Diese Woche interviewte mich die junge Kollegin Magdalena Vachova für ihre Story über AlleinerzieherInnen und Job-Aussichten im Samstag-Kurier (ok, ein Mal gegendert, ab jetzt nicht mehr). Erstaunt war sie vor allem, dass ich, als einziger von ihr befragter Mann, wesentlich entspannter sei als ihre beiden weiblichen Gesprächspartnerinnen. Aber weshalb ist die Situation für manche – vor allem am Arbeitsmarkt – derart trist?
Wie in sehr vielen Bereichen hat auch hier die Politik Jahrzehnte aktuelle Entwicklungen verschlafen und es kläglich versäumt, sich um einige der Schwächsten ausreichend zu kümmern. Denn noch immer geht man davon aus, dass die Mehrzahl der Familien aus Kind/ern, zwei erwerbstätigen Erwachsenen und aktiven Großeltern, die noch dazu verfügbar sind und in der Nähe wohnen, bestehen. Hier liegen die Regierenden – und entsprechende Gesetze – Kilometerweit abseits der Realität.
Kollegin Vachova wollte vor allem wissen, wie es in Arbeitswelt und mit Job-Chancen aussehe. Aussichtslos, mehr oder weniger. Zumindest was höher qualifizierte Vollzeit-Beschäftigungen und damit ein höheres Einkommen betrifft. Verfügt man über kein Netzwerk, das die Betreuung des Kindes abseits der Betreuungszeiten (z.B. in den Schulen) zwischen 08:00 und 17:00 übernehmen kann, sind weder Abend- noch Wochenenddienste möglich. Außer man leistet sich einen Babysitter, der im Schnitt einen Zehner kostet. Pro Stunde. Um überhaupt arbeiten zu können, entstehen pro Schicht so Kosten von bis zu 80 Euro.
Sind Abend- und Wochenenddienste beim Bewerbungsgespräch kein Thema, ist oft nach den nächsten obligaten Fragen der Termin beendet: Was passiert mit dem Kind im Urlaub oder im Krankheitsfall? Ein Alleinerzieher ohne Betreuungsnetzwerk hat dafür keine Fremdlösung – Job adé!
Apropos Urlaub: Bei drei Monaten Schulferien stellt sich die Frage, wohin mit dem Kind in jenen sechs Wochen, für die der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht ausreicht? So geht ein Durchschnittsgehalt beinahe zur Gänze drauf, um den Nachwuchs in ein Feriencamp o.ä. zu schicken.
Was oft vergessen wird: Alleinerzieher haben die gleichen Ausgaben und Kosten für Miete, Lebenshaltung, etc. wie klassische Familien. Diese müssen einmal verdient werden. Keine leichte Aufgabe, da vor allem Jobs in den genannten Zeitfenstern – vor allem für weniger qualifizierte Alleinerzieher – niemals gut bezahlt werden.
Plus: Es besteht kein Rechtsanspruch, wenn der nicht erziehende Elternteil keine Alimente bezahlt. Das Vorstrecken durch die Jugendämter ist Ermessungssache: Sieht der Sachbearbeiter geringe oder keine Chance, dass sich der Staat geleistete Vorschüsse zurückholen kann, werden sie auch nicht bewilligt.
Abgesehen von den vielen faktischen Gründen, weshalb Alleinerzieher nicht oft entspannt sind… die Erwartungshaltung der Gesellschaft ist die gleiche wie an klassische Familien. Kind und AlleinerzieherIn dürfen in Lebensstil, Bildung, Kleidung etc. der „Normfamilie“ um nichts nachstehen – für manche ein zusätzlicher Stressfaktor.
P.S.: Gelacht habe ich übrigens herzlich, als vor kurzem RTL für seine Nachrichten ausrechnen ließ, wie viel denn die Leistung einer Hausfrau und Mutter – also wie die eines Alleinerziehers – wert ist: Man staunte, als unter dem Strich 4.000 Euro herauskamen…