Sind Sie ein Smombie? Oder: Was haben wir nur ohne Handy gemacht?

Sie wissen nicht wer oder was ein Smombie ist? Smombie wurde gerade zum Jugendwort des Jahres 2015 gewählt und setzt sich zusammen aus „Smartphone“ & „Zombie“. Ein Smombie ist ein Mensch, der von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, weil er unentwegt auf sein Smartphone starrt. Sind Sie ein Smombie?

„Alle 18 Minuten entsperren wir unser Handy“, las ich vor ein paar Wochen in DIE PRESSE. Ein Juniorprofessor der Universität Bonn fand im Rahmen einer Studie heraus, dass wir durchschnittlich 88 Mal am Tag unser Mobiltelefon aktivieren. „Manchmal schauen wir nur auf die Uhr oder überprüfen, ob eine neue Nachricht angekommen ist. In 53 Fällen entsperren wir den Bildschirm aber. Damit gibt es – wenn wir von 16 wachen Stunden ausgehen – alle 18 Minuten eine Unterbrechung.“, schreibt DIE PRESSE.

Smombies everywhere!

Ich fahre regelmäßig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien. Bus, U-Bahn, Straßenbahn, überall starren zahlreiche Menschen mit gesenktem Blick auf ihr Smartphone. Manche spielen – manche Gamer erschaffen im morgendlichen U-Bahn-Gedränge mit ihren flinken Fingern ganze Welten – manche chatten (SMS schreibt ja kaum mehr einer), manche bearbeiten Mails oder lesen Nachrichten (so wie ich).

Wieder andere hören mit Stöpseln in den Ohren laute Musik – für mich sind das die „modernen Taubstummen“. Ach ja, und es gibt auch welche, die mit ihrem Mobiltelefon telefonieren. Aber diese Gruppe mutiert zur Minderheit. Es scheint nicht mehr in Mode zu sein mit dem Mobiltelefon zu telefonieren. Zu Old School augenscheinlich. Komisch, retro liegt doch im Trend …

Gab es eine Zeit vor dem Smartphone?

Wenn ich in den Öffis wieder einmal von lauter Smombies umgeben bin, frage ich mich manchmal, wie wir ohne Mobiltelefon überleben konnten. Wie haben wir uns ohne Smartphone die Zeit vertrieben? Wie haben wir uns ohne Smartphone bloß in der Welt zurechtgefunden?

Falls jüngere Leser gerade irritiert die Augenbrauen hochziehen: Ja, es gab mal eine Zeit ohne Smartphones! Unvorstellbar, oder? Keine Smartphones, das heißt auch kein mobiles Internet, keine Online-Spiele überall, keine Mails auf der Rolltreppe, kein Chatten mit der oder dem Liebsten in der Bim, keine Emojis, kein unlimitierter Download von einfach eh allem.

Erinnert sich noch jemand (von den älteren LeserInnen!) an diese Zeit?

Ich zum Beispiel habe mir mein allererstes Mobiltelefon im Jahr 1997 gekauft. Da war ich schon 27 Jahre alt. Dafür habe gleich zum Top-Modell der damaligen Business-Elite gegriffen, dem Ericsson GH 337. Wow, damit konnte man Eindruck schinden! Aber dieses Flaggschiff von Ericsson kostet auch wahnwitzige 6.000 Schilling (plus Kebelvertrag der Telekom, ja, diese Verträge gab es damals auch schon).

Dafür hatte ich dann ... keinen farbigen HD-Monitor, kein Internet, keine Mails, keine Online-Spiele, kein Chatten, keine Glasscheibe mit Wischiwischi-Funktion, keine Apps, sondern nur einige wenige Tasten (die waren dafür doppelt und dreifach mit Funktionen belegt) und ein winziges, monochromes LCD-Display. Ich konnte telefonieren und SMS tippen. Punkt.

Und ich zahlte nicht nur für das aktive Telefonieren horrende Summen, sondern auch für das passive (ja, man blechte Länge mal Breite, auch wenn man angerufen wurde)! Nix Flat Rate, nix Freiminuten, nix 3.000 SMS gratis, nix unlimitierter Download. Jede Minute sprechen war sündhaft teuer. Dauertelefonierer waren entweder stinkreich – oder sehr bald bettelarm.

(Falls ein junger Leser neben Ihnen jetzt gerade schockiert umgekippt ist, fächeln Sie ihm bitte frische Luft zu!)

Und das alles ist noch gar nicht so lange her. Knapp 20 Jahre. Eigentlich ein Wahnsinn, diese Entwicklung der mobilen Kommunikation. Dafür verkümmert die zwischenmenschliche Kommunikation. Aber das ist ein anderes Thema.

Womit haben wir uns damals – ohne Mobiltelefon und ohne Smartphone – in Bus, U-Bahn und Straßenbahn die Zeit vertrieben? Was haben jene, die heute Smombies sind, damals gemacht?

Ich muss jetzt Schluss machen. Mein Smartphone rebelliert schon unaufhörlich neben mir, weil ich es seit 30 Minuten ignoriere …

Bildnachweis: Internet, unbekannte Quelle

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

2 Kommentare

Mehr von Andreas Dolezal