#Persoenlichkeit #Konsumverhalten #Kaufverhalten

Persönlichkeitsfindung ist eine komplexe Sache – vor allem dann, wann es um die eigene geht. In einem spannenden Buch hat Richard David Precht einmal Erklärungsansätze gesucht („Wer bin ich, wenn ja wie viele“) und blieb dabei naturgemäß viele Antworten schuldig. Aber hier war vermutlich auch der Weg das Ziel, also die Auseinandersetzung mit diversen Erklärungsansätzen aus der Psychologie.

Der mäßig-selbstreflexive Durchschnittsbürger da draußen hingegen kann in puncto Persönlichkeitswahrnehmung – Precht-Lektüre hin oder her – eigentlich nur den steinigen „Trial and Error“-Weg einschlagen, an sich selbst herumdoktern und dann hoffen, dass ihm eines Morgens jemand im Spiegel entgegenblickt, den er irgendwie mag. Der Weg dahin ist vielerorts aber mit zahlreichen Kompensations-Angeboten gespickt, die im Rahmen des kapitalistischen Verwertungszusammenhangs wirklich gefinkelt und gut getarnt daherkommen. Vielen wird das unter dem Thema „Lifestyle“ bekannt sein. Also etwas, das jeder mittlerweile besitzen muss, um im eigenen Mikrokosmos, Umfeld und unter Freunden thematisch wahrgenommen zu werden.

Reduziert bedeutet Lifestyle eigentlich nur die banale Demonstration von Konsum- und Kaufkraft. Beliebte Themen: Kulinarik, Reisen oder das einfache Familienglück – und das dann via Facebook, Instagram & Co breitgetreten, aber nicht nur. Ein versierter Familienglück-Show-off kann natürlich auch im freundschaftlichen Ambiente stattfinden – ein bisserl „Systemkritik“ inklusive: Erst kürzlich diskutierten Bekannte bei uns am Mittagstisch intensiv über die kinderfeindliche Speisekarte und den mangelhaften Service ihres Fünf-Sterne-Domizils im Skiurlaubs vergangene Woche in Lech. Danach standen Klamottentrends für die Kleinen auf der Agenda oder warum es irgendwie zu wenig stylische Outfits für ihre Kids in Biobaumwolle gibt. It´s a hard knock bobo life out there, indeed!

Aber was hat das jetzt eigentlich mit Persönlichkeit zu tun oder wie wir uns selbst wahrnehmen? Leider viel zu viel. Weil wir von früh bis spät mit dem immerwährenden Kreislauf an Kaufentscheidungen und Selbstpositionierung konfrontiert werden und wir dann die Qual der Wahl haben, in welche Kategorie wir uns selbst hineinstecken. Robinson Club in Ampflwang oder Ski-Ressort in Lech? Quinoa-Salat oder Avocado-Wrap? Wo wir bei der Kulinarik angelangt wären und den Auswüchsen westlicher Industrienationen sowie der ganz persönlichen Sinnstiftung via eigener Ernährungsgewohnheiten (siehe dazu den Blog-Post https://alphaaffairs.at/plaedoyer-fuer-mehr-toleranz/ meiner geschätzten Kollegin).

Wer hier jetzt Konsumkritik oder gar einen Aufruf zur Konsumverweigerung sieht – mitnichten! Unser System basierend auf Angebot und Nachfrage sollte tunlichst noch ein wenig am Laufen gehalten werden, damit wir Wohlstand und einigermaßen einen sozialen Frieden sicherstellen können. Ach ja, es gibt ja noch die Verlierer, die das System nicht so gesegnet hat wie unsereins. Also all jene, die am gesellschaftlichen Rand leben, als sozial schwach eingestuft werden und bei denen Konsum eher als ein überlebensnotwendiges Faktum auf der Tagesordnung steht und weniger als Frage, ob eben Quinoa oder Avocado. Aber bekanntermaßen sind sie meist selbst an ihrer Misere schuld und dafür, dass sie ein finanzielles Schattendasein führen (Obacht Sarkasmus!).

Aber vielleicht gibt es gerade hier die Möglichkeit, aus dem eigenen Persönlichkeits-Hamsterrad auszubrechen. Wenn wir uns mit Menschen und Situationen konfrontieren, die so gar nicht unserem gewohnten Umfeld entsprechen, wir uns dann im morgendlichen Spiegel in die Augen schauen und plötzlich feststellen: Ich habe etwas für andere getan, das irgendwie größer und wichtiger ist als die eigene Mikrokosmos-Bedürfnisblase. Und es beschleicht einen ein leises aber irgendwie gutes Gefühl: „Ich gestalte, also bin ich“ – und nicht nur mehr „Ich kaufe, also bin ich“ so wie bisher. Dann ist vermutlich der erste Schritt schon getan. Mein Tipp: hinausgehen und einfach ausprobieren – es lohnt sich!

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