Faymann beim Zähneputzen?

Schieflage in der Unternehmenskommunikation: Werner Faymann wird von Medien als Schweigekanzler betitelt, gegen den blauen Populismus kann man sich kaum wehren, die Regierung im Stillstand. Es sind keine einfachen Zeiten für SPÖ Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle.

f&f: Wie oft verzweifeln Sie derzeit als Kommunikationschef der SPÖ? Täglich? Mehrmals täglich?

Matthias Euler-Rolle: Als ich den Job angetreten hab‘, hat mir niemand gesagt, dass es immer freundlich, sonnig und gerecht zugehen wird. Das stand nicht in der Job-Description. Ich ärgere mich natürlich immer wieder über Dinge, lerne aber, mir Stück für Stück eine dickere Haut wachsen zu lassen, damit ich eben nicht verzweifle. Wenn ich täglich verzweifeln würde, würde mir meine Frau verbieten, diesen Job zu machen.

f&f: Vor allem seit dem Sommer wird der Kanzler als Schweigekanzler bezeichnet. Er ist untergetaucht, man hört nicht viel. Das wird zumindest von der Öffentlichkeit so empfunden. Entzieht das Schweigen Ihnen nicht die Arbeitsgrundlage?

Matthias Euler-Rolle: Es gibt einen Gap zwischen subjektivem Empfinden und den realen Fakten. Der ist manchmal, angetrieben durch soziale Medien, besonders stark. Wenn man sagt, der Kanzler ist ein Schweigekanzler und untergetaucht, dann könnte ich mit vielen Statistiken, Interviews, die Woche für Woche stattfinden, den wöchentlichen Pressekonferenzen nach dem Ministerrat und Zeitungsinterviews, das Gegenteil beweisen. Wenn wir vom Zeitraum seit September sprechen, behaupte ich, der Bundeskanzler war medial viel stärker vertreten als sonst.

f&f: Faymann macht also alles richtig in der Außenwirkung?

Matthias Euler-Rolle: Die Frage ist immer, welchen Kanzler wünschen sich die Menschen in Zeiten wie diesen. Sie haben die Frage beantwortet. Wir wünschen uns einen Kanzler, der jeden Tag rausgeht. Der Entscheidungen trifft und klar sagt, wie wir es machen und was auf welche Art und Weise zu geschehen hat. Und das alles am besten gleich. Das wünschen sich viele Menschen, und das verstehe ich. Solange der Kanzler Faymann heißt, wünsche ich mir das auch, denn er ist durch und durch ein Humanist. Er würde nie eine Entscheidung treffen, die nicht im Sinne der Menschen ist. Aber leider sehen das die Verfassung und die Gesetze so nicht vor. Er kann weder einem Minister etwas anschaffen, noch entscheiden, wo welche Quartiere für Asylbewerber aufgestellt werden. Das kann ein Bundeskanzler in Österreich alleine nun mal nicht.

Gerade heute, in der Flüchtlingsdiskussion, würde ich mir auch einen Kanzler wünschen, der alleine agieren kann. Wenn der Kanzler allerdings HC Strache heißt, dann möchte ich nicht, dass er alleine entscheiden kann, was mit den Flüchtlingen geschieht und wie mit den Menschen in diesem Land umgegangen wird. Also hat auch hier alles zwei Seiten.

f&f: Soll die Politik in einer beschleunigten Welt der sozialen Netzwerke weiterhin in der prä-Facebook-Geschwindigkeit verharren? HC Strache nutzt Facebook und Co. ja massiv.

Matthias Euler-Rolle: Es wird in der Facebook-Welt erwartet, dass du in wenigen Worten schnelle und klare Überschriften und auch gleich alle Lösungen bietest. Die Realität ist ein ganz, ganz anderes Paar Schuhe. Wenn jemand glaubt, man kann die Flüchtlingskrise lösen indem man Österreich umzäunt, dann ist das keine Lösung, sondern ein Schmäh. Rein praktikabel kann das nicht funktionieren.

f&f: Aber ist es nicht die Erwartungshaltung der Menschen, dass die Politik rascher agiert als früher? Von einer Sekretärin wird ja heute auch erwartet, dass sie am Wochenende per SmartPhone erreichbar ist oder e-mails beantwortet.

Matthias Euler-Rolle: Die Welt ist schneller geworden, aber gleichzeitig oberflächlicher. Die Politik muss also lernen, in dieser Welt anders zu kommunizieren. Politiker werden sich zukünftig, auch auf eine andere Art und Weise, menschlicher und persönlicher präsentieren müssen. Ich glaube auch, dass die Zeit der langen Presseaussendungen und der alten Kommunikationsmittel irgendwann vorbei sein wird.

f&f: Aber müsste nicht die Entscheidungsgeschwindigkeit ebenfalls steigen?

Matthias Euler-Rolle: Möglicherweise meint man, dass in Österreich zu lange diskutiert wird, und die Menschen wünschen sich jemanden, der entscheidet. Bam! Aus und Ende. Wohin hat uns aber diese möglicherweise langsamere Entscheidungsfindung, diese geringe Radikalität in der Entscheidung geführt? Zum Ausgleich, den die ÖsterreicherInnen auch immer gewählt haben. Deshalb gibt es ja die Historie der Sozialpartnerschaft, deshalb gab es keine Arbeitskämpfe. Ich will lieber eine Regierung, die für eine Entscheidung ein paar Wochen länger braucht, die aber dann überlegt, fundiert und vernünftig ist. Die schnelle Antwort bringt auch nichts, wenn sie falsch ist, wie man am aktuellen Beispiel der vermeintlichen Umzäunungslösung sehen kann. Das ist nur teuer und sinnlos. Das Problem ist nicht die Geschwindigkeit.

f&f: Woran krankt es denn?

Matthias Euler-Rolle: Die Beziehung zwischen Politik und Medien ist etwas verfahren. Dazu haben, wie in einer echten Beziehung, beide etwas beigetragen. Beginnend mit der Frage woher es kommt, dass Politikern immer vorgeworfen wird, sie sagen zu wenig oder zu wenig Konkretes. Du kannst als Politiker einmal einen Auftritt vergeigen, vielleicht zwei Mal. Dann ist es vorbei. Das ist ein großer Unterschied zu früher, denn das Internet vergisst nichts. Der Blogger auch nicht. Es gibt kein Vergessen mehr. Der Fehler wird dir dein ganzes Leben lang vorgehalten, was wieder dazu geführt hat, dass PolitikerInnnen sehr vorsichtig geworden mit dem, was sie sagen und wie sie es sagen. Das wiederum führt zum Ärger der JournalistInnen und wirkt sich auf die Art ihrer Fragestellungen aus und so geht der Kreis weiter.

f&f: Aber Strache z.B. postet völlig falsche Faken und übernimmt Falschmeldungen aus diversen dubiosen Quellen und kann damit großartig punkten. Er pfeift auf Vorsicht.

Matthias Euler-Rolle: Deswegen ist das auch keine seriöse Politik. Das ist PR, die vielleicht mal zu einem Umfragehoch führt, aber da sollte man etwas entspannter werden, es gibt Woche für Woche Umfragen, wo manchmal der, dann der andere vorne liegt. Natürlich hat das Thema Flüchtlinge der FPÖ genützt. Wenn jemand eine Kernkompetenz in einem Gebiet hat – obwohl, die Kompetenz ist ja nicht da, man redet halt immer über dieses Thema – dann kann man damit reüssieren. Dagegen kann man nicht viel tun. Wenn andere denken, sie könnten die FP-Kompetenz Fremdenfeindlichkeit abspenstig machen, wird das ebenso nicht funktionieren. Jetzt geht es einfach jeden Tag um Hunderte und Tausende Menschenleben, da sind Umfragen mit einem Sample von 400 in irgendeiner bunten Zeitung nicht das Wichtigste.

f&f: Also ist das Schneckentempo der Regierung der richtige Weg?

Matthias Euler-Rolle: Ich bin nicht Ihrer Meinung, was das Thema der Geschwindigkeit betrifft. Das Tempo ist nicht das Problem. Reden wir über die Inhalte. Die Regierung hat heuer viel Gutes erreicht. Ich erinnere daran, dass ab dem kommenden Jahr sechs Millionen ÖsterreicherInnen im Schnitt eintausend Euro pro Jahr mehr zur Verfügung haben werden.

f&f: Zurück zur Kommunikation. Ist die Art der Kommunikationsarbeit der SPÖ nicht unzeitgemäß? Zu langsam, zu wenig Schlagzeilenmäßig, als es heute vielleicht angesagt wäre?

Matthias Euler-Rolle: Da gebe ich Ihnen Recht, denn Kommunikation ist schnell und oberflächlich geworden. Die Menschen sind nicht mehr bereit, Dinge zu lesen oder zu konsumieren, die sie nicht zu 100% interessieren. Das ist wie früher beim Radio. Da hast du als Moderator drei Sekunden Zeit etwas zu sagen, was die Menschen interessiert. Sonst sind die Hörer weg.

f&f: Also sollte sich auch die SPÖ diesem Speed anpassen? Möchten die Menschen nicht z.B. einen menschlichen Blog von Faymann lesen, wo er seine Meinung zum ständigen Koalitions-Hick-Hack äußert?

Matthias Euler-Rolle: Konsens heißt Kuscheln. Hick-Hack heißt Streit. Das will niemand. Das bringt nichts. Man muss Zusammenarbeiten, aber man muss sich nicht lieben.

f&f: Wohin geht also Ihre Kommunikationsreise?

Matthias Euler-Rolle: Sie muss persönlicher werden. Heißt das, dass sich ein Bundeskanzler in der Früh beim Zähneputzen fotografieren lassen muss? Nein, das glaube ich nicht, außer er hat ein entsprechendes Selbstdarstellungsgen. Trotzdem ist eine Form der persönlichen Kommunikation nötig. Man muss eine einfache, klare und direkte Sprache finden. Das ist schlichtweg oft nicht einfach, denn die Themen sind wesentlich komplexer. Letztendlich geht es darum für jeden medialen Kanal die richtigen Worte und Bilder zu finden.

f&f: Wäre es nicht einfacher für Sie, Kommunikationschef der FPÖ zu sein?

Matthias Euler-Rolle: Es ist definitiv einfacher, der Kommunikationschef einer Oppositionspartei zu sein! Da spielst du PR-Agentur und haust auf alles hin, was sich bewegt.

f&f: Mit einem Wort – die Koalition gut darzustellen, ist beinahe unmöglich?

Matthias Euler-Rolle: Koalitionen sind nicht sehr Social Media-tauglich. Es ist immer ein Kompromiss, aber dieser wurde von den Menschen so gewählt. Es geht aber in der Politik nicht nur darum Likes für die Social Media zu sammeln.

f&f: Ist die Konsequenz, dass man den Populismus gewinnen lässt und die FPÖ wieder einmal Regierungspartei sein lässt, um danach den Scherbenhaufen aufzukehren?

Matthias Euler-Rolle: Es ist nicht der richtige Weg, dass wir Blau-Schwarz ein, zwei Perioden lang Österreich in den Abgrund reiten lassen, um unser Land nachher wieder aufpäppeln zu müssen.

f&f: Mit der derzeitigen Langsamkeit der Regierung wird das aber kaum zu verhindern sein.

Matthias Euler-Rolle: Ich glaube schon, dass es zu verhindern ist. Man muss sich aber nicht auf dieses Niveau der Kommunikation und Auseinandersetzung begeben. Wenn man einen ganz starken menschlichen Gegenpol zur Negativ- und Shitstorm-PR der FPÖ einnimmt, geht das.

f&f: Wird die Koalition bis 2018 halten? Oder gibt es am 1. März 2016 den Bruch, wenn die Pensionsreform nicht fertig wird? Mitterlehner hat das Koalitionsschicksal ja daran geknüpft.

Matthias Euler-Rolle: Daran glaube ich gar nicht. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt für keine der Regierungsparteien zu empfehlen. Ich glaube: die Koalition hält definitiv bis 2018.

f&f: Immer öfter wird das Zerbrechen der EU angesprochen. Arbeitet man im Hintergrund an einem Plan B, also an einem Plan für ein Österreich „post-EU“?

Matthias Euler-Rolle: Was wäre das denn für ein Plan, wenn er gar nie funktionieren würde? Die EU ist vielleicht zu sehr als Schönwetter-Union ausgerichtet gewesen, und für Krisen, wie derzeit oder auch den Ukraine-Konflikt, nicht gerüstet gewesen. Das muss man ändern. Aber nicht durch eine Rückwärtspolitik. Wir haben gesehen was passiert, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. Es wäre für Europa fatal, wenn wir dorthin zurückkehren.

f&f: Wäre es nicht spannend, wenn Sie regelmäßig bei fisch&fleisch unsere User mit einem eigenen Blog hinter die Kulissen blicken lassen?

Matthias Euler-Rolle: Ja, das mach ich gerne.

Den ersten Blog von Matthias Euler-Rolle gibt’s in ca. zwei Wochen!

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