Dass Mutti bleiben muss, das hat einen einzigen, unwiderlegbaren Grund: Es gibt zu der Galionsfigur der deutschen Politik der vergangenen Jahrzehnte noch keine Alternative. Das haben die Gesellen Merkels, die so wie Merkel vor allem die Früchte der Schröder-Ära ernteten und sich das dann auf ihre bzw. die Fahnen der CDU hefteten, fest ins kollektive Bewusstsein gehämmert. Frustriert und eingeschüchtert glaubt das auch die SPD bis zum heutigen Tag und hat – abgesehen vom Steinmeier-Coup – den Aufbau eines starken Gegenübers für Merkel gescheut wie der Teufel das Weihwasser.

Man würde über Merkels Zukunft ja nicht einmal diskutieren müssen, hätte sie nicht die Grenzen für Massen an Flüchtlingen geöffnet. Ohne zu fragen, woher die vielen Menschen tatsächlich kommen und wovor sie fliehen. Nicht nur Kriegsflüchtlinge befinden sich unter den vielen Neuankömmlingen, wie man heute weiß, sondern auch Terroristen, Wirtschaftsflüchtlinge, Kriminelle. Das Realexperiment gab den Gegnern Merkels Recht.

Realpolitisch war die Politik der offenen Grenzen Merkels Kardinalsfehler, der ihr andererseits aber auch den Heiligenschein für alle Zeit in den Geschichtsbüchern sichern wird: Sie hat in nur wenigen Monaten die humanistischen Grundfeste Europas zum Einstürzen gebracht und bewiesen, dass eine solidarische Weltordnung nicht funktioniert.

Merkel muss bleiben, sie muss die Fehler, die sie begangen hat, eingestehen und nach ehrlichen Lösungen suchen. Und die Lösung kann nicht Erdogan heißen. Merkel muss bleiben, da sie die letzte, große Überlebende einer aussterbenden Kaste ist, jener der prägenden Politiker der ersten beiden 2000er Jahrzehnte. Nach dem Abgang von Obama scheint sie wie eine letzte Perle im Misthaufen des restlichen Personals in den Parlamenten Europas und in Brüssel. Sie ist der letzte Strohhalm, dem die Intelligenzia und die Medien noch die Rettung des Abendlandes zutrauen. Sie ist der letzte Dinosaurier, dessen Eier aber unbefruchtet auf einer Erde liegen, der demnächst das Armageddon bevorsteht. Doch noch muss Merkel bleiben, denn sie hat ihre Pflicht als Totenglockenläuter erst zu erfüllen. Als letzte muss sie den Leuchtturm der demokratischen und humanistischen Werte des Abendlandes hüten. Bis…

Die Historie wiederholt sich – das wird immer offensichtlicher. Der Wahlgewinn Trumps signalisiert den Aufbruch Amerikas in eine protektionistische Isolationspolitik. Ähnlich jener, die den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg lange verzögerte. Noch bevor Hitler nach der Macht greifen konnte, klammerte man sich – nach dem gefallen Kaiser – gerne an den alten Hindenburg, der wie ein angeschlagenes Schlachtschiff weiterschipperte. Er hielt die Stellung. Bis… ja, bis…

Genauso muss nun Mama Merkel noch einmal ran. Die Stellung halten und alles weiter daran setzen, Kurs zu halten. Dafür sorgen, dass die Werte des alten Europas noch nicht untergegangen sind. Bis sich die Kräfte rechts der Mitte soweit formiert haben, um zum Sturm auf die demokratischen Institutionen anzutreten und diese zu erobern.

Ohne Merkel könnte sich der dramatische Umbau Europas beschleunigen. Und das, ja das ist eine große Gefahr, die wir nicht unterschätzen sollten! Aus Jahren - mit ihr - würden vielleicht nur noch wenigen Chaos-Monate, der halbwegs geordnete Untergang könnte so noch gefährlicher werden...

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