Spontane Gedanken zur Werbung: Sie ist überall. In Zeitungen und Zeitschriften, auf Plakaten, Postern und Magazinen, sowohl im Fernsehen als auch im Internet. Man hört sie im Radio und sieht sie in lästigen Popup-Fenstern und Video-Ads im Internet auftauchen. Was löst Werbung in uns aus und wie manipuliert sie uns? Brauchen wir Werbung wirklich? Und wie stark kurbelt Werbung überhaupt die Wirtschaft an? Fragen über Fragen, auf die ich Antworten suche.
In den 80ern und 90ern sorgte der Fotograf Oliviero Toscani für großen Tumult: Die Bennetton-Kampagne zog zahlreiche Kontroversen mit sich. Eine Möwe, gefangen im Industrieöl. Ein AIDS-Kranker, kurz vor seinem Tod. Ein leerer elektrischer Stuhl. Zahlreiche Gruppenfotos von Menschen afrikanischer, europäischer und asiatischer Abstammung. Diese und noch zahlreiche andere Bilder zierten die Plakate des italienischen Kleiderkonzerns und sorgten für teilweise heftige Reaktionen. Doch aus keinem dieser Motive lässt sich schließen, welches Produkt eigentlich beworben wird. Die Kleidungsstücke des Unternehmens sind nämlich gar nicht zu sehen. Politische und ethische Fragen werden von Toscani in den Raum gestellt - unreflektiert, provokant, möglichst objektiv. Der Clou ging auf: Der Kleidungshersteller machte einen höheren Umsatz als jemals zuvor. "Höre auf das, was dir die Marketingleute sagen - und dann mach' das Gegenteil", so Toscani. Und Recht behielt er.
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Doch darf das Werbung überhaupt? Darf Werbung auch Kunst sein und nicht nur Kommerz? Darf die Werbung Fragen stellen, eventuell gar sich selbst kritisch hinterfragen? Fest steht, neben der provokanten, einfallsreichen oder humorvollen Werbung gibt es auch viele weitaus einfältigere, triviale Konzepte in der Marketingbranche. Da wird beispielsweise einem einfachen Lebensmittel medizinische Heilkräfte zugesprochen. Es werden Versprechungen gemacht, die das eigentliche, echte Produkt nicht halten kann.
Es wird maßlos übertrieben - und getrickst wird sowieso überall: Bei der Bierwerbung beispielsweise wird echtes Motoröl behutsam in die Gläser gegossen und steif geschlagener Eischnee muss als Schaum herhalten; so sieht das Bier noch viel "bieriger" aus als das tatsächliche Getränk im wahren Leben. Echte Schmetterlinge wurden früher für TV-Spots eisgekühlt und dann auf Shampoo-Flaschen platziert; man wartete, bis das Insekt langsam auftaute und dann davon flog. Dann wurde diese aufgenommene Szene rückwärts abgespielt und schwups! Schon sah es in dem Werbespot so aus, als würde der Falter glücklich auf der Plastikflasche landen. Zum Glück sind Schmetterlinge und Co. dank moderner Technik inzwischen computeranimiert, was die Produktion wesentlich einfacher macht und etwaige Tierquälerei verhindert.
Von "Schönheit" wollen wir gar nicht erst anfangen: Da wird retuschiert bis zur Unkenntlichkeit. Eine ausgeklügelte Beleuchtung, eine gute Visagistin, ein von Natur aus schon wunderschönes Model und ein toller Fotograf samt professionellem Studio und teurer Systemkamera reichen meist nicht mehr aus, in der sogenannten Postproduktion fängt die wirkliche Arbeit erst richtig an: Da werden wochenlang von vielen Profis am Computer Gesicht und Körper solange vorteilhaft digital bearbeitet, bis sie dem klassischen Schönheitsideal in allen Maßen gerecht werden. Junge Frauen zum Beispiel werden auch oft bewusst älter geschminkt, damit sie dann als "schon ältere Damen" für ein Produkt werben können, die einen vermeintlich für lange Zeit jung aussehen lassen. Es ist verrückt.
Doch es geht auch anders: Die englische Agentur "Ugly Models" castet ausschließlich Individuen, bewusst fernab des gängigen Schönheitswahns. Egal ob unter- oder übergewichtig, tätowiert und/oder gepierct, schon sehr alt oder noch sehr jung, ungewöhnlich groß oder klein - jeder, der mit seinem charakteristischem Aussehen punkten kann und von der breiten Masse hervorsticht, ist bei der Agentur herzlichst willkommen. Ob sich dieses neue, einfallsreiche Konzept allerdings für die Zukunft durchsetzen kann, steht noch in den Sternen. Für mich persönlich wären einzigartige Charaktermodelle jedenfalls eine willkommene, frische Abwechslung gegenüber den austauschbaren Laufsteg-Schönheiten.
Nichtsdestotrotz, Werbung ist für die Wirtschaft ungeheuer wichtig. Auch wenn viele Menschen sie verteufeln wollen, ohne Werbung wäre der Ruin unendlich vieler Firmen garantiert. "Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.[...]Wenn Sie einen Dollar in ihr Unternehmen stecken wollen, so müssen Sie einen weiteren bereithalten, um es bekannt zu machen", sagte schon Henry Ford (welchen ich an dieser Stelle wirklich nur äußerst ungern zitiere, weil er ein glühender Antisemit war, aber das ist wieder eine andere Geschichte ...).
Wie auch immer, es ist anzunehmen dass Großkonzerne wie etwa Coca Cola womöglich längst nicht so ungeheuer erfolgreich wären, würden sie nicht professionell und kreativ in der Werbung alle Register ziehen, die wohl nötig sind. Studien sollen angeblich gezeigt haben, dass alleine der Anblick des Brausegetränk-Logos Areale im Gehirn anregt, welche Glückshormone ausschütten - so fest hat sich die Marke scheinbar schon in die Köpfe der Leute eingebrannt. Lebensfreude möchte der Limonadenhersteller suggerieren, Leidenschaft und Genuss. Eventuelle gesundheitliche Risiken - vor allem bei übermäßigem Konsum - werden natürlich nicht erwähnt. So führte der Konsum von bis zu zehn Litern Cola täglich laut Medienberichten vermutlich zum Tod einer 30-jährigen Mutter von acht Kindern in Neuseeland. Der Freund von ihr erklärte, dass Cola jeden Tag das erste und letzte Nahrungsmittel war, welches sie zu sich nahm. Offenbar starb sie an einer Mangelernährung, womöglich auch weil ihrem Körper Kalium und andere Stoffe fehlten.
Gewiss ist, für viele Künstler und Kreative ist Werbung ein Weg, erfolgreich zu werden. Viele begabte und ideenreiche Menschen können mit ihrem Talent alleine nicht ihr Brot verdienen. Als Fotograf, Zeichner oder Designer ist es oft sehr schwer, sich erfolgreich selbstständig zu machen - Kunst wird schon gerne angesehen, aber meist seltener gekauft. Doch in der Marketingbranche werden Werbegrafiker, Konzeptionisten, Mediendesigner, Texter und Co. immer benötigt - wer die besten, außergewöhnlichsten Ideen hat, kann punkten; innovative Einfälle machen sich in der Werbeabteilung häufig bezahlt. Schon der US-amerikanische Verkaufspsychologe Vance Packard sagte: "Die Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen."
Fest steht: Eine Welt ohne Werbung wäre manchmal bestimmt weit weniger nervtötend, aber bestimmt auch wesentlich langweiliger... Definitiv ist sie notwendig - Werbung zahlt sich immer aus. Ohne wären Unternehmer und Co. verloren!
Wie seht IHR das? :)
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Text (c) Robert Adler, 2010
Blog-Bild by (c) Anna Subbotina (Quelle: via Shutterstock)