Marx von rechts – ein Skandalbuch
Immer noch tobt ein Richtungsstreit zwischen jenen, die sich in Europa als „rechts“ und jenen die sich als „links“ betrachten. Dass dieser Streit einerseits vor allem die Herrschaft der neoliberalen Ideologie aufrechterhält und eine gegenseitige geistige Befruchtung zum Wohle der Völker Europas unmöglich macht, wird dabei gerne übersehen. Bezieht man sich als „Rechter“ auf linke oder marxistische Denker und verwendet kapitalismuskritische oder antiimperialistische Konzepte, wird man von Libertären sofort als Sozialist beschimpft.
Hin zu neuen Anfängen – alte Zöpfe abschneiden
Umso wichtiger ist es, dass im Jungeuropa Verlag vor kurzem das Buch „Marx von rechts“ erschienen ist. Der Band, der schon jetzt als „Skandalbuch“ gehandelt wird, bringt mich zur Auseinandersetzung mit der Frage, wie man Karl Marx (1818 – 1883) 200 Jahre nach seinem Tod gewinnbringend für die Neue Rechte rezipieren kann. Verlagschef Philip Stein äußert sich im Vorwort dazu:
„Der schwelende Konflikt innerhalb der Neuen Rechten steht stellvertretend für eine grundsätzliche Frage, die weit über das Politische und Ökonomische hinausgeht. Es geht in letzter Konsequenz darum, zu klären, ob wir für einen tiefgreifenden Neubeginn – das heißt auch die zunächst geistige Überwindung von Kapitalismus und Liberalismus als Ideologien der Vereinzelung – oder lediglich für eine Reform des Bestehenden streiten.“ (S.9)
Ein antikapitalistischer und antiliberaler Denker im Kampf gegen den Individualismus
Das Buch selbst gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Abschnitt schreibt der Propagandist einer geistigen Querfront, Benedikt Kaiser (*1987), unter „Marx von rechts? Ausgangspunkte für einen Neubeginn.“. Auf mehr als fünfzig Seiten widmet sich Kaiser vielen Mythen um Marx, die Rechte und das Thema Antikapitalismus. Im Rahmen seiner Einführung weißt Kaiser nach, dass der Antikapitalismus sich bis in die frühesten Tage rechten Denkens, sogar noch vor die Konservative Revolution zurückverfolgen lässt, wenngleich er auch im Vergleich zu seinem linken Pendant immer sehr vage geblieben ist. Er stellt klar, dass Marx und der Marxismus zwei verschiedene Dinge sind. Während sich Marx schon zu Lebzeiten dagegen wehrte, als Marxist bezeichnet zu werden („Alles, was ich weiß, ist, daß ich kein Marxist bin.“), schufen seine Freunde Friedrich Engels, sowie die späteren Schüler Kautzky, Plechanow, Lenin und Stalin erst die Weltanschauung des Marxismus-Leninismus.
Die zwei Gesichter des Karl Marx
Das Denken des Mannes aus Trier teilt die Forschung in zwei Marxe. Erstens den exoterischen Marx, den Verfasser des Kommunistischen Manifestes und der Ökonomisch-philosophischen Manuskripte und Theoretiker des Klassenkampfes, der wohl der bekanntere Marx ist. Zweitens den esoterischen Karl Marx, den Verfasser des Kapitals und der Grundrisse, der sich weniger der Frage nach der Revolution, sondern danach, „was den Kapitalismus im Innersten zusammenhält“ (Philip Stein), stellt. In den drei anderen Kapiteln von Alain de Benoist („Karl Marx und der Warenfetischismus“, „Wertkritik“) und Diego Fusaro („Geschichte, Ideologie, Warheit. Marx und die Deduktion der Kategorien“) gehen die Autoren schließlich im Detail auf den esoterischen Karl Marx ein. Benoist weist darauf hin, dass sich die marxsche Kritik eben nicht im Aufzeigen von Klassengegensetzen oder dem Konzept des Klassenkampfes erschöpft, welches schon vor ihm entdeckt wurde.
Ein Denker wider den Kapitalismus und das materialistische Menschenbild
Sein revolutionäres Potenzial besteht in der Kritik des Warenfetischismus. Dieser besteht darin, dass im kapitalistischen System die sozialen Beziehungen nur noch durch die vermittelnde Rolle der Ware stattfinden. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden dabei immer mehr nach dem Modell ihrer Relation zu den Dingen gesehen, sie verdinglichen also und werden immer oberflächlicher. Während die Ware zum Fetisch wird, funktioniert der Mensch nur noch nach dem Schema „Ich bin, was ich habe.“. Marx hebt dabei die revolutionäre Rolle der Bourgeoisie (des Bürgertums) hervor, welches die Bauern und Handwerker dazu zwang, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Von der Logik des Kapitals quasi dazu genötigt, ertränkte sie die alte traditionsreiche feudale Welt in dem „eiskalten Wasser egoistischer Berechnung“ (S.73). Gezwungen zur Anhäufung von immer mehr Geld, muss das Kapital den ganzen Planeten seiner Logik unterwerfen. Dadurch wird alles zerstört, was keinen verwertbaren Wert hat – egal ob Völker, Kulturen, Traditionen. Folglich ist der Kapitalismus die revolutionärste Bewegung, die es überhaupt gibt. Neben solchen „rechten“ Ansichten Marx weisen die Autoren auch auf seine Liberalismuskritik hin: So lehnte Karl Marx die Menschenrechte ab, weil sie den Menschen als von allen kollektiven Bindungen losgelösten, individualistischen homo oeconomicus definieren. Für den, wie Marx in Gemeinschaften denkenden Mensch (daher auch die Herkunft des Wortes Kommunismus!) gibt es im Konzept der Menschenrechte keinen Platz.
Ein intellektueller Neuanfang für jeden, der wirkliche Veränderung will
„Marx von rechts“ ist ein wichtiger Neuanfang im Denken der Neuen Rechten. Dieses Buch stellt einen wichtigen Baustein im Aufbau eines rechten Antikapitalismus dar. Wer wirklich etwas verändern will, liest es und beteiligt sich am Aufbau eines neurechten Antikapitalismus. Bevorzugt man hingegen den Untergang Europas, muss man nur die undifferenzierte Ablehnung des Denkers aus Trier fortführen.