Privat-Bahn: Warum Österreich das schlechtere Deutschland ist

Was in Deutschland längst Realität ist, lässt in Österreich noch auf sich warten, bei der Bahnprivatisierung herrscht Stillstand. Das zuständige Ministerium ortet keinen Handlungsbedarf, obwohl Studien eindeutig ergaben, dass Konkurrenz die Qualität des Angebots – von ÖBB und von privater Seite – deutlich hebt. Das derzeitige System ist längst weidwund.

Millionengrab: Vor einigen Monaten deckte die Puls 4-Sendung „Bist Du deppert!“ am Beispiel der Bahnstrecke zwischen dem steirischen Friedberg und Rechnitz im Burgenland auf, wie das Geschäft mit der Schiene schieflaufen kann. Die Nebenstrecke nach Oberschützen ist seit 1987 stillgelegt, der verbliebene Rest ebenfalls sinnlos: Denn zwischen der Endstation Rechnitz und Oberwart fährt längst kein Zug mehr, obwohl der Bund und das Burgenland seit gut 15 Jahren mehr als 15 Millionen Euro in Sanierung, Instandhaltung (u.a. des Geisterbahnhofs Oberwart, wo längst kein Zug mehr hält) und Gutachten gesteckt haben. Letztstand, so die TV-Aufdecker von Puls 4: Das Burgenland hat die Strecke um viel Geld gekauft, damit auf einem kleinen Teilstück pro Tag zwei Güterzüge verkehren können… Die Zeche berappt der Steuerzahler.

Die ewig alte Frage drängt sich auf: Wie steht es mit der Privatisierung und der Liberalisierung im Bahngeschäft, das, bis auf die Verbindung Wien-Salzburg – die äußerst erfolgreich von der privaten WESTbahn genutzt wird –, in fester Hand des Staates ist? Sowohl für die Instandhaltung des Schienennetzes und der Infrastruktur, als auch für den Zugbetrieb zeichnen hauptsächlich die ÖBB verantwortlich.

Der Erfolg des bisher einzigen privaten Bahn-Betreibers sollte aber eigentlich Grund genug sein, bei der Liberalisierung der Schiene aufs Gas zu steigen: Heute steht die WESTbahn, wie eine Studie des Instituts für Strategieanalysen ISA im Frühsommer bestätigte, ganz oben in der Gunst der Fahrgäste. Die Kundenzufriedenheit übersprang 95% - und man hat damit die Nase knapp vor den ÖBB. Der Nebeneffekt: Die Zufriedenheitswerte der staatlichen Bahn haben im Windschatten der privaten Konkurrenz ebenfalls angezogen, die ÖBB musste sich eben mehr anstrengen als im alten Monopol.

Dennoch ist die Position der Politik einzementiert: „Das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Anm.) schreibt keine Bahnstrecken zur Privatisierung aus. "Die Eisenbahninfrastruktur wird im Auftrag des BMVIT durch die ÖBB erhalten und betrieben." Das ist der Ist-Stand in österreichischem Amtsdeutsch.

Immer wieder wird ein Argument gegen die Liberalisierung von Bahnstrecken ins Treffen geführt: Viele Verbindungen seien wirtschaftlich nicht rentabel zu betreiben, also wären sie für private Unternehmer uninteressant. Das stimmt so nicht, ergaben unsere Recherchen. Vielmehr sind derzeit "unrentable Strecken" durch Bestellungen von Bund und Ländern – und das sind alle, ausgenommen die Verbindung Wien-Salzburg – voll subventioniert und ausschließlich an die ÖBB vergeben. Und bis Ende 2019 wird das noch so bleiben und danach hoffentlich aus der Sicht des Steuerzahlers anders werden. Das BMVIT könnte sehr einfach testen, ob die Vermutung stimmt, dass niemand ausser den ÖBB an Bestellung und Subvention bei unrentablen Strecken interessiert ist - einfach ausschreiben. Aber vielleicht kennt man die Antwort im BMVIT aufgrund zahlloser Ausschreibungsteilnahmen im Ausland ohnedies und will sie nur nicht hören. Schade für den Steuerzahler.

Zu wünschen wäre, dass interessierte Unternehmen – nicht nur die ÖBB – bei einer wettbewerblichen öffentlichen Ausschreibung darlegen können, zu welchem Preis pro Kilometer sie eine bestimmte Strecke betreiben könnten. So würde der Bestanbieter in punkto Preis, Leistung und Qualität zum Zug kommen – ein eigentlich übliches Verfahren in der freien Marktwirtschaft.

Derzeit will das bmvit will davon nichts hören, und so herrscht mit Ausnahme der Westbahnstrecke Schweigen auf dem heimischen Bahn-Markt. Bis auf wenige Beispiele wie jenes aus dem Burgenland. Doch dort wechselte der Eigentümer von Geleisen & Co. bloß von einer Hosentasche, vom Bund, in die des Landes. Privatisierung oder Wettbewerb ist das freilich nicht.

„Es wurden in den vergangenen Jahren lediglich einzelne Infrastrukturbereiche, in denen regionale Interessen in den Vordergrund gerückt werden sollten, auch in regionale Verantwortung übergeben“, führt Minister-Sprecher Andreas Strobl aus, „Beispielsweise 2010 einzelne Bahninfrastruktur-Abschnitte an das Land Niederösterreich."

„Never change a winning team“ – auf diesen Punkt könnte man also den Standpunkt des Ministeriums bringen. Dort ortet man keinen Handlungsbedarf. Man verweist auf die flächendeckende, qualitativ gute Versorgung durch die ÖBB – vor allem auf nicht Top-Strecken. „Privatisierungen im Eisenbahnbereich sind nicht Ziel des bmvit“, umreißt man den Standpunkt des Verkehrsministeriums, „Die Beauftragung der ÖBB mit dem Bau, der Erhaltung und dem Betrieb der heimischen Eisenbahninfrastruktur hat sich bewährt. So kann die notwendige Qualität und Sicherheit der Eisenbahninfrastruktur sichergestellt werden.“

Ob ein ehemaliger ÖBB-Boss, im Neo-Job als Kanzler, großes Interesse an einer Privatisierung der Eisenbahnwirtschaft Österreichs hat? Tatsächlich hat Kern gleich zum Start massiv die Notwendigkeit von Startups in den Raum gestellt. Doch was passiert im Verkehrsbereich? Wenig bis gar nichts. Auf Anfrage heißt es freilich, das bmvit sei aktiv dabei. Man verweist auf ein Maßnahmenpaket zur Stärkung von Startups, doch das Paket betrifft bei weitem mehr andere Sektoren als den Verkehrsbereich: "Grundsätzlich richtet sich das Start-Up-Paket der Regierung an alle Branchen...." Und: Das bmvit beteilige sich daran mit rund 60 Millionen. Schade nur, dass das Interesse innovative Firmen im Verkehrsbereich zu fördern gegen Null geht. Klar: Warum gegen die eigenen Interessen arbeiten?

Dabei wäre es längst an der Zeit zu prüfen, ob nicht ein seriöser, privater Anbieter eine bessere Performance hinlegen könnte als das versteinerte, staatliche ÖBB-Modell. Könnte nicht „ein Privater“ genauso gut – oder noch besser – die Infrastruktur (wie Geleise oder Bahnhöfe) erhalten und auch den Personen- und Gütertransport übernehmen? Wäre das nicht vielleicht eine „bessere Bahn“?

In vielen Fällen hat sich eine – davor ebenfalls lange und hart umkämpfte – Privatisierung ausgezahlt: Für Staat, Unternehmen und den Kunden. Das unterstreichen Erfolge von Ex-Staatsbetrieben wie Telekom (A1), VOEST oder OMV…

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