Wie unsere Kinder die Zeche für unseren Egoismus zahlen werden!

"Think of the children!" Eine rhetorische Taktik, von US-Kongress bis Larry King schamlos missbraucht, von den Simpsons parodiert. Hunderte Medientrainer können nicht irren. Ob Ansprache, Diskussion, Sonntagsrede oder Keynote: Schmeiß‘ ihnen ein lockeres "für unsere Kinder" hin und sie sind auf deiner Seite, sie nicken zustimmend, machen das Kreuzerl an der richtigen Stelle und wenn du richtig gut drauf bist, gibt’s zum Dank sogar eine Träne. Funktioniert wahlweise auch mit "kommende Generationen" und "unsere Zukunft".

Man möchte schon fast meinen, so manchem Redner geht es nur mehr um das Wohl unserer Kleinen. Was sind im Vergleich dazu schon Macht und Geld? So geschehen bei der Verleihung des aktuellen Klimaschutzpreises. Nach den Worten des Lebensministers hatte man blühende Wiesen mit umhertollendem Nachwuchs vor dem geistigen Auge, im Hintergrund AMA-gestärkte, glückliche Rindviecher (schließlich ist er ja auch Landwirtschaftsminister). Sogar unser Überflieger und Jungpapa Thomas Morgenstern schwor das zustimmende Publikum ein: "Es soll unseren Kindern einmal so gut gehen wie uns". Einigermaßen bescheiden, dachte ich mir, "besser" wäre doch viel besser. Natürlich wollen wir alle das Beste für unseren Nachwuchs – auch von mir zustimmendes Nicken. Aber nach und nach, nachdem die heile, grüne Welt vor dem inneren Auge verblasst, der Applaus verklingt, die Elektroautos vom Parkplatz der Siemenscity entschwinden und man im Bett einen ereignisreichen Tag Revue passieren lässt, trifft es einen ungeschminkt und hart – das, was computerspielende Kids das Real Life nennen.

Plötzlich schwirren die Gedanken umher und man findet keinen Schlaf. Statt an die Kinder denkt man an all die Steine, die wir ihnen in den Weg legen. Statt den Schäfchen zählt man die Zäune. Eine Bildungsreform für Landespolitik und Lehrergewerkschaft, nicht für die kleinen stimmlosen Betroffenen. Wie es ginge, weiß man seit Jahren: Schulversuche, Studien, Initiativen (Bildungsvolksbegehren) und Best-Practice-Beispiele finden sich zuhauf in den Schubladen. Klientelpolitik und Ideologie verhindern zukunftstaugliche Bildung. Und ein gewisser Fritz Neugebauer bekam kürzlich das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Staatsschulden, die unserem Nachwuchs jeden Gestaltungsspielraum nehmen werden. Das wahre Ausmaß dieses Zukunftsraubes wird spätestens dann ersichtlich, wenn die Zinsen wieder steigen. Pensionen, die weltmeisterlich früh angetreten und dabei ungerecht hoch sind – und vor allem unleistbar, was wir alle wissen und trotzdem nicht ändern. Naja, zahlen werden‘s eh unsere Kinder. Sollen sie nur einen Beitrag leisten, dafür, dass sie so behütet aufwachsen.

Die Bildungsministerin [sic!] hat erst kürzlich wieder betont, dass das Pensionsantrittsalter für Frauen von rekordverdächtigen 60 Jahren (real natürlich früher) unangetastet bleiben muss, alles andere sei "verantwortungslos". Armer Nachwuchs. Ein verkrusteter Kammerstaat vulgo Sozialpartnerschaft. Überverwaltung und Gesetzesmonster. Unmoralisch hohe Steuern, die jeden Vermögensaufbau unmöglich machen. Föderalismus zum Wohle von Landeskaisern und zu Lasten von – erraten – der nächsten Generationen. Vieles davon fein säuberlich in Verfassungsrang, sodass unsere Kinder es selbst dann nicht ändern können, wenn die von uns verbaute Zukunft für sie längst zur Gegenwart geworden ist. Bleibt ja fast zu hoffen, dass uns einmal eine Troika dabei hilft. Der Österreichkonvent? Die berühmten 599 Einsparungstipps des Rechnungshofes? Da könnte ja jeder kommen. Wir suchen und wählen den Stillstand, weil wir ihn in Wahrheit wollen. Reformer werden abgestraft, siehe Landtagswahlen in der Steiermark. Wir demonstrieren und protestieren bei vielen Gelegenheiten, ein Shitstorm hier, eine Betriebsversammlung oder Streik da. Für unsere Kinder war noch nie eine Demo am Heldenplatz. Viel zu selten denken wir daran, dass die Zeche für unseren Egoismus die Kinder zahlen werden.

Think of the children!

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julbing

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