Erdogan und Apple, Orban und Putin führen täglich aufs Neue vor, wie am Ende die derzeitige EU ist. Natürlich, ein Zerbrechen wäre aber mehr Katastrophe als Lösung. Das vergangene Jahr zeigt, wie zerbrechlich die eigentlich wunderbare Idee einer Europäischen Gemeinschaft ist. Zwei monumentale Fehler gibt es in der Konzeption: Der Grundgedanke baut darauf, dass die Mehrzahl der Menschen (und Politiker) solidarisch mit ihrem Nächsten und eigentlich im Herzen gut sind. Charaktere wie Orban oder Erdogan sind nicht vorgesehen.
Das zweite Problem: Man hat eine Portion gesunde Härte verlernt. So gut wie nie werden Strafen bei Vergehen verhängt – um die Ungarn öfters bettelt –, auch wenn es um die solidarische EU-weite Aufteilung von Flüchtlingen oder um Budgetdisziplin geht, geht: Wer sich an (EU-) Gesetze hält, ist der Blöde, Übeltäter kommen ungestraft davon oder werden, wie Griechenland, „gerettet“.
Wie waren unsere Nachbarn doch stolz, dass sie nach einem Jahrhundert Wartezeit das osmanische Massaker an den Armeniern nun hochoffiziell als Völkermord bezeichnen dürfen. Doch kaum ruft Erdogan bei Merkel an und erinnert an das Faustpfand Flüchtlinge, die er wie eine wildgewordene Meute auf Europa loszulassen droht, oder an das Besuchsverbot bei deutschen Soldaten in der Türkei – schon biegt sich die Regierung in Berlin und eiertanzt durch die Medien. Aber Nein, so Merkel heute in RTL, man kommentiere als Regierung den Völkermord-Beschluss des Bundestages nur nicht, das sei üblich. WTF???
Die Gummiwirbelsäule ist Programm. Outen Kanzler Kern und BM Kurz die EU-Beitrittsverhandlungen als sinnlose Beschäftigungspolitik für Brüssel-Abgeordnete, so rudern Berlin und Brüssel zurück. Nicht etwa, weil sie glühende Verfechter eines Türkei-Beitritts wären – nein, weit gefehlt. Es geht bloß um die Optik, damit die Leberwurst am Bosporus nicht noch mehr beleidigt ist. Das wird sogar zugegeben.
Ein Blick in die Kristallkugel: Die Visa-Freiheit für Türken wird kommen, das ist fix. Dass das türkische Regime weder seine zweifelhafte Auffassung von Demokratie, (Religions-) Freiheit und Menschenrechten ändern wird, ist ebenso fix. Aber auch hier wird sich das Gummirückgrat der EU gute Dienste leisten, denn das Zudecken des eigenen Versagens ist den Polit-Granden das Verschachern von Grundwerten wert.
Absurd ist es, dass sich nun Irland gegen die EU an die Seite von Apple stellt und hinterzogene 13+ Milliarden an Steuern nicht will. Gemeinsam wird man mit dem Apfel-Giganten gegen das Urteil der EU vorgehen. Denn man hat Angst in Dublin. Angst davor, dass Apple seinen neuen Gebäudekomplex samt 1000 neuer Arbeitsplätze nicht in Betrieb nimmt. Angst, dass Apple 5000 Jobs, die aufgrund der Steuerzuckerl in Irland geschaffen wurden, abbaut. Angst, dass es zu einer Flucht von Facebook & Co. kommt, die auf der Grünen Insel ebenfalls lächerlich gering besteuert werden.
Die Zeit der Sonnenscheinpolitik ist vorbei, der zahnlose Tiger EU muss sich ein neues Gebiss verpassen. Oberste Direktive in der Polizeiarbeit und der Politik ist: Nie den Forderungen von Erpressern oder Geiselnehmern (oder Diktatoren) nachgeben, sonst schießen die Nachahmer wie Schwammerl aus dem Boden. Doch statt Werte und die eigenen Gesetze und Beschlüsse zu verteidigen, leckt die EU lieber der ganzen Welt den Arsch…
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