Ewiges Leben: Wie sinnvoll wäre Unsterblichkeit?

Dein Leben ist wie ein Theater: Allerdings ist das hier nicht die Probe, sondern bereits die Vorstellung.

Prolog:

Kennt irgendjemand von euch zufällig den Film Der Tod steht ihr gut (Jahrgang 1992; mit Meryl Streep, Bruce Willis, Goldie Hawn und Isabella Rossellini in den Hauptrollen) von Regisseur Robert Zemeckis? Eine origineller Mix aus Fantasy und Screwball-Comedy, quasi ein Zombiefilm der ganz anderen Art. Obgleich der Streifen bei seiner Erstveröffentlichung richtig floppte, also ein Misserfolg war und sowohl bei Kritikern als auch beim Kinopublikum komplett durchfiel, gilt diese rabenschwarze Komödie inzwischen als Kult-Klassiker - natürlich ist das immer sehr subjektiv und totale, reine Geschmackssache - aber auch ich zähle mich (trotz starker dramaturgischer Schwächen im Drehbuch usw.) zu einem Fan, hab' ich mich doch selbst halb tot gelacht beim Ansehen. ;)

Die Prämisse des Gruselspaßs ist schnell erklärt: Ewige Jugend und Schönheit, davon träumt doch fast jeder? Ein magischer Zaubertrank soll es möglich machen, er verhindert das Altern - und Sterben. Dass das nicht nur Vorteile mit sich bringt, wird den Protagonisten Madeline Ashton und Helen Sharp schnell klar; spätestens dann, wenn der Film mit einer bitterbösen Pointe endet. Die Moral von der Geschicht': Ewiges Leben... lohnt sich nicht.

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt. Religion ist, wenn man trotzdem stirbt." Jürgen Becker

Ich habe bereits viele philosophische Bücher gelesen, da mich das Thema der Sinnsuche und das Nachdenken über das Leben und dessen Sinn und auch Unsinn generell sehr interessiert - so beispielsweise "Leibnitz war kein Butterkeks: Den großen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur" von Michael Schmidt-Salomon und seiner Tocher Lea Salomon, "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise" von Richard David Precht und "Folge dem weißen Kaninchen: ... in die Welt der Philosophie" von Philipp Hübl (alles Titel, die mir persönlich sehr gut gefielen und die ich wärmstens weiterempfehlen kann!) Mir ist aufgefallen, eine Gemeinsamkeit, die all diese Bücher haben, ist die Frage: "Was ist der Sinn des Lebens?" Aber auch: "Was ist der Sinn des Todes?"

Wie so oft bin ich mal wieder hin- und hergerissen...

Mal angenommen, irgendeine der unzählig vielen Religionen und Glaubensrichtungen hätte recht und es gäbe tatsächlich ein weiteres Leben nach diesem hier, in welcher Form auch immer. Himmel, Hölle, Fegefeuer, Reinkarnation usw. - würden wir uns, wenn wir nicht sterben könnten, nicht irgendwann zu Tode langweilen? „Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen“, sagte schon Goethe. Man multipliziere "eine Reihe guter Tage" mit dem Faktor Unendlichkeit - selbst wenn uns im Jenseits die wüstesten Sexorgien und Partys erlaubt wären, wir Tag für Tag neue Leute kennenlernen würden usw., spätestens nach einer Million oder einer Milliarde Jahren würde sich doch alles wiederholen, oder nicht? Esther Vilar schrieb dazu ein amüsantes Buch mit dem Titel "Der Schrecken des Paradieses": Ihr Fazit ist, dass ein Garten Eden auf unbegrenzte Dauer mehr Fluch als Segen für uns alle wäre. Wir Menschen seien nicht dazu gestrickt, ein ewiges Leben ohne Höhen und Tiefen einfach so ertragen zu können, so Frau Vilar. Erst die Endlichkeit unserer Existenz gäbe dem Leben seine Würze.

Die französische Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir argumentiert ähnlich; in ihrem Roman "Alle Menschen sind sterblich" beschreibt sie die Figur Raimon Fosca, der als Unsterblicher schon seit Jahrhunderten trost- und teilnahmslos auf der Erde wandelt - er empfindet alles als langweilig und bedeutungslos.

Also:Wissen um die eigene Sterblichkeit ließe unser Leben erst bedeutungsvoll erscheinen, denn wären wir unsterblich, würden uns früher oder später Langeweile und Antriebslosigkeit erfassen, da wir jede Handlung aufschieben könnten -- nichts müsste mehr erledigt werden, alle Ziele würden ihre Dringlichkeit verlieren, so die Argumentation jener Damen. Ein an und für sich schlüssiger und logischer Gedanke.

Andererseits: Immerhin entstehen jeden Tag auf's Neue grundlegende Wünsche in uns: Von Sex und gutem Essen zum Beispiel können wir gar nie genug kriegen. Beispielsweise schmeckt Schokolade immer gleich, und dennoch können wir täglich Lust darauf haben. Warum soll das nicht in alle Ewigkeit so weitergehen können? Auch unsere langfristigen Wünsche und Pläne müssten nicht zwangsläufig im Angesicht der Unsterblichkeit schwinden: Wir wollen ja nicht deshalb einen Beruf ergreifen oder ein Studium ablegen, weil wir immer vor Augen haben, dass wir sterben müssen.

Wenn ich ehrlich bin, würde ich den Gedanken schon reizvoll finden, zu wissen, wie unsere Welt in 100, 2.000, 300.000 Jahren aussehen würde. Ich wäre schrecklich neugierig, wärt ihr nicht neugierig? Das muss ja nicht heißen, dass man dann in dieser Zukunft leben möchte (kann ja sein dass es die totale Dystopie sein wird dann - aber auch eine Utopie wäre natürlich möglich), aber ich fände es einfach total spannend. Außerdem stelle ich es mir total cool vor, wenn man (eben unter der Voraussetzung, all die Zeit gesund und agil bleiben zu können) zum Beispiel 100 Jahre einen bestimmten Beruf ausleben könnte, dann 100 Jahre weiters wieder einen ganz anderen, 50 Jahre in Paris lebt, dann 50 weitere in Japan, dann die nächsten 50 Jahre in New York usw. und so fort - wenn wir ehrlich sind, reicht unsere begrenzte Lebenszeit doch niemals dafür aus, alles Erfahrbare der Welt jemals in seiner Gänze erfassen zu können, oder? Alleine all die Sprachen, die man lernen könnte, die Kulturen und das Wissen, das man sich aneignen könnte bei so unendlich langer Zeit usw. - ich muss gestehen, das alles hätte schon einen gewissen Reiz für mich.

Mit den Jahrtausenden würden wir höchstwahrscheinlich Altes vergessen und Neues hinzulernen, unsere Pläne und Interessen würden sich allmählich austauschen, bis wir irgendwann völlig andere Personen wären - irgendwie faszinierend. (Trotzdem würden wir ja in jedem Augenblick wissen, wer wir sind und was wir wollen, auch wenn wir keine Ähnlichkeit mehr mit unserem früheren Selbst hätten - kokett könnte man fragen: Ist es nicht besser, langsam zu jemand anderen zu werden, als gar nicht mehr zu existieren? Hhmm ...)

Aber nun zurück zum Glauben: Auch bei Wiedergeburt, mal angenommen, es würde wirklich so sein, stellt sich mir die Frage: Wenn ich nicht weiß, wer ich im vorigen Leben war und mich an nichts mehr davon erinnern kann, wozu immer wieder geboren werden? Warum muss ich denn jedes Mal auf's Neue lernen nicht mehr in die Windeln zu machen und den Satz des Pythagoras in der Schule pauken, immer und immer wieder? (Es sei denn, man kommt nochmals als Regenwurm oder Autobatterie auf die Welt - aber das fände ich dann auch nicht so prickelnd.) Vera F. Birkenbihl wiederum meint, dass der seelische Zustand ganz anders wäre, außerhalb von Raum und Zeit usw. und wir deshalb das so gar nie nachvollziehen können, siehe hier. Also wird sind dann in diesem Zustand keine Menschen in dem Sinne mehr und es solle demnach durchaus möglich sein. Ob eine Seele nun existiert oder nicht, darüber wird seit jeher gestritten. Auch Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross sieht zum Beispiel in den Nahtoderfahrungen einen Beweis dafür, dass danach noch etwas kommt. Sam Harris hält in seinem Buch "Waking Up: A Guide to Spirituality Without Religion" wiederum dagegen, es würde sich lediglich um drogenähnliche Halluzinationen des Gehirns handeln, um den Abgang leichter zu machen. Hach ja, seufz. Man könnte noch unendlich viel zu diesem Thema schreiben und hin- und her argumentieren und diskutieren, aber was wahr ist und was nicht werden wir dadurch wohl auch nicht erfahren...

* * * Wie seht ihr das alles? Bitte schreibt mir eure Meinung unten in den Kommentaren! Vielen Dank. :) * * *

Nun noch kurz zum Transhumanismus ...

Ich habe Ray Kurzweil bereits in diesem Beitrag kurz erwähnt. Seitdem sein geliebeter Vater starb, setzt er alles darauf, an Unsterblichkeit zu forschen und diese in Zukunft möglich zu machen. Neben ihm arbeiten an der tatsächlichen Unsterblichkeit allerdings nur wenige Wissenschaftler. Die Kyroniker z.B. hoffen auf die Wiedererweckung gekühlter Hirne dank moderner Medizin in der Zukunft. Andere glauben, man könne den menschlichen Geist ganz einfach wie ein Computerprogramm auf eine Festplatte laden - man stelle sich vor, wir alle, ewig lebend als Daten-Organismen im Computer - dann könnten wir für ewig Beiträge für "Fisch und Fleisch" verfassen, haha. Trotzdem sehr unheimlich alles, wenn auch interessant. Auch die Zellforschung erhofft sich Aussichten auf ewiges Leben: Biologen konnten etwa bereits bei Mäusen den Alterungsprozess umdrehen. Wird der Jungbrunnen für alle bald Realität sein? Wer weiß. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das alles noch erleben werde. Dokus und Artikel über die Forschung nach dem ewigen Leben gibt es wirklich mehr als genug - also falls euch das Thema interessieren sollte, einfach mal googlen und recherchieren, gibt auch genügend Bücher dazu etc. ...

Ein Bekannter vor mir ließ sich die Aufschrift "Artists Never Die" tätowieren - Kunst besiegt den Tod. Na ja, mal schauen, ob ich mich mit meinen Werken noch unsterblich machen kann, lach'. Meine Bilder werden vielleicht nach meinem Tod noch bestehen bleiben, aber davon hab' ich ja selbst nicht wirklich was. :P

Nachkommen in die Welt zu setzen, kann z.B. sicherlich was total Schönes sein und man kann Kindern ja sehr viel lernen und viel von sich selbst mitgeben. Aber auch wenn man keine Familie gründen möchte, kann man in den Köpfen (und hoffentlich auch Herzen) der Menschen weiterleben, siehe hier.

Ihr seht, man könnte noch bis zum eigenen Ende darüber weiter philosophieren ...

Fazit: Memento mori und Carpe Diem ...

Das Buch "5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden" von Bronnie Ware hat mich sehr, sehr nachdenklich und auch traurig gestimmt. Ich überleg' grad... Wenn man am Ende seines Lebens steht, was wird dann wichtig sein? Niemand wird sich erinnern, was du getweetet hast. Man wird nicht dem teuren Auto, dem Pokal oder dem Doktortitel am Sterbebett nachhängen, sondern den menschlichen Beziehungen. Was wichtig sein wird sind die Mitmenschen - wenn man denn welche hat. Sollte dann nicht das, was dann so wichtig erscheinen wird nicht schon jetzt als sehr wichtig gelten? Mir kommt manchmal vor, viele vergessen das. Die Leute machen sich so viele Sorgen um Dinge, die im Endeffekt nicht so wichtig sind. Andererseits... Man stirbt so oder so. Und viele haben gar keine andere Wahl und nicht das Privileg, sich überhaupt über sowas Gedanken zu machen - etwa Leute in Kriegsgebieten oder unheilbar Kranke, Patienten mit Alzheimer die sich an gar nichts mehr erinnern können, Menschen die ganz alleine wohnen müssen usw. und so fort. Ach, was soll's. Lassen wir das mit dem viele Nachdenken und Grübeln jetzt mal. Manchmal muss man einfach nur LEBEN.

In diesem Sinne:

Blog-Bild: Ania Powałowska

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