Von Gaga zur Lady und wieder zurück: Das raffinierte Comeback einer unterschätzten Künstlerin

Workaholic und musikalisches Multitalent

Bei der 87. Verleihung der Oscars® (Academy Awards) am 22. Februar 2015 im Dolby Theatre in Los Angeles geschah es: Dame Julie Andrews wurde überrascht und zu Tränen gerührt von einem Musical-Medley der besonderen Art; eine Hommage an den Film-Klassiker „Meine Lieder – meine Träume“, der sie damals zum Superstar gemacht hat und nun sein 50-jähriges Bestehen feierte. Die Resonanz war überwältigend; die Darbietung für das Jubiläum erhielt eine lange Standing Ovation mit tobenden Applaus. Die Interpretin? Keine professionelle Operettensängerin vom Broadway, nein. Sondern niemand geringerer als Stefani Joanne Angelina Germanotta - weitaus besser bekannt als die schrille Fashion-Ikone Lady Gaga:

Dass Lady Gaga tatsächlich singen kann und das sogar richtig gut - im Gegensatz zu vielen anderen Popstars der heutigen Zeit, die sich leider oft mit Computersoftware (Autotune), Playback und Audiotricks am Mischpult eine schönere Stimme schummeln - scheint der großen, allgemeinen Mehrheit erst durch jenen Auftritt in dieser Nacht wirklich bewusst geworden zu sein. Reichlich spät, wenn man bedenkt, dass Fans der Komponistin und Sängerin diverse ähnliche Auftritte - inklusive Piano-Künste - schon vor etlichen Jahren kannten ...

Totes Fleisch ist totes Fleisch is(s)t totes Fleisch

Doch die Allgemeinheit wollte in der exzentrischen Performerin, die sich (natürlich stets wissend und völlig kalkulierend, welche Wellen es schlagen würde) bewusst voll und ganz der Selbstinszenierung verschrieben hat, trotzdem immer nur „Style Over Substance“ sehen:

Als sie etwa 2010 aus Protest gegen ein diskriminierendes Gesetz in der amerikanischen Verfassung und dem kriegstreibenden US-Militär in einem Kleid aus rohem Rindfleisch mit vier suspendierten Soldaten am roten Teppich erschien - eine sehr provokante Inszenierung, gewiss nicht unähnlich polarisierenden Aktionskünstlern wie Ai Weiwei, Joseph Beuys, Yoko Ono oder Hermann Nitsch, aber auch stark am Dadaismus des vergangenen Jahrunderts angelehnt - wurde es als ein billiger Schrei nach Aufmerksamkeit abgewertet und nur oberflächlich als „mediengeil“ verspottet. Feministen und Kunstkritiker echauffierten sich gleichermaßen über die gewagte „Mode-Installation“; nur Tierschützer steuerten überraschenderweise ihren Zuspruch bei: „So viele Leute tragen echten Pelz oder Leder ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, aber wenn man das tote Tier am Leib noch erkennen kann ekeln sich plötzlich alle. Ich weiß Gagas Intention war ursprünglich eine andere, aber ich habe das Fleischkleid auch als ein Statement gegen die Massentierhaltung interpretiert - es spiegelt perfekt unsere verschwenderische, unsensible Gesellschaft und Dekadenz wider“, so zum Beispiel die vegane Tierrechtsaktivistin und Moderatorin Ellen DeGeneres.

ARTFLOP?

Auch später hagelte es immer wieder massenhaft Kritik. Für ihr Album ARTPOP (angelehnt an die 70er Jahre, EDM und Andy Warhol) ging sie Kollaborationen mit Marina Abramović, Robert Wilson, Jeff Koons sowie Inez & Vinnodh ein und wurde dadurch sogar als erste Pop-Sängerin der Welt im berühmten Louvre in Paris ausgestellt.

Leider wurden die kulturellen (und technischen) Ambitionen nicht ernst genommen und das Album blieb vom Erfolg und scheinbar den Erwartungen her hinter ihren ersten drei Alben zurück ...

Doch das ist inzwischen alles Schnee von gestern: 2015 erhielt Gaga ihren sechsten Grammy (die höchste Auszeichnung unter den Preisen der Musikindustrie) für ihr gemeinsames Jazz-Album mit Tony Bennett, auf der viele Standards des Genres grandios gecovert wurden. Später folgten auch Ausflüge ins Rock-Genre und noch einige weitere Tribute.

Golden Globe als beste Schauspielerin

Just folgte die nächste Überraschung: In der fünften Staffel der TV-Serie „American Horror Story“ übernahm Gaga die Hauptrolle einer nymphomanen Vampir-Gräfin, die blonde Kinder entführt und - inspiriert von den Grusel-Legenden um Elisabeth Báthory - sich am Blut ihrer Opfer ewig jung und schön hält. Im Laufe des Fernsehformats wird in Rückblenden auch gezeigt, wer die Figur der Gräfin vor der Infizierung mit dem vampirischen Virus gewesen ist, woher der Wunsch nach Kinder kommt und wie sie sich über die vielen Jahrzehnte hinweg zu dem Scheusal entwickelt hat. Gaga hat sich für die böse Rolle extra antrainiert, möglichst wenig zu blinzeln und einen eigenen europäischen Akzent für die Stimme des Charakters entwickelt.

FX Network

FX Network

Womit wahrscheinlich wirklich niemand gerechnet hat: Die Lady erhielt für ihre Darbietung in den 13 Folgen einen Golden Globe als beste Darstellerin und stoch damit Kirsten Dunst und andere, die schon jahrelang im Geschäft sind, aus - der Neid sei groß gewesen munkelt man, handelt es sich doch um die allererste Rolle einer Frau, die sonst nur immer als Musikerin bekannt gewesen ist.

Das langsame Erwachen

Für den Song "Till It Happens To You", welchen Lady Gaga gemeinsam mit Diane Warren letztes Jahr für den bewegenden Film "The Hunting Ground" geschrieben und komponiert hat (und in dem beide versucht haben, das eigene Erlebnis einer Vergewaltigung zu verarbeiten und anderen Opfern sexuellen Missbrauchs zu helfen, siehe hier), wurden beide sowohl für einen Grammy als auch einen Oscar nominiert - wir werden sehen, ob sie ihn abstauben werden.

Eine Interpretation der US-amerikanischen Nationalhymne und ein Memorian an den kürzlich verstorbenen David Bowie (Gagas größtem Idol) gab es zudem erst kürzlich:

Neues Pop-Album noch 2016?

Trotz all dieser Erfolge, in den letzten drei Jahren ist es sehr still geworden in der popkulturellen Warnehmung; die Songwriterin hat immer noch kein neues Album mit neuen Liedern herausgebracht und über eine Veröffentlichung oder ein feststehendes Konzept hüllt man sich in Schweigen, es soll aber noch dieses Jahr erscheinen. "Vielleicht wird es gut, vielleicht auch grauenhaft - wir werden sehen", meint die selbstkritische Musikerin gelassen. Nur Bruchteile über das kommende Album sind ansonsten bis jetzt bekannt: Es soll wieder einen komplett neuen musikalischen Ansatz geben, gleichzeitig aber auch die Rückkehr zum altbewerten Erfolgsrezept sein - Gagas's Gespür für Radiohits und Ohrwürmer soll wieder intensiviert werden.

Mark Ronson, Elton John, RedOne und Giorgio Moroder sollen angeblich im Gespräch als mögliche Produzenten sein. Auch mögliche Duette mit Adele und Sam Smith sind nicht ausgeschlossen. Und es gibt einen angeblichen Leak in schlechter Audio-Qualität von britischen Fans, die Gaga mitten in der Nacht mit dem Handy heimlich gefolgt sind, als jene in London war - ob er echt ist oder nicht, darüber kann man nur spekulieren - man höre selbst:

Was auch immer die Zukunft im Showbusiness noch bringen mag: Ich glaube mit Lady Gaga stehen ihr noch einige Überraschungen bereit. :) ;)

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