Und noch ein Achterl auf das Unternehmertum!

„Hast du schon einmal beobachtet, dass der Wirt fast nie Trinkgeld kriegt, die Andrea aber schon?", fragt mich mein kaufmännischer Leiter beim traditionellen After-Work-Achterl. „Vielleicht weil sie hübscher ist?", frage ich zurück. „Nein!" sagt er, „Weil er der Chef ist und sie Mitarbeiterin. Der Chef kriegt bei uns fast nie was zum Transcheln, egal ob Wirt, Tischler, Installateur oder Maler."

Aber warum eigentlich? Er arbeitet wie ein Pferd, schlägt sich die Nächte um die Ohren, trägt das Risiko, kämpft sich mit allerlei neuen Segnungen von Gesetzgeber und Finanzamt herum, verdient oft weniger als seine Mitarbeiter und – kriegt nicht einmal Trinkgeld. „Weil er eben Chef ist!", stellt er fest während wir wieder mal auf das Unternehmertum trinken, diesmal auswärts – zur Freude der lokalen Gastronomie.

Der Chef ist ein besonderer Mitmensch. Jemand, den man bemitleidet und beneidet gleichzeitig, Vorbild und Feindobjekt, beliebter Sponsor bei Maturabällen, Kultur und Fußballvereinen und gleichzeitig Reibebaum am Stammtisch. Manchmal zu hart, manchmal zu arrogant, manchmal gern gesehener Steuerzahler. Und jedenfalls einer, dem man kein Trinkgeld gibt.

Allein, der Entrepreneur ist ein Dinosaurier, längst vom Aussterben bedroht. Eine Spezies, die von vielen Seiten gejagt wird und doch so wichtig für unser soziales und wirtschaftliches Ökosystem ist. Hand aufs Herz: Wo sind sie, die alten, großen Unternehmerpersönlichkeiten? Von Null auf beginnen, eine soziale Ader, ein bisschen Mäzenatentum. Essl, Leiner, Assmann, Niedermayer, Rohrmoser, Eybl, Maculan. Entweder bankrott, aufgekauft oder entmachtet. Und genauso wie die ganz Großen, die wir aus den Medien kennen, gibt es viele, viele kleine und mittlere, von denen wir aber nicht oder nur wenig lesen. Bis hin zum Wirt ums Eck. Aufgerieben zwischen Basel 3, Online, Behörden und Politik. Oder aber, wie angeblich in 80 % der Fälle, aus eigener Schuld.

„Stimmt", sagt mein COO, „der große Reifenhändler ist auch in Konkurs, ein echtes Traditionsunternehmen, 17 Millionen Passiva". „Kein Wunder" lautet meine Diagnose, „auch Reifen bestellt man heute online“. Genauso wie alles andere, da ist für die alten Handelsunternehmer kein Platz mehr. „Für Fabrikanten auch nicht. Dem Borckenstein geht‘s auch schlecht", mischt sich der Wirt ein. „Aber wenigstens der Schirnhofer ist gerettet."

„Der Wandel vergisst keinen“, sage ich und ziehe skeptische Blicke auf mich. Natürlich weht gerade bei uns in Österreich den Unternehmern ein rauer Wind entgegen. Natürlich kommt TTIP, wenn schon nicht gleich dann bald. Natürlich geben die Banken kein Geld und die Risikokapitalkultur ist – gelinde gesagt – nicht sehr ausgeprägt. Natürlich steht die Industrie 4.0 vor der Tür. Natürlich hinterlassen die neuen Arbeitswelten mit ihrer Automatisierung ein Vakuum, das nur durch Selbständigkeit und Unternehmertum gefüllt werden kann – auch, wenn die Arbeiterkammer das nicht gerne hört. Traditionsberufe verschwinden, McJobs entstehen. Wir sind Weltmeister in Anamnese und Diagnose, aber nur Landesliga in Umsetzung, Kreativität und Vision.

Echtes Umdenken – eine neue Form des Unternehmertums ist gefragt. Eine Form, in der wirtschaftlicher Erfolg, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sich nicht länger ausschließen, sondern zu einem tragfähigen Modell verschmolzen werden und so die Grundlage des Unternehmenskonzepts darstellen. Ich bin überzeugt davon, dass gerade dieses Geschäftsmodell des – neudeutsch – Social Entrepreneurships eine große Zukunft vor sich hat. Denn nur Unternehmen, deren Geschäftserfolg nicht auf kurzfristiger Gewinnmaximierung, sondern auf langfristigem Erfolg und Wachstum beruht, haben meiner Meinung nach eine Zukunft. Kein Greenwashing, sondern echte, gelebte Nachhaltigkeit. Und Österreich hat hier die Chance, eine echte Vorreiterfunktion einzunehmen.

Und Beispiele gibt es bereits: Es sind nicht nur die Zotters, Sonnentors und (Achtung Werbung!) RINGANAs, es ist die Malerei im Nachbarort, der nicht nur Qualität und Zuverlässigkeit, sondern CSR und Nachhaltigkeit bis ins kleinste Detail lebt und dafür schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Oder die Studenten, die sich mit Fahrradpaketzustellung und angeschlossener nachhaltiger Logistik selbständig machten und mangels Gewerbeschein drangsaliert wurden.

Klar ist, dass diese neue Spezies natürlich auch neue, flexible und intelligentere Rahmenbedingungen vorfinden muss, um sich zu entfalten. Wie passend, dass die politischen Dinos in Form der ehemaligen Großparteien ja bereits kurz vor dem Aussterben stehen. Damit steigt die Chance, dass das Verhindern und Blockieren ein Ende hat und wir uns wirklich bald in einem neuen Zeitalter der unternehmerischen Evolution wiederfinden.

Mein kaufmännischer Leiter pflichtet mir bei: „Und das Beste ist: Nachhaltigkeit und CSR rechnen sich. Nicht sofort, aber langfristig". Das musste er sagen, ist doch schließlich seine Aufgabe. „Noch eine Runde?", frage ich. „Ich wäre grad in Fahrt.“

„Nein, gehen wir besser heim und lassen dem Wirt was liegen. Für die neue Registrierkassa.“

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