Alles ist heutzutage 4.0. Ohne den Zusatz 4.0 gilt offensichtlich alles als veraltet und von gestern. Wirtschaft 4.0, Industrie 4.0, Schule 4.0 und Arbeitswelt 4.0. Auch Staatsoper 4.0 und Staatspräsident 4.0 habe ich schon gelesen. Will man zeigen, dass man fit für die Zukunft ist, muss es 4.0 sein. Weil zeitgemäß und modern ist nur, was 4.0 ist.
Selbstverständlich will auch unsere Politik zeigen, dass sie fit für die Zukunft ist. Daher verwendet unsere Regierung den Zusatz 4.0 in inflationärem Ausmaß. Demokratie 4.0, Finanzen 4.0, Regierung 4.0. Nur ja nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass lähmende Parteipolitik von gestern ist. Wir Bürgerinnen und Bürger sollen das Gefühl haben, dass wir erfolgreich in die Zukunft regiert werden.
Dabei beschleicht mich ein Gedanke. Seit Jahrzehnten präsentieren sich unsere gewählten Volksvertreter eher als Macht besessene und bewahrende Blockierer denn als Visionäre. Ihre Innovationskraft, ihr Reformwillen und ihre Handlungsfähigkeit sind überschaubar ausgeprägt. Angesichts dieser Tatsache erscheint mir der Sprung von 1.0 zu 4.0 enorm groß.
Wo sind oder wo waren die Zwischenschritte 2.0 und 3.0? Wann und warum wurden die ausgelassen?
Ich möchte unserer Regierung keineswegs die Gabe zur positiven Entwicklung absprechen. Es geht ja tatsächlich manchmal etwas weiter im positiven Sinn. Von Kanzler Faymann (0.7 würde ich sagen) zu Kanzler Kern (1.0, wenn nicht sogar 1.5), von Vizekanzler Spindelegger (0.5, moderner war er wahrlich nicht) zu Vizekanzler Mitterlehner (1.0, optimistisch betrachtet) und vielleicht bald zu Sebastian Kurz (2.0).
Kanzler Kerns Plan A enthält sicher ein paar Ansätze, die den Zusatz 2.0 verdienen. Aber 4.0er Ideen suche ich vergebens. Einen derart großen Sprung wird es auch mit dem nächsten Paket an Versprechungen, den „100 Initiativen für Österreich“, nicht geben. Dafür sorgt mit Sicherheit die österreichische Schattenregierung aus Arbeiterkammer 0.3, Gewerkschaft 0.5 und Wirtschaftskammer 0.7. Denn Vertreter dieser Institutionen sitzen im Parlament, daher muss jede neuere Version auch abwärtskompatibel sein.
Ein deutlich erkennbares Update können die Abgänge von Erwin Pröll (0.8 bezüglich fit für die Zukunft, 8.0 bezüglich Machterhalt und Starallüren) und Josef Pühringer (1.0 meiner Einschätzung nach, aber ich kann mich täuschen) bringen. Nieder- und Oberösterreich schaffen mit neuen Landesfürsten vielleicht das Update von 1.0 auf 2.0, während das mächtige Wien noch eine Weile 1.0 bleibt. Vielleicht entwickelt sich die Bundespolitik 1.0 – ohne den beiden Alt-Landeshauptmännern – jetzt sogar zur Bundespolitik 1.5. Der Sprung auf 4.0 wird sich aber nicht ausgehen.
Warum nicht ein Schritt nach dem anderen?
Zu befürchten ist, dass aus dem angekündigten großen Wurf einmal mehr nichts wird. Parteipolitiker, hauptberufliche Parteifunktionäre, Kämmerer, Bauernbündler, Gewerkschafter, Landespolitiker & Co. mögen nun mal keine großen Veränderungen. Und schnelle schon gar nicht.
Wir Wählerinnen und Wähler wären schon glücklich und zufrieden, wenn es langsam voran geht, statt wie bisher gar nicht. Ich zumindest brauche keine versprochene Politik 4.0, ich wäre schon über eine echte Politik 2.0 hocherfreut!