Ferien-Horror - oder wie die Regierungen alles verschlafen haben

99 Tage schulfrei, Fenster- und schulautonome Tage nicht eingerechnet, obligates Kranksein ebenfalls nicht. Das ist die Realität für alle Eltern. 99 Tage, das sind mehr als drei Monate oder mehr als 14 Wochen, in denen die Kinder betreut werden müssen. Wo in „normalen“ Familien mit zwei Elternteilen, die gemeinsam über etwa zehn Wochen Urlaub verfügen, bereits der Planungswahnsinn ausbricht, stehen AlleinerzieherInnen ohne großes (Familien-) Netzwerk vor unlösbaren Problemen. Und das sind gar nicht so wenige: Im Jahr 2012 gab es in Österreich 108.000 „Ein-Eltern-Familien“ mit Kindern unter 15 Jahren.

Den Umbruch der gesellschaftlichen Strukturen haben die österreichischen Regierungen der vergangenen Jahrzehnte – wie vieles andere – konsequent verschlafen. War vor dreißig, vierzig Jahren eine intakte „zwei Eltern Familie“ die Norm, wächst heute etwa jedes siebente Kind in einer „Ein-Eltern-Familie“ auf. Konnte man früher davon ausgehen, dass sich zwei aktive Großelternpaare – und sogar Urgroßeltern (wie bei mir) – um die Enkel kümmern, so versagt dieses familiäre Netz immer mehr: Menschen werden immer später Eltern, also werden auch die Großeltern immer älter und können sich oft nicht mehr aktiv um Enkelkinder kümmern.

Die Alternative für Familien (wenn beide Elternteile berufstätig sind): Verzichtet man auf gemeinsame Urlaube, dann hat man „nur“ Betreuungsbedarf für ein Monat. Diesen kann man durch diverse „Bespaßungsangebote“ wie Feriencamps oder staatliche Betreuungsangebote – die allerdings nicht kostenlos sind – überbrücken. Das verursacht, vorsichtig geschätzt, etwa 600-1000 Euro an Kosten, die eine „normale“ Familie stemmen muss.

Die Alternative für AlleinerzieherInnen? Es gibt keine, der Betreuungsnotstand für den Nachwuchs dauert mehr als zwei Monate pro Jahr! Bezahlte Ferienbetreuung fällt aus Kostengründen zumeist aus, da sie unleistbar ist.

Ist es verwunderlich, dass gerade AlleinerzieherInnen deshalb kaum reguläre, normal bezahlte Vollzeitjobs bekommen, und Erwachsene wie Kinder „armutsgefährdet“ sind? Wer sich um seinen Nachwuchs selbst kümmern möchte, muss auf die gesellschaftlich eingeforderte Arbeit – und damit auf Einkommen – verzichten. Fakt.

Man hat hier zu Lande also sämtliche gesellschaftliche Umbrüche verschlafen, Eltern werden alleine gelassen. Da helfen weder Kurse beim AMS noch Zuckeln für potentielle Arbeitgeber. Gut zureden (siehe mein Text zur „Red‘ ma mal drüber“-Unkultur) hilft garantiert nichts. Eine realistische Kompensation des nicht vorhandenen zweiten Einkommens oder der finanzielle Ausgleich für die Kinderbetreuungszeit für Teilzeiterwerbstätige wäre die einzig faire Lösung.

Freilich, unsere Polit-Granden kennen diese Probleme nicht und schlafen vielleicht gerade deshalb. Kanzler Faymann hat zwei Töchter, die Familienministerin zwei Söhne. Wie oft könnte Faymann sagen: „Angie, ich kann heute nicht kommen, eines meiner Kinder ist krank.“ Oder hat man von Karmasin schon gehört, dass sie eine Parlamentssitzung sausen ließ, weil die Kinder Ferien hatten? Und: Wie oft könnten es sich denn die beiden leisten, aufgrund von Kinderbereuungsverpflichtungen  ihren Job hinten anzustellen? Nur selten bis kaum, meine ich. Denn käme das öfters vor, wären auch die beiden dort, wo die meisten AlleinerzieherInnen heute sind: Nahe an oder bereits in der Armutsfalle…

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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