Die Gleichgültigkeit potenziert sich mit der Distanz. Das ist eine Erklärung für die erschreckend minimalistischen Reaktionen auf das Attentat in Lahore, Pakistan. Beinahe eine Woche lang sind die Anschläge von Brüssel den Medien bereits Schlagzeilen wert, man berichtet live & vor Ort, man informiert stündlich über neue Entwicklungen, Verhaftungen, Opferzahlen. Andererseits ist der feige Anschlag auf ein Fußballspiel im Irak vier Tage später schon wieder in Vergessenheit geraten. Und auch zwei Tage nachdem dutzende Frauen und Kinder auf einem Spielplatz im Irak ermordet wurden, weil sie als Christen das Osterfest feierten, sucht man die große Empörung in westlichen Medien und den Social Media vergeblich.

Ist es wirklich nur die Distanz, die uns angesichts mehr als einhundert Toter im Irak und Pakistan bloß ein Schulterzucken entlockt? Beim Schulmassaker in den USA brodelt doch auch auf unserer Seite des Atlantiks die Wut, die Trauer und das Mitgefühl hoch und über. Geschieht Ähnliches in Afrika, in Asien oder dem Nahen Osten, bleiben westliche Emotionen in der Schublade.

Auch anderorts wird mit zweierlei Maß gemessen, wie ich in der Vorwoche bei einer Recherche vor Ort in Ägypten erfahren konnte. Ich fühlte mich angesichts der zahlreichen Maßnahmen in keinster Weise unsicher, wohl wissend, dass kein Platz der Welt vor Sprengstoffwesten mehr sicher scheint. Doch während das österreichische Außenministerium für das Land am Nil die Reisewarnstufe 5 (von 6, der höchsten) ausgerufen hat, gilt für Belgien Warnstufe 3, für Frankreich gar nur 2. Und das, obwohl von Seiten der Behörden in Belgien von weiteren Anschlägen gewarnt wird. Ist Ägypten nur deshalb gefährlicher, weil dort die bösen, bösen Muselmanen wohnen, und uns die Belgier ethnologisch näher stehen?

Ich denke nicht, dass die Distanz an der schaumgebremsten Empathie gegenüber den Opfern im Irak und Pakistan schuld ist, sondern das tief eingebrannte Selbstverständnis der weißen Herrenrasse, die plündernd und mordend seit bald einem Jahrtausend den Rest der Welt heimsucht. Die Selbstüberschätzung ist seit den Kreuzzügen grenzenlos, der missionarische Drang pathologisch. Das gilt nicht nur in Sachen Religion. Diese Haltung spiegeln viele Kommentare in den sozialen Netzwerken wieder: "Um die (Menschen) ist's ja eh net schad!" - ist noch der harmloseste gemeinsame Nenner, unter dem man vieles zusammenfassen kann.

Humanismus einzufordern ist nicht genug, in Kleinigkeiten beweist sich die Gesinnung. Dem "Je suis Paris" und "Je suis Bruxelles" müsste nun eigentlich "I am Pakistan" oder "I am Iraq" auf Facebook & Co. folgen - gesehen habe ich noch kein einziges, geändertes Profil- oder Titelbild. Auch nicht bei jenen, die sonst dabei die schnellsten sind..

shutterstock/Andrei Mayatnik

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