„Zeig‘ mir deine Brüste!“, schreit ein junger Mann eine hübsche, ihm unbekannte, Frau zur Begrüßung in einem Lokal an, um danach vor allen Gästen sein „bestes Stück“ anzupreisen.
„Du bist ein fettes, blödes Stück Scheiße!“, schreit Hans mitten in der Mathe-Stunde durch die Klasse in Richtung einer Kollegin, damit es ja auch jeder Mitschüler und der Lehrer hören.
„Geh‘ lass den Wasserschlauch, des Asylantending zünd‘ ma besser an“, raunt der KFZ-Lehrling mit einem Lächeln und Augenzwinkern dem verblüfften Feuerwehrmann zu.
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Was sich im „realen Leben“ kaum so abspielen würde, ist Alltag im Netz. Blödheit? Schlechte Manieren? Hetze? Klar, dass viele User sowohl „klassisches Benehmen“, als auch den halbwegs korrekten Umgang mit Sprache verlernt haben, ist bekannt. Mag man das Internet und das Neusprech verteufeln, die germanisch- anglistisch synchronisierten Trash-TV-Sendungen oder wenig bemühte Elternhäuser beschuldigen – das alleine ist kein Grund für die Alltagsbrutalität auf Facebook & Co.
Das Netz ist ein Spiegel der Seele, denn eigentlich geht es nicht um Umgangsform oder Grammatik (doch, ja, auch!). Vielmehr darf man dort endlich sagen was man gerade WIRKLICH denkt oder will. Man möchte keinen Smalltalk mit einer netten Dame, sondern nacktes Fleisch und (virtuellen) Sex. Man ist nicht grantig auf die Mitschülerin, sondern möchte ihr nur so öffentlichkeitswirksam wie möglich einen Schwinger in die Magengrube versetzen, der Heulkrampf wird erwartet. Und, seien wir einmal ehrlich, es würde nicht das erste Mal sein, dass man Schwache und Hilflose – im wahrsten Sinne des Wortes – brennen lässt.
Es ist eine Frage des Anstands, den wir sechzig Jahre lang (beinahe) eingehalten haben, solange es keinen dunklen, oft anonymen Stammtisch gab, an dem Einfältige einem selbsternannten Führer bei Völkermord- und Welteroberungsphantasien lauschten. Die Stammtische blieben dort wo sie hingehören, im Halbdunkel. Nur stöbernde Journalisten kehren ab und zu den Hass und die Hetze ans Licht, manch Ausreißer landete schon mal hinter Gittern.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das Internet ist (unter anderem) ein großer, ungustiger Stammtisch. International. An diesem, so der Irrglaube, darf die Seele ihr Schwärzestes zeigen, der Hass darf herausgebrüllt, Gewalt- und Sex-Phantasien dürfen breit getreten werden. Ein Spiegel der Seele der ungeschminkt zeigt, wie es in den Menschen wirklich aussieht. Die ohne jeglichen Anstand – es gibt diesen Unterschied zu gutem Benehmen/Netiquette – darf das Tier von der Leine gelassen werden.
Wie die Geschichte nach den dunklen, oft anonymen Stammtischen, an dem Einfältige einem selbsternannten Führer bei Völkermord- und Welteroberungsphantasien lauschten, weiterging, ist bekannt.