Die Neue Rechte – Eine Einführung.

Wir befinden uns in Paris, der Hauptstadt Frankreichs, 23 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die politische Rechte Frankreichs leckt die Wunden, welche ihr vor ein paar Jahren im verlorenen Krieg um Algerien zugefügt worden sind. Unterstützt von der radikalen Rechten versuchen französische Militärs, die Regierung de Gaulle aufgrund der Aufgabe Algeriens zu stürzen und den Präsidenten zu ermorden. Sie scheitern bei dem Versuch kläglich. Die Angehörigen der „OAS“, der geheimen Armeeorganisation, werden als Reaktion darauf inhaftiert. In weiterer Folge scheitert auch die alte Rechte Frankreichs – die Vertreter von Thron und Altar, Armee und Kolonialreich, aber auch die letzten Unterstützer Vichy-Frankreichs werden bei den Präsidentschaftswahlen 1969 vollkommen marginalisiert.

Trentes Glorieuses und die Verwandlung der französischen Gesellschaft

Doch erlebt Frankreich nach dem Krieg nicht nur den Verlust seines Kolonialreiches: Gleichzeitig kommt es in dem Land, welches bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nur geringfügig industrialisiert gewesen ist, zu einem verstärkten Ausbau der Industrie. Frankreichs Städte wachsen durch den Zuzug vom Lande, aber auch der ehemaligen Kolonie Algerien, massiv an. Eine bis dahin nicht gekannte Konsum- und Freizeitkultur entsteht, welche die Menschen im Wohlstand geradezu ertränkt. Die „Trentes Glorieuses“, die 30 glorreichen Jahre Frankreichs, welche bis zur Ölkrise 1973 andauern, verändern die französische Gesellschaft von Grund auf.

Und tatsächlich: Aus dem Wohlstand der Nachkriegsjahrzehnte wird die Revolte geboren. Was sich 1968 unter Schlachtrufen, wie „Unter dem Pflasterstein der Strand!“ und „Keine Macht für niemand!“ artikuliert hat, ist das Produkt einer Entwicklung der radikalen Linken, die so wohl keiner vorausgesehen hat. Als der im Weltkrieg siegreiche Sozialismus in den Ländern des Warschauer Paktes sein wahres Gesicht gezeigt hat und seine Macht nur noch mit sowjetischen Panzern hat aufrechterhalten können, wenden sich viele junge Kommunisten im Westen desillusioniert vom Kommunismus ab.

Doch auch auf der Rechten setzte sich ein Umdenkprozess in Gang: Sowohl der am OAS-Putsch beteiligte Dominique Venner, als auch der junge monarchistische Student Alain de Benoist erkennen, dass die alte Rechte gescheitert ist. Dies ist keine Reaktion auf die „Neue Linke“, welche sich rasant in ganz Europa ausbreitete, sondern auf das vollkommene Scheitern der Alten Rechten. Gemeinsam gründen die beiden jetzt 1968 die Denkfabrik GRECE, welche zum zukünftigen Kristallisationspunkt der Neuen Rechten werden soll. Gedanklich knüpfen sie etwa nicht am Faschismus oder am Nationalsozialismus an, sondern an die Denkströmung der Konservativen Revolution. Denker wie Othmar Spann, Friedrich Nietzsche, Carl Schmitt, aber auch Julius Evola, Martin Heidegger und Georges Sorel werden von den Angehörigen der neuen Strömung als geistige Ahnherren in Anspruch genommen.

Die Alte Rechte ist gescheitert – und sie hat es verdient

Dementsprechend grenzt sich die Neue Rechte auch von Anfang an stark von ihren Vorgängern ab:

Vom Rassismus und vom Kolonialismus, weil sie von der Falschheit des westlichen Überlegenheitsdenkens überzeugt ist. Die Bewegung der Blockfreien nimmt sie zum Vorbild, um aus der Logik zwischen West und Ost ausbrechen zu können. Geopolitisch strebt die Neue Rechte von Anfang an einen unabhängigen Großraum Europa an, der sich nicht nur vom Kommunismus befreien soll, sondern auch vom „Weißen Bolschewismus“ nach Charles de Gaulle, dem Liberalismus, welchen man als den gefährlicheren Gegner und Hauptfeind (Carl Schmitt) begreift.

Den Antisemitismus lässt sie, wie alle anderen Verschwörungstheorien, links liegen, da sie gewusst hat, dass die falsche Vorstellung von einem übermächtigen Gegner den Handelnden zur Untätigkeit verdammt. Stattdessen fokussiert sie sich nach dem Vorbild Antonio Gramscis auf die Metapolitik und versucht nicht nur, die liberale Hegemonie zu erkennen, sondern sie auch zu bekämpfen. Analog zur unter den Neuen Linken populären Kulturrevolution in China fordert sie eine „Kulturrevolution von rechts“, in deren Rahmen das liberale Denken, welches sich durch alle Lebensbereiche zieht, dekonstruiert und durch ein neurechtes Leitbild ersetzt werden soll.

Ebenso wie die gesellschaftspolitische Seite des Liberalismus abgelehnt wird, unterzieht die Neue Rechte auch dessen wirtschaftspolitische Seite, den Kapitalismus, einer scharfen Kritik. In Übereinstimmung mit der Neuen Linken fordert man ein Ende des amerikanischen Empire auch in ökonomischer Sicht: Auf die Konsumgesellschaft soll eine Wachstumsrücknahme folgen und damit eine Politik des Maßhaltens.

Überzeugt von der Notwendigkeit, für die Zukunft Europas zu kämpfen, lässt sie die Fixierung der Alten Rechten auf den sogenannten Europäischen Bürgerkrieg von 1917 bis 1945 (Dieser Begriff wurde vom deutschen Historiker Ernst Nolte geprägt. Er bezeichnet den militärisch ausgetragenen Kampf zwischen den drei modernen Ideologien Liberalismus, Kommunismus und Faschismus/Nationalsozialismus und erstreckt sich von der Oktoberrevolution 1917 in Russland bis zur Kapitulation des Deutschen Reiches 1945) hinter sich. Anstatt über eine weitere Revanche im Sinne dieser oder jener europäischen Nation nachzudenken und Grenzfragen zu debattieren, verschreiben sie sich der Aussöhnung der europäischen Völker und der Verteidigung der gemeinsamen Zivilisation gegen Liberalismus und Kommunismus.

Gleichwohl setzt man sich mit den Ideologien der Moderne auseinander, um zu erkennen, dass nicht nur der Faschismus und der Kommunismus, sondern auch der Liberalismus in den Totalitarismus und damit in die Vernichtung jeglicher Identität führt.

Auch der Begriff der Demokratie wird von der Neuen Rechten einer Neubetrachtung unterzogen und nicht nur bis zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, sondern bis zu seinen eigentlichen Wurzeln in der Antike zurückverfolgt. Aus ihrer Sicht soll dem Volk wieder die Möglichkeit zur direkten Mitbestimmung gegeben werden. Der Missstand, dass in der westlichen Demokratie eine Minderheit über die Mehrheit regiert, soll aufgehoben werden.

Doch obwohl die Neue Rechte in Frankreich Anfang der 80er Jahre sogar in der auflagenstärksten Tageszeitung Le Figaro vertreten war, ist sie heute den wenigsten Europäern in ihrer inhaltlichen Dimension bekannt. Vielmehr mutiert sie immer mehr zu einem Totschlagbegriff, der auf alle oppositionellen Parteien und Bewegungen übertragen wird, welche nicht in die Schablonen der herrschenden liberalen Ideologie passen.

Die Neue Rechte als missverstandener Begriff

Auch in linken und rechten Kreisen herrschen viele Mythen über die Neue Rechte, die einer Klarstellung bedürfen:

Ist die Neue Rechte antidemokratisch?

Ist die Neue Rechte gegen den Erhalt der europäischen Völker und für den Multikulturalismus?

Kann man die Alt-Right als Teil von ihr bezeichnen?

Stimmt die Propaganda linker und liberaler Kreise, dass es sich hierbei nur um Nationalsozialismus in neuem Gewande handle?

Ist der Begriff „Neue Rechte“ überhaupt zulässig oder handelt es sich nur um einen Sammelbegriff, der Leute vereint, die nichts miteinander zu tun haben?

Wer zählt überhaupt zur Neuen Rechten?

Die in den kommenden Tagen und Wochen folgenden Texte soll eine Einführung in die Denkströmung der Neuen Rechten darstellen und einige ihrer zentralen Denker und Konzepte vorstellen. Gleichzeitig will er mit einigen der populärsten Mythen um diese Denkrichtung aufräumen, um sie quasi nach Jahrzehnten der Gräuelpropaganda wieder ins rechte Licht zu rücken und ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, denn ohne eine neue Idee werden wir Europa nicht retten können!

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