Fassungs- und sprachlos (was ich so gut wie nie bin) lasse ich die News der vergangenen Tage ob der „Kleber-Affäre“ auf mich einprasseln. Ich gebe zu, ich konnte mir oft ein Lächeln nicht verkneifen ob jenes Klebers, der aufgrund der großen Hitze seine Aufgabe vergessen hat und nicht mehr klebt. Mitleid hatte – und habe – ich mit der Druckerei, die für diesen faux pas verantwortlich ist. In deren Haut möchte ich nicht stecken.
Unter dem Strich bleibt – seit Monaten immer die gleiche – Message: "Deine Wählerstimme is‘ eh wurscht!" Es ist die Aufdeckung eines Wurschtigkeitssystems, das in Österreich sichtlich seit Jahren Schindluder mit der individuellen Wählerstimme treibt. Augenmaß zählt, wie oft in diesem Lande, mehr als Fakten und jede einzelne Stimme. Richtige Conclusio?
Dass die Kuverts nicht kleben, ist das Eine. Aber weitaus schlimmer ist, wie die österreichischen Behörden – allen voran das Innenministerium – damit umgehen. "Ach, die paar ungültigen Stimmen, das ist doch nicht so schlimm... das hätte am Ergebnis ja ohnehin nichts geändert..." Es ist peinlich, eine Schande für unser Land. Die ganze Welt lacht über uns. Die Geschichte klingt nach einer Story aus Bananistan – aber vermutlich geht es nicht mal im tiefsten Urwald so zu wie bei uns.
Also, meine Frage an Euch: Wie geht man als Bürger und Wahlberechtigter in diesen Tagen mit den laufend hereinprasselnden Schlagzeilen um?
Wahlkartenkuverts für die Wiederholung der Bezirksvertretungswahlen im Wien-Leopoldstadt tun ihren Dienst nicht so wie festgeschrieben. Wahlbeisitzer bei der Stichwahl zum Bundespräsidenten unterschreiben Dinge, die so nie stattgefunden haben. „Ich war da, das unterschreib ich, und hab alles gesehen“. Doch eigentlich war ich ganz woanders. Auf den ersten Blick fand auch ich die Anfechtung des ersten BP-Urnengangs vom FP-Hofer als Zeichen des schlechten Verlierertums. Doch erstaunlich waren die Reaktionen auf das Urteil des Verfassungsgerichts, dass die Wahl wiederholt werden müsse. Es wurde ein - zwar faktisch richtige - Argument gegen eine Wiederholung gebracht: „Die paar Stimmen“ hätte am Ausgang der Stichwahl eh nix geändert.
WTF? Ändert es am Ergebnis eh nix, ist es doch wurscht, ob meine Stimme zählt.
Egal, denn es gibt ja die Wiederholung der Stichwahl. Dann wird’s schon passen. Und dann kam der Kleber. Was meint das offizielle Österreich?
Hofer ist kein Kreidefressender Wolf. Doch für wie blöd kann er das Volk denn verkaufen? Abgesehen davon, dass auch bei der Stichwahlwiederholung (ab sofort von mir für das Unwort des Jahres nominiert) Van der Bellen seinen möglichen Sieg Wahlkarten verdanken wird – Herr Hofer möchte tatsächlich, dass viele ihr Wahlrecht dann kurzfristig nicht ausüben können? Denn eine andere Variante zu realisieren, mit der Verreiste, Auslandsösterreicher, aber auch Kranke und Behinderte ihre Stimme abgeben können, ist illusorisch.
Und der Rest der Vorschläge zur Beendigung der Misere? Mit Uhu-Stick zukleben. Eine fehlerhafte Wahlkarte ist keine Wahlkarte, sondern nur ein Papierl. Sagt der Wiener Stadtrat Mailath-Pokorny, oberster Chef der Wahlbehörde. Eine unterschriebene Wahlkarte, bei der der Pick – Kleber – aufgeht, ist halt Pech und wird nicht gezählt. Sagen andere. Vielleicht tauschen die Wiener das, nach ihrer Definition „Papierl“ gegen ein neues aus. Die Vorarlberger nicht. Oder doch.
Konkrete Antworten findet niemand im Staate Österreich. Doch die Ratlosigkeit – solch ein Fall ist im überregulierten Land nämlich nicht vorgesehen – zeigt ein Grundversagen auf: Wie sehr haben Generationen an Politikern es sträflich vernachlässigt, sich um die Pflege und Aktualisierung des Wahlrechts zu kümmern? Wird eh scho‘ passen. Naja, „so Pi mal Auge“ haben die halt gewonnen. Oder die anderen. Unterschrieben ist’s ja eh…
Wenn es aber nicht wurscht sein sollte – wie wäre es mit einer Aussetzung der Bundespräsidenten-Wahl für ein paar Monate? Um zu überdenken, wie das Wahlsystem von Grund auf neu zu regeln und aufzubauen wäre. Um vielleicht auch digitale Medien einzubeziehen – jeder Österreicher hat eine E-Card, die perfekt als „Trägermedium“ und zur Registrierung als Wähler tauglich wäre?
Geld gibt’s ja auch nur mit Karte und Pin beim Bankomat – und nicht im, mit Uhu Stick zugepickten, Kuvert.
Aber is ja eh wurscht. Oder?
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