Ein uns überfliegendes Raumschiff suchte niemals um Landerlaubnis an. Erstens sind da wir, wir Menschen. Und dann die Viecher. Mutter Natur ist eine Verfechterin der brutalen Harmonie. Im Meer z.B. herrscht ein Gesetz vor, das nicht nur einschüchtert, sondern auch jedes Opfer paralysiert.Ich glaube, dass deshalb ein sanfter Schwindler irgendwann das Weihnachtsfest erfand. Wir wären sonst längst verblödet.
Viele Jahre meiner Kindheit verbrachte ich in einem Gründerzeithaus auf der Wieden, im vierten Bezirk. Kein schönes Haus, kein stattliches Haus, schwer beschädigt im Krieg, anschließend ganz anständig wieder hergestellt. Die Treppe gespindelt, Granit, umsäumt von schmiedeeisernen Geländern. Links und rechts. An der Wand nur Handlauf, zum Abgrund hin hübsch ziseliert und das gelbe Holz von zigtausend haltsuchenden Händen spiegelblank poliert. Noch heute träume ich zuweilen von diesem Treppenaufgang, dann ist er viel breiter, viel unverbindlicher und führt stets über den Dachboden in ein anderes Haus, dessen Treppenabgang ich dann laufend absolviere. Dürfte vermutlich tiefenpsychologisch irgendeine Bewandtnis haben. Oder auch nicht.
Dort wohnten meine Pflegegroßeltern. Rosi-Oma und Gusti-Oma. Mutter und Tochter. Dass ich mit ihnen nicht verwandt war, war vermutlich nicht nur mir egal. Rosa C. verkroch sich am Tag ihrer Hochzeit unterm Bett. Sie erzählte mir später, dass ihr der von anderen ausgesuchte Mann so gar nicht gefiel. 1916 und 1917 gebar sie Mädchen. Der von anderen ausgesuchte Mann blieb dort im Feld. Das 1916 geborene Mädchen war Gusti-Oma, meine abgöttisch geliebte Großmutter, mit dem Bourbonen-Gesicht und dieser Engelsgeduld. Die, diese Geduld, nichts wert war, wie mir Jahre später meine Mutter erklärte, die das eigentliche Findelkind war.
Gusti-Oma kaufte mit mir Karpfen. Beim Fischhändler. Eine weißbeschürzte Dame klopfte dem Fisch dermaßen heftig aufs Haupt, dass er schleunigst aufgab. Sie schuppte ihn, wickelte all das in Zeitungspapier. Ich mochte ihn lieber paniert.
Ich baute aus den Rosshaarmatratzen des Bettes eine Burg. Dann klingelt es. Ich laufe in Unterhosen zur Tür. Ich mache die Tür auf. Das Christkind ist längst weg. Klar. Das Fenster ist sperrangelweitoffen. Daraus konnte es leicht flüchten. Der Baum ist wunderbar! Eine Ritterburg!
Als Rosi-Omi starb, weinte ich. Als Gusti-Omi starb, weinte ich. Es dürfte sich um Weihnachtswunder gehandelt haben!