige Syrer mussten und müssen ihr Land verlassen, und die meisten tun es wegen des Terrors des Assad-Regimes, das Hunderttausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat, im Westen jedoch unbegreiflicherweise noch immer als kleineres Übel und damit als Stabilitätsfaktor, Gesprächspartner und Verbündeter im Kampf gegen den »Islamischen Staat« gehandelt wird. Entscheidend gestützt wird dieses Regime von Russland, von der Hisbollah und vor allem vom Iran, dessen destabilisierende Wirkung in der Nahostregion kaum überschätzt werden kann. Das syrische Flüchtlingselend wird damit wesentlich von Teheran befördert – und der Atom-Deal mit dem iranischen Regime vor sieben Wochen trägt maßgeblich dazu bei, dass sich dieses Elend sogar noch verschlimmert.

Denn natürlich hat das Wiener Abkommen die Machthaber im Iran darin bestärkt, innen- wie außenpolitisch ihren Kurs fortzusetzen, zumal sie auch ökonomisch so guten Zeiten entgegensehen wie lange nicht mehr. Europäische Firmen drängeln sich um Aufträge, flankiert von Regierungsvertretern, wobei deutsche und österreichische eine ganz besondere Eile an den Tag legen. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist mit einer »Wirtschaftsdelegation« bereits wenige Tage nach dem Deal in Teheran vorstellig geworden, nun reist der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer als erstes Oberhaupt eines EU-Staates seit 2004 in den Iran, auch er mit nicht weniger als 130 hochrangigen Gewerbetreibenden sowie dem Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl im Schlepptau. Die Kritik daran bleibt einmal mehr den wenigen vorbehalten, die die Packelei mit dem Regime schon lange verurteilen, Ariel Muzicant etwa. »Verwerflich und inakzeptabel« nennt der Vizepräsident des European Jewish Congress (EJC) die Geschäfte mit Teheran.

Österreichs Staatsspitze und Wirtschaftstreibende »werden Mördern die Hand schütteln«, sagt Muzicant. »Das Geld, das der Iran jetzt erwirtschaftet, wird wieder in den Terror investiert, und es wird Juden treffen.« Diese jüdischen Opfer würden dann als »Kollateralschäden« abgetan, aber nicht die einzigen Opfer sein. Auch Stephan Grigat, der wissenschaftliche Direktor des Bündnisses »Stop the Bomb«, verurteilt die Reise: Es handle sich um eine »Liebesdienerei« und um die »Hofierung eines Regimes«, an dessen terroristischen Zielen sich nichts geändert habe. »Die ehemaligen Nazi-Staaten Deutschland und Österreich preschen jetzt vor«, so Grigat weiter, und Fischer setze »eine unselige Tradition« fort, schließlich habe sein Vorvorgänger Kurt Waldheim mit seiner Teheran-Reise als »Eisbrecher für den Holocaustleugner« gedient.

Doch Heinz Fischer ficht das nicht an, genauso wenig wie die Tatsache, dass das iranische Regime Homosexuelle an Baukränen aus Österreich aufknüpft, deren Hersteller den Iran kürzlich als »Zukunftsmarkt« bezeichnet hat. Der österreichische Präsident hat da ein reines Gewissen, schließlich hat er, wie er der »Wiener Zeitung« stolz berichtet, »schon als Parlamentspräsident eine Tafel beim Eingang des Parlaments anbringen lassen, wo Artikel 1 der Menschenrechtsdeklaration zitiert wird, in dem es heißt, dass alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind«. Auch der jüdische Staat müsse sich nicht sorgen, denn: »Österreichs Position und meine Position [ist], dass Israel so wie alle anderen Uno-Staaten das Recht auf Existenz und das Recht auf Sicherheit für seine Menschen hat, daran gibt es nichts zu rütteln.« Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist derweil »betrübt« und findet es »nicht akzeptabel, wie der Iran nach wie vor über Israel spricht«. Es sei »eine Enttäuschung«, dass »gar keine Wende zu erkennen ist, was die Akzeptanz des Staates Israel anbelangt«.

Das Regime in Teheran versteht diese lendenlahmen Worte genau so, wie sie gemeint sind – als folgenlose Lippenbekenntnisse nämlich –, und weiß, dass es nichts zu befürchten hat. Deshalb sieht es sich auch nicht einmal zu symbolischen Goodwill-Gesten veranlasst, im Gegenteil: Selbst im kulturellen Bereich, der dem Westen in puncto »Verständigung« und »Annäherung« doch so wichtig ist, lassen die Mächtigen im Iran alle Vorhaben kurzerhand ins Leere laufen. Prinzipienfeste Antisemiten, die sie sind, verweigern sie selbst Daniel Barenboim einen Auftritt in Teheran. Der Stardirigent lässt zwar keine Gelegenheit aus, seine Abneigung gegenüber Israel kundzutun, aber er ist Jude und Israeli – und damit für die Mullahs »ein Künstler des zionistischen Regimes«. Deshalb wird es nichts mit dem geplanten Konzert der Berliner Staatskapelle in der iranischen Hauptstadt unter seiner Leitung und der Schirmherrschaft des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier, der sich doch so sehr für den Deal von Wien stark gemacht hatte.

Währenddessen hat Angela Merkel den Iran eingeladen, sich »konstruktiv« an Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in Syrien zu beteiligen. »Ich glaube, dass der Iran sehr viel Einfluss auf das hat, was in Syrien stattfindet«, sagt sie – und hat damit zweifellos Recht. Bloß ist dieser Einfluss alles, nur nicht konstruktiv, und wer den Brandstifter zum Brandbekämpfer machen will, heizt die Flammen erst recht an. Die syrischen Flüchtlinge, die zu Zehntausenden nach Deutschland kommen, können davon ein Lied singen. Sie sind Opfer eines Krieges, der vom Iran maßgeblich befeuert wird – und der Westen begünstigt diesen Krieg durch seine Politik gegenüber dem Regime in Teheran erheblich.

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