Das Landesarbeitsgericht Berlin urteilte, dass das Tragen eines Kopftuchs kein prinzipieller Hinderungsgrund vom Dienst an einer staatlichen Schule ist. Ein gutes, wichtiges und weises Urteil in Richtung Integration.

Es ist diese Pauschalisierung der Populisten, die vielleicht nun endlich aufgebrochen wird: Jede Frau, die ein Kopftuch trägt, wird aus religiösen Gründen unterdrückt. Oder ist eine Anhängerin des so genannten fundamentalen Islams.

Was für ein Blödsinn!

Ich, Ende der 1960er Jahre geboren, hatte das Glück, meine beiden Urgroßmütter noch kennen zu lernen. Bei beiden Damen, geboren um das Jahr 1900, gehörte das Kopftuch zur Alltagskleidung. Und ich meine: täglich, ob im Winter, oder an einem heißen Sommertag. Ähnlich war es bei meinen Großmüttern. Ich kann übrigens beschwören, dass alle vier Frauen weder unterdrückt, noch islamischen Glaubens waren. Im Gegenteil. Eine der Täglichkopftuchträgerinnen unter ihnen war sogar sehr (römisch-katholisch) gläubig.

Ich denke, dass bei mancher islamischer Frau das Kopftuch sehr wohl auch ein äußerliches Zeichen ihrer Religion ist. Das bewegt sich allerdings im Rahmen der Alltagskleidung, wenn ich mir die Mehrheit der Kopfbekleidungsträgerinnen z.B. am Wiener Brunnenmarkt ansehe.

Untauglich für unsere Gesellschaft ist aber jegliche Art der Gesichtsverschleierung. Sie gehört, schon alleine aus Gründen des geltenden Vermummungsverbots, nicht in die Öffentlichkeit.

Klar, man ist versucht, in der generellen Islam-Phobie und -Angst, die von rechten Populisten und einigen Medien geschickt und zum Selbstzweck geschürt werden, unter jedem Kopftuch eine mögliche Terroristin zu vermuten. Oder den Versuch, damit unsere Gesellschaft zu infiltrieren und langsam islamisch zu prägen. Doch so geht man nur den pauschalierend urteilenden Populisten auf den Leim.

Doch bleiben wir beim Urteil aus Berlin. Es ist ein klares Zeichen für jene Toleranz, die Nicht-Katholiken – wie ich – seit jeher aufbringen müssen: Täglich werden wir mit Symbolen konfrontiert, Kreuze hängen in Klassenzimmern, in Ämtern und Gerichten, der „Wachturm“ darf ganz öffentlich verteilt werden (wie es auch bei korrekt übersetzten Koran-Ausgaben sein sollten). Und vor allem römisch-katholischen Geistlichen wird im säkularen Österreich und Deutschland noch immer viel Gewicht beigemessen. Wo bleibt hier die Konsequenz?

Zudem gibt es in österreichischen, öffentlichen Schulen nirgendwo eine Kleidervorschrift. Weder für Schüler, noch für das Lehrpersonal. Wer das Kopftuch verbieten will, muss am Ende eine Schuluniform für alle einführen. Das wäre im Prinzip gar keine so schlechte Idee, vor allem, um soziale Unterschiede bei der Kleidung nicht sichtbar zu machen. (Außerdem würden sich so manche leidgeprüfte Eltern Diskussionen um das Styling des Nachwuchses ersparen. Ich spreche aus Erfahrung.)

There is a fine line between character and shit. Kein Kopftuchverbot zu erlassen, liegt für mich eindeutig auf der Charakter-Seite.

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