Neulich nach einem Schultag und der Nachmittagsbetreuung: Meine Tochter, zehn Jahre alt, ist sichtlich zerdrückt, als ich sie abhole. Erst im Auto, kurz bevor wir daheim waren, sprudelte der Kummer aus ihr heraus. Zwei Burschen hätten sie in der Schulgarderobe mit Schuhen beworfen, einer, dem bereits kein besonders guter Ruf vorauseilt, habe sie kräftig an den Haaren gerissen, was sie mir auch drastisch demonstrierte. Dass ich auf der Stelle kehrt machte und die beteiligten Burschen zur Rede stellen wollte, stieß bei ihr auf derartiges Unbehagen, dass sie im Auto sitzenblieb, als „Papa Löwe“ mit dickem Hals zu den, noch im Schulgarten spielenden Kindern ging…
Meiner angesichtig dürfte die durchaus bemühte Nachmittagsbetreuerin, mit der es vier Jahre lang so gut wie keine Probleme gab, geahnt haben, was ich vor hatte. Sie baute sich vor mir auf, als ich nach den Übeltätern verlangte, um ihnen klar zu machen, dass Gewalt – und erst recht gegen meine Tochter – ein „No Go“ ist. (In diesem Geist erziehe ich sie auch, Gewaltfreiheit und Toleranz sind die obersten Gebote.)
Das gehe so nicht, sie dürfe nicht zulassen, dass fremde Eltern mit Schülern sprechen, ja, schon gar nicht, dass sie von denen gemaßregelt würden. „Sie könnten dadurch eingeschüchtert werden“, erklärte mir ein junger Betreuer mit sichtbarem Bedauern in den Augen. Der Vorschlag: Man könne sich ja einen Gesprächstermin mit den beteiligten Kindern, Eltern und Betreuern in der Direktion ausmachen. Reden worüber? „Gewalt geht nicht. Gar nicht. Punkt. Darüber brauch‘ ich nicht diskutieren“, stellte ich fest. Ohne Wenn und Aber. Als Antwort erntete ich ratlose Stille und, nach einer Pause, nochmals: „Ich kann ihnen anbieten, dass wir darüber reden.“
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Ein Telefonat mit der Klassenlehrerin brachte zu Tage: Monate lang gibt es mit einem der Burschen bereits Probleme, in punkto physischer als auch verbaler Gewalt der übelsten Sorte, mit zum Teil sexuellen Inhalten, vor allem gegenüber Mädchen. Es gab mehrere Gespräche mit Lehrern, Betreuern, der Direktorin und sogar einer unterstützenden Begleitlehrerin. Ergebnis: Siehe oben.
Ich denke, hätte ich nur wenige Sätze mit dem betroffenen Schüler gewechselt, ihm wäre klar gewesen: Greif‘ meine Tochter noch einmal an, dann werde ich zum Löwen. Und, nein, ich dachte nicht an physische Aktionen sondern an das, was auch „kleine Männer“ hart trifft: Dass Gewalt ein Zeichen der Schwäche und, vor allem gegen schwächere (Mädchen), ein Armutszeugnis ist. Klar, solche Worte darf das Schulpersonal nicht verwenden… Aber: Red‘ ma mal drüber.
Erst jetzt, Tage später, wird mir klar, dass das vielleicht im Kleinen genauso wenig funktioniert wie in der großen Politik und der Wirtschaft. „Red‘ ma mal über die Hypo“… „Red‘ ma mal über die Arbeitslosigkeit“… „Red‘ ma mal über die Flüchtlinge“…
Es ist Bankern und Banken und Fonds wirklich egal, wenn ein „Das tut man doch nicht“ als Konsequenz im Raum steht; Es ist Arbeitgebern egal, wenn man ihnen das Anstellen von AlleinerzieherInnen oder älteren Personen mit netten Worten, ohne Sanktionen, ans Herz legt; Es ist dem Schlepper völlig wurscht, wenn die EU wieder einmal über das Problem redet und seine Klienten im Mittelmeer ersaufen; und es geht – um zurückzukommen – dem zehnjährigen Haarereißer auch am Popo vorbei, wenn er die x-te „Red‘ ma mal drüber“-Runde über sich ergehen lässt.
Doch bei Hypo, (Langzeit-) Arbeitslosen und den Flüchtlingen ist leider kein „Löwen-Papa“ auf weiter Flur… aber „red‘ ma mal zuerst drüber…“