Die Nazi-Masche ist derart inflationär, sodass man den Eindruck bekommen könnte, man sei umgeben von braunem Gesocks und im nächsten Moment wird Adolfs Reichskarosse um die Ecke biegen. Differenzierung? Weit gefehlt. Auch nicht im neuen Rechtsextremismusbericht der Grünen, den sie soeben vorgelegt haben.

Alarmierend nennt der Bericht die Verdoppelung der einschlägigen Straftaten seit 2010 – die Begleitumstände werden allerdings erst im Kleingedruckten bzw. auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz erläutert. Die s.g. Linke operiert hier mit ähnlichem Schwarz-Weiß und Argumentationen wie die stets von ihr verteufelte FPÖ: Fakten werden plakativ und populistisch inszeniert und in jenes Licht gerückt, wie sie gerade ins (grüne) Konzept passen.

Über den gleichen Kamm geschoren werden gefährliche rechte Randerscheinungen wie die Identitären, Hakenkreuz-Schmierereien, der Hitler-Gruß bei einer FPÖ-Veranstaltung, Angriffe auf Flüchtlingsheime, usf.. Sind das alles brandgefährliche Nazis?

Eines vorweg: Wer krakelige Hakenkreuze oder Hitlergrüße auf Hinterhausmauern sprayt, ist für mich in erster Linie dumm und ein Sachbeschädiger, nicht unbedingt aber ein Nazi. Um Solches eindeutig ins rechte Eck zu rücken, müsste man der Motivationslage des Täters vorerst auf den Grund gehen.

Ähnliches gilt für Hasspostings & Konsorten. Albert Steinhauser, Abgeordneter der Grünen, relativierte die, auf den ersten Blick explodierenden Deliktzahlen im Jahr 2015 auf mehr als 1100 „rechtextreme“ Straftaten. Seit dem bisher letzten Rechtsextremismusbericht sind 13 Jahre vergangen – was damals (und davor) noch an vielen Stammtischen in spätabendlicher Bierlaune von sich gegeben wurde, passiert nun auf Facebook & Co.. Was im Wirtshaus, wo man unter sich ist, früher nicht angezeigt wurde, landet – wenn auf Facebook gepostet – bei der Staatsanwaltschaft. Und das, obwohl markige Sprüche, Rassismus, Fremden- und Asylwerberfeindlichkeit im virtuellen Raum noch leichter von der Hand gehen, als im Biernebel der Stammtische.

Alles brandgefährliche Nazis?

Ich widerspreche der pauschalisierenden Statistik. Freilich, es tummeln sich genügend Alt- und Neo-Nazis im Alpenlande. Auch, dass noch immer nicht alle Verantwortlichen der braunen alpen-donau.info-Seite abgestraft wurden ist ein Skandal. Doch das sind alte Kamellen, die immer und immer wieder aufgewärmt werden. Doch sind Hakenkreuz-Sprayer mit jenen unbelehrbaren Geistern wie Gottfried Küssel vergleichbar? Oder gar mit solchen, die Wohnheime von Asylwerbern in Brand stecken? Ist jede Fremdenfeindlichkeit gleichzusetzen mit einem politischen Neo-Nazitum? Ich bezweifle das. Ich gehe sogar soweit, dass die meisten nicht einmal einen Konnex zwischen ihrem Tun und Politik herstellen.

Schon der Titel „Rechtsextremismusbericht“ genauso verstaubt und obsolet wie das einbetonierte Lagerdenken zwischen links und rechts. Das bringt uns nicht weiter und kann nicht jenen Dialog ersetzen, der längst überfällig ist.

Es darf nicht weiter angehen, dass jeder, der besorgt ist über die Masse der aufgenommenen Asylwerber, ob sie denn wirklich ohne Abstriche für die einheimische Bevölkerung versorgt werden können, ins Nazi-Eck gestellt wird. Ähnliches gilt für Postings im Netz, die abzulehnen sind und, wo nötig, strafrechtlich verfolgt werden müssen.

Doch sind die alle brandgefährliche Nazis? Einige sind es. Garantiert. Genauso wie es unverbesserliche Rassisten gibt. Doch eine politisch rechte Position darf nicht mit Neonazi-Umtrieben gleichgesetzt werden. Das ist das Ende der freien Meinungsäußerung, der konstruktiven Diskussion und á la longue das Ende der Demokratie. In den Rechtsextremismusbericht gehören Delikte wie Wiederbetätigung im Sinne des NS-Regimes oder Leugnung von Gaskammern – dummes Facebook-Geschreibsl nicht unbedingt.

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