Es gibt Trendforscher, die sagen das Ende der Finanzberater voraus. Denn Konsumenten werden Finanzprodukte nur mehr online – ohne persönliche Beratung – kaufen. Sogar der Abschluss von Versicherungen per Smartphone am Schilift (!) oder an der Supermarktkasse wird allen Ernstes prophezeit. Zeichnen solche Thesen ein realistisches Bild der Zukunft? Oder offenbaren sie eine dramatische Fehleinschätzung?
Das Internet ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Wir informieren uns online, tauschen Meinungen über Social Media aus, Online-Händler liefern uns rund um die Uhr alles was das Herz begehrt. Waren, die uns nicht gefallen oder die uns nicht passen, schicken wir postwendend retour und bekommen unser Geld zurück. Das Risiko eines Fehlkaufs im Online-Shop ist faktisch gleich Null. Der schnelle Kauf des falschen Finanzproduktes ist hingegen nicht so einfach rückgängig zu machen. Er kann sogar die persönliche Existenz bedrohen.
Online finden wir eh alles
Ebenso wie Studien behaupten, dass sich das Finanzgeschäft komplett in die virtuelle Welt verschieben wird, könnten Prognosen auch vorhersagen, dass zukünftig wegen einem gebrochenen Bein niemand mehr ins Krankenhaus fahren wird. Wozu auch? Google liefert unter dem Suchbegriff „Gebrochenes Bein Behandlung“ in weniger als einer Sekunde tausende Ergebnisse. Therapieanleitung herunterladen, den Ehepartner ins Bauhaus um eine Packung Gips schicken, und schon ist der kaputte Knochen auf dem Weg der Genesung. Im Ernst, würden Sie das tun?
Selbstverständlich gehen Sie nicht gleich zum Arzt, wenn Sie sich in den Finger geschnitten haben. Genauso wenig brauchen Sie für ein simples Online-Sparkonto eine intensive, persönliche Beratung. Für solche trivialen Probleme liefert das Internet gute Lösungsvorschläge.
Und wenn es komplizierter wird?
Informationen und Antworten zu Geldanlage und Versicherung finden Sie im Internet zuhauf. Für den Suchbegriff „Kauf Investmentfonds“ liefert Google 380.000 Suchergebnisse, für „Vergleich KFZ Versicherung Österreich“ stolze 261.000 Treffer. Und falls da nicht die richtige Antwort dabei ist, dann gibt es ja auch noch Online-Foren, in denen jeder (Ahnungslose) dem anderen (Ahnungslosen) Ratschläge erteilen kann. „Jeder wird sein eigener Finanzberater.“, meint der Trendforscher Peter Wippermann in einem Artikel in DIE WELT. Anleger werden sich seiner Ansicht nach die Schwarmintelligenz zunutze machen. Wir wissen aber aus Studien wie dünn das Finanzwissen bei Konsumenten gesät is - woher soll also die Intelligenz kommen?
Ihr „Arzt“ in Finanzfragen
Eine gute Finanzplanung, die zum Beispiel Sie und Ihre Familie gegen Risiken wie Unfall, Krankheit und Berufsunfähigkeit absichert oder sinnvoll für Ihre Pension vorsorgt, ist genauso komplex ist wie die Diagnose eines Arztes und dessen Therapievorschlag.
Wenn Sie stechende Schmerzen in der linken Brust spüren, googeln sie dann „Verdacht auf Herzinfarkt“ und therapieren sich auf Basis der ungefähr 295.000 Suchergebnisse selbst? Wohl kaum. In diesem Fall brauchen Sie so rasch als möglich professionelle Hilfe. Ähnlich gefährlich – um nicht zu sagen lebensbedrohlich – ist die Selbstdiagnose und -therapie bei finanziellen Herausforderungen.
Versicherungen sind an der Supermarktkasse fehl am Platz. Können Sie sich vorstellen, der netten Dame hinter dem Barcode-Scanner eine Liste von Gesundheitsfragen zu beantworten? Oder ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen, während hinter Ihnen die Warteschlage immer länger wird? Nein, der Beruf des guten Finanzberaters wird nicht aussterben. Ganz im Gegenteil, er sorgt dafür, dass Sie und Ihre Familie finanziell gesund bleiben. „Dr. Google“ kann das nicht.
(Anmerkung: Dieser Beitrag wurde erstmals in der Printausgabe 01/2015 des Magazins FONDS exklusiv veröffentlicht.)