Eine Woche ist seit den Anschlägen von Paris vergangen und internationale Medien und Politiker treiben die Hysterie über mögliche, weitere Terror-Attacken in Europa und den USA in erschreckende Höhen. Freilich, was passiert ist – und was vermutlich noch passieren wird – ist schrecklich, das damit verbundene Leid unerträglich, die Trauer der betroffenen Familien himmelschreiend. Doch dass nun allerorts an den Grundfesten unserer Demokratie und Freiheit gezweifelt und gesägt wird, ist ebenso unerträglich! Genauso unerträglich wie die Panikmache der Medien, egal, ob die unreflektierte Hetzerei und die üblichen Falschmeldungen der Marke „Kronenzeitung“ als auch die ermüdenden, mit Explosionen und Blutbildern sensationsheischenden 24-Stunden-Berichte von CNN.
Es ist an der Zeit, sich zurückzulehnen und ein Bisschen nachzudenken.
Im Jahr 2014 sind auf Österreichs Straßen 430 Menschen gestorben. 1972, im schwärzesten Jahr der Verkehrsstatistik, beinahe 3.000. Haben wir je daran gedacht, den Individualverkehr abzuschaffen? Was wäre denn, würde die EU-Kommission nun alle Autos abschaffen?
Noch drastischer sind die Folgen des Rauchens. Etwa 14.000 Menschen sterben hier zu Lande an den Folgen von Tabakkonsum, direkt und indirekt. Wo ist denn hier der Aufschrei der Medien? Wieso hat man sich nicht längst daran gemacht, alle Trafikanten ein- und die Zigarettenfabriken per Notstandsverordnung zuzusperren? Wo ist die gesetzliche Zwangsmaßnahme, Raucher in Anstalten zu stecken, bis sie clean sind?
Es geht einfach um die Verhältnismäßigkeit. Ist es denn angesichts der Terroranschläge in Paris gerechtfertigt, einen ganzen Kontinent bzw. die ganze Welt in Panik zu versetzen und mit überzogenen Einschränkungen im täglichen Leben zu belegen? Ich denke, nein.
Vielmehr wäre es sinnvoll, ruhig und rational an die Sache heranzugehen. Deshalb muss ich einem Gedankengang des, von mir nicht besonders geschätzten, HC Strache recht geben: Schon längst hätte man all jene festsetzen müssen, die entweder ihr Glück im Dschihad im Nahen Osten suchen – das sind angeblich etwa 250 Menschen – oder von dort zurückkehren (geschätzte 70 Personen in Österreich). Natürlich gilt das für alle Staaten. Sie alle erfüllen immerhin die Tatbestände des beabsichtigten Mordes oder der Beihilfe zum Mord. Egal, ob sie wirklich aktiv zu Tätern werden oder bereits geworden sind. Freilich, HCs Idee einer Gefängnisinsel entspringt wieder einmal der lächerlichen rechten Fantasiewelt. Obwohl sie aufgrund der von Politik und Medien perfekt geschürten Panik nicht unwahrscheinlich scheint.
Verhältnismäßigkeit ist das Gebot der Stunde. Auch ein Dutzend Anschläge wie in Paris können weder unser Wertesystem, unseren Humanismus noch unsere Demokratie gefährden. Außer, wir lassen das zu – mit Einschränkungen, Ausgehsperren, Absagen von Veranstaltungen und ähnlichem. Eine Herde Schafe wird nur vor dem Wolf sicher sein, wenn man sie auf Lebenszeit in ein Gatter, umzäunt von Elektrostacheldraht, sperrt. Und auch dann könnte ja ein Meteorit daher kommen…
Menschlich ist die Angst allemal. Es kann schließlich jeden treffen, der sich im öffentlichen Raum aufhält. Die Ungewissheit, dass das eigene Leben und das der Lieben in der U-Bahn, bei einem Rock-Konzert, in einem Straßencafé – einfach überall – in der nächsten Sekunde von gewissenlosen, verbrecherischen Fanatikern beendet werden kann, ist unerträglich. Dazu braucht es im Übrigen keine Terroristen: Es sind bereits Dutzende Menschen bei tragischen Unfällen gestorben, in Stadien, in U-Bahn-Zügen, bei Unfällen mit außer Kontrolle geratenen Autos in Straßencafés…
Auch wenn es abgedroschen klingt: Das Leben ist eben lebensgefährlich. Seit vergangener Woche ist es um ein klein Wenig gefährlicher und die Gefahr unkalkulierbarer geworden…