Grexit, Terroranschläge, kaum ein Euro im Börserl. Wer möchte denn da einem 74jährigen (wie z.B. Bob Dylan) zuhören, der im Welt- oder Persönlichkeitsschmerz sogar noch am Abend die dunklen Alltagswolken besingt? Da ist der Unterschied: Zu Dylans Konzert im burgenländischen Wiesen in der Vorwoche kamen 3000 Besucher, Helene Fischer füllt gleich zwei Mal das Wiener Happel-Stadion mit geschätzt 30 Mal mehr Fans.
Es ist das ewige „Brot & Spiele“, das bereits die Römer zu einem perfekten Instrumentarium zur Ablenkung der Massen von Problemen, Krisen – und vor allem vom eigenen Denken perfektionierten: Ein gestählter Held ohne Furcht und Tadel (der aber durchaus publikumswirksam ins Gras beißen darf) entführt die realitätsgebeutelte Bevölkerung zumindest kurz in eine perfekte Welt, wie sie nur in der Arena (heute: in Hollywood oder auf der großen Pop-Bühne) existiert.
Die Heroin der Stunde ist Helene Fischer. Nicht nur, weil ein erfahrener Manager (und dessen Ex-Frau als „Atemlos“-Komponistin) hinter der zarten Sängerin aus dem tristen Sibirien steht, sondern weil die Belanglosigkeit des Gesamtkunstwerks Fischer – in Liedern, Shows und Werbe-Deals – perfekt das Heute trifft, ganz so wie das Schwert eines Gladiators ins Herz des Rivalen. Helene Fischer ist „Fräulein Fehlerfrei“, blond, zierlich, hübsch und erfolgreich. Welche Frau würde nicht gerne in ihre Rolle schlüpfen? Welcher Teenager träumt nicht von einer solchen Karriere? Welcher Mann hätte nicht gerne die perfekte Sauberfrau daheim im Schlafzimmer, „Atemlos“?
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„Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten“, zitierte der von mir hoch geschätzte Udo Jürgens vor gut 15 Jahren Karl Kraus, als ich ihn auf die Simplifizierung der deutschen Musikszene ansprach. Das ist allerdings, und da waren wir uns einig, kein Vorwurf an die Massen, denn eben: Wenn der Schädel vom täglichen Überlebensk(r)ampf brummt, der Ärger und die Fassungslosigkeit über die Mächtigen in Politik und Wirtschaft keine Grenzen kennt und die Zukunft immer unberechenbarer wird, flüchtet man gerne in eine Scheinwelt, die zumindest für ein paar Stunden die gnadenlose Realität vergessen lässt. Oder verständlich in ein Schwarz und Weiß, in ein Gut und Böse vereinfach. Das können zwei Stunden beim neuesten „Terminator“-Massaker im Kino sein, die Lektüre von flachen Boulevard-Blättern, ein paar Bierchen oder eben ein Konzert von Madame Perfekt, Helene Fischer. Alles das bläst das Hirn wunderbar frei.
„Das ist unsre' Nacht, wie für uns beide gemacht,ich schließe meine Augen, lösche jedes Tabu“ – Doch der Kater danach kommt bestimmt….