In den letzten Monaten und Jahren ist viel schief gelaufen, Subprime, Immo-Aktien, Beratungsgespräche, ... Beispiele gibt es rund um den Globus. Teuer genug ist die Rechnung, die wir jetzt bezahlen mussen. Wer ist dafür verantwortlich? Sicherlich manche mehr, manche weniger - aber ganz aus der Verantwortung kann ich niemanden entlassen, auch nicht den Endanleger.

Wie ich zu dieser Meinung komme, die mir vielleicht auch ein paar kritische Kommentare einbringen wird? In meinem privaten Umfeld ist bekannt, dass ich beruflich mit der Banken- und Finanzbranche zu tun habe. Daher kommen gerade jetzt Freunde und Bekannte mit den verschiedensten Fragen auf mich zu. Und dabei zeigen sich immer wieder unfassbare Details aus dem Leben eine Kleinanlegers.

Beispiel 1: Ein langjähriger Freund von mir ist seit Jahren in leitender Position im technischen Vertrieb tätig. In einem Telefonat mit mir beschließt er alle Wertpapiere zu verkaufen und das Geld vorerst auf einem Sparbuch zu sichern. Im selben Telefonat fragt er auch: "Soll ich meinen Kredit für´s Haus vom CHF in den JPY wechseln?" Einerseits also "die Hosen voll" und Sparbuch, andererseits am JPY nur die niedrigen Zinsen sehen. Was ist das für ein schizophrenes "Risikobewusstsein"?

Beispiel 2: Auch an einem Herrenabend war die Finanzkrise ein Tema. Ein Neuer in unserer Gruppe erzählte, dass er jeden Monat 50,- Euro spart, aber wofür konnte er nicht sagen. Irgendwas mit Namen Raiffeisen, vermutete er. Seit ein paar Jahren mache er das schon, keine Ahnung, was das aktuell Wert ist und wer ihn das verkauft hat, wird schon das Richtige sein, kommt ja von einer Bank.

Wie sich im Laufe des Abend herausstellte, konnte er sich aber an jedes Detail seines alten 92er VW Golf erinnern, den er seit fünf Jahren gar nicht mehr hat. Das kann doch nicht sein, dachte ich mir. Wer seine Prioritäten so setzt darf sich nicht wundern, wenn er damit provisionsgeilen Beratern, unzureichender Aufklärung über Anlagerisiken und fragwürdigen Anlageinstrumenten Tür und Tor öffnet!

Beispiel 3: Ein Bekannter hat noch in Schilling-Zeiten sein gesamtes Vermögen - damals immerhin 5 Millionen Schilling - in eine Immobilien-Aktie investiert. Irgendwann war es mehr als das Doppelte wert, Anfang 2008 wieder den investierten Betrag, am bitteren Ende waren es nur mehr 48.000 Euro.

Ja, in diesem Fall spielt auch noch ein Berater eine tragende Rolle. Aber unabhängig von möglichen Beratungsfehlern stelle ich mir die Frage, wieso alles auf eine Karte gesetzt wurde (selbst im dümmsten Anlage-Ratgeber kann ich nachlesen, was Streuung bedeutet)? Wieso wurde bei Verdopplung nicht zumindest ein Teil des Gewinns realisiert? Warum wurde nach dem ganzen "Up & Down" nicht beim Ausgangsbetrag die Notbremse gezogen?

Wenn ich mein komplettes Vermögen veranlage, kann ich mich einfach nicht vollkommen blind auf Andere verlassen. Egal, ob ein guter oder schlechter Berater mit von der Partie ist, es geht dabei um mein Vermögen, um meine Existenz, da bleibt ein Teil der Verantwortung jedenfalls an mir selbst hängen.

Liebe Privatanlegerinnen und Privatanleger: SO GEHT´S NICHT!

Im Supermarkt kontrollieren wir das Ablaufdatum ganz genau, die Rechnung des Handwerkers kontrollieren wir auf Punkt und Komma, vor dem Autokauf ackern wir zentimeterdicke Broschüren durch, bevor wir auf Urlaub fliegen durchforsten wir das Internet stundenlang nach Hotelbewertungen, ...

Aber wenn wir unser Geld veranlagen, dann vertrauen wir blind dem netten Beamten hinter dem Bankschalter oder dem adretten Herren von der Vermögensberatung, der so freundlich war abends bei uns zu Hause vorbeizukommen. Diese Leichtfertigkeit und Gutgläubigkeit öffnet doch jeder Art von schlechter oder unzureichender Beratung ganz automatisch Tür und Tor.

Auch ein bekannter Branchen-Rechtsanwalt hat dazu schon angemerkt: "Man kann nicht immer dem Finanzdienstleister das eigene Unglück umhängen."

Als Privatanleger sollten wir uns sehr schnell angewöhnen, dass jenes Verantwortungsbewusstsein und Engagement, das man bei der Wahl seines Urlaubsortes an den Tag legt, auch bei der Geldanlage anwenden muss. Das wäre nämlich ein ausgezeichneter Weg um provisionsgeile Berater und dubiose Anlageinstrumente sehr schnell vom Markt verschwinden zu lassen!

(Anmerkung: Diesen Beitrag habe ich erstmals am 9. Dezember 2008 als Weblog veröffentlicht. Aber er ist im Originalwortlaut heute - nach sechseinhalb Jahren - immer noch top-aktuell!)