Arbeiterkammer verspricht: „Kriegen wir noch eine Pension? – Sicher!“

So lautet die Überschrift eines Artikels in der Oktober-Ausgabe der Mitgliederzeitschrift der Arbeiterkammer (AK) Wien. Grundsätzlich hat die AK Wien mit ihrer Aussage Recht. Sicher bekommen wir alle eine staatliche Pension. Das bestreitet niemand. Gänzlich außer Acht lässt die Arbeiterkammer allerdings die Frage, ob die staatliche Pension zukünftig auch zum (Über-)Leben reichen wird. Nicht einen Satz spendiert die AK in ihrem Artikel diesem entscheidenden Aspekt. Aber genau da gehen die Meinungen weit auseinander.

Bei Diskussionen rund um unser staatliches Pensionssystem ist es – überspitzt formuliert – wie beim Fußball. Alle fühlen sich berufen Nationaltrainer zu sein, alle wissen es besser, jeder hat (s)eine Meinung, jeder hat den Durchblick. Je nach Standpunkt variieren die Argumente. Bewahrer – beispielsweise die sozialdemokratische Politik und der deren Vorfeldorganisationen á la Arbeiterkammer – besänftigen und färben schön, Ökonomen und Pensionsexperten warnen und fordern Reformen ein, Profiteure wie zum Beispiel Versicherungen dramatisieren und verdienen an der geschürten Angst.

Jeder bastelt sich seine Argumente zurecht

Gemeinsam mit der Wiener Stadtzeitung FALTER hat die Arbeiterkammer ein Spezialheft mit dem Titel „Pensionen. Die Welt der Altersvorsorge.“ produziert. Dass keine wirklich objektive Analyse des staatlichen Pensionssystems herauskommt, wenn die rote Arbeitnehmervertretung mit einem links gesinnten Medium kooperiert, liegt auf der Hand.

Zentrales Thema der 64 Seiten, die laut Titel „Gut gegen Angst vor dem Alter“ sein sollen, ist das österreichische Pensionssystem. Ein von der Arbeiterkammer entwickeltes Rechenmodell zeigt ab Seite 36, „dass es nicht auf die demografische Situation allein ankommt.“ Untermauert werden soll dieser Aspekt mit Alterspyramiden der EU-27 aus dem Jahr 2010. Was genau, bitteschön, sagen Alterspyramiden der Europäischen Union – die Daten von Griechenland bis Finnland und von Portugal bis Rumänien enthalten – über unser heimisches Pensionssystem aus? Oder eignen sich diese gesamteuropäischen Grafiken einfach nur besser zum Unterstreichen der AK-Meinung?

AK und Gewerkschaft philosophieren über den Kapitalmarkt

Gänzlich an Glaubwürdigkeit verliert das Spezialheft bei mir auf Seite 47. Die Frage „Welche Renditen bringt der Kapitalmarkt?“ ist im Zusammenhang mit privater Pensionsvorsorge berechtigt und unverzichtbar. Und darf auch kritisch beantwortet werden, denn es sind schon zu viele – auch staatlich geförderte – Modelle kläglich gescheitert. Diese Frage aber von einem Referenten der AK Wien und einem Ökonomen der GPA (Gewerkschaft der Privatangestellten) beantworten zu lassen, ist in etwa so sinnvoll wie mich Kulturbanause eine Kritik über die letzte Burgtheater-Premiere verfassen zu lassen (was eine lächerliche Themenverfehlung ergeben würde).

Glaube nur jener Statistik, die du selbst gefälscht hast

Argumentiert wird auch, dass die Ausgaben des Staates für die Pensionen seit dem Jahr 1985 näherungsweise konstant sind. Seit 1985 steigen diese Ausgaben zwar nominell (von 10,8 auf 38,5 Milliarden Euro), aber bezogen auf das BIP (Bruttoinlandsprodukt) bleiben sie konstant bei etwa 11%. An anderer Stelle wird kritisiert, dass schon die Pensionsreform des Jahres 2003 Neupensionen um 13,5% gekürzt hat, für Jüngere durch die Ausweitung des Bemessungszeitraumes sogar um durchschnittlich 25%. Der FALTER spricht also gleichzeitig von konstant bleibenden Zuschüssen des Staates und sinkender Pensionshöhe. Finde ich hier gut versteckt die Bestätigung, dass die immer zahlreicher werdenden Beitragsempfänger (Pensionisten) nur finanziert werden können, wenn jeder Einzelne weniger Pension bekommt?

Ungeschönte Wahrheit kommt nicht vor

Weder im Artikel in der Mitgliederzeitschrift noch im FALTER-Spezialheft kommt auch nur ein einziger Betroffener – ein durchschnittlicher Pensionsbeitragszahler – zu Wort. Zwar äußern in der Mitgliedszeitschrift drei Arbeitnehmer ihre Hoffnung, dass sie „in der Pension gut leben werden können“ oder „wiederbekommen, was ich einbezahlt habe“. Aber die traurige Wahrheit scheuen die AK und der FALTER augenscheinlich wie der Teufel das Weihwasser. Warum werden keine Beitragszahler gefragt, was sie beim Blick auf ihren Pensionskontoauszug und der darauf in Aussicht gestellten, oft überraschend geringen Pension tatsächlich denken?

In den allermeisten Fällen, in denen ich mit Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern auf das Thema Pensionskontoauszug zu sprechen gekommen bin, zeigten sich meine Gegenüber angesichts der dort genannten Zahlen eher schockiert. Warum bleiben solche Beispiele aus der realen Welt der Beitragszahler unerwähnt?

Glauben wir den Ausführungen und Versprechungen der Arbeiterkammer, dann ist alles in Ordnung und die Zukunft unserer Pensionen rosarot. Glauben wir den Anbietern privater Vorsorgeprodukte, dann gehen die staatlichen Pensionen den Bach hinunter. Glauben wir den Pensionsexperten, ist es fünf nach zwölf für Reformen.

Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Es wird auch in Zukunft eine staatliche Pension geben, von der wir aber ohne Reformen nicht leben werden können. Und wer im Ruhestand seinen erarbeiteten Lebensstandard halten will, tut gut daran privat vorzusorgen.

Download Spezialheft „Pensionen. Die Welt der Altersvorsorge.“:

http://wien.arbeiterkammer.at/pensionssicherheit

Bildnachweis: fotolia.de

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