Das Elend der Kreuzfahrtschiff-Passagiere

Als Reisebloggerin wieder unterwegs durfte ich mich jüngst 5 Stunden lang elitär, wie eine Kreuzfahrtschiff-Reisende, fühlen. Hierzulande gilt ja das Kreuzfahrtswesen doch eher noch als "das mach ma dann in der Pension"-Projekt - also ein Aufschiebbares. Ich durfte allerdings schon gute 20 Jahre früher drauf -  jüngst wurde ich als kurzfristiger Tagesgast wurde im Schnelldurchlauf durch die MeinSchiff4 von TUI durchgereicht und sollte mich so von den Vorzügen einer Schiffsreise auf hoher See überzeugen.

Am Anfang steht auch bei den Kreuzfahrern heutzutage die Sicherheit. Deswegen geht‘s in den riesigen Cruise-Center-Hallen, derer Hamburg mehrere hat, auch zu wie am Airport. Security zuerst, auch wenn der zuständige Latinoman mir nicht glauben will, dass ich ICH bin und deswegen spontan als Beleg auswendig mein Geburtsdatum einfordert. Das liegt wohl an der neuen Kurzhaarfrisur, die mich dann doch deutlich älter machen dürfte. Trotzdem eine Frechheit. Demnächst mehr zu dem Makel der 40PLUS Frauen hierzulande....

Danach wird das Handgepäck genauso durchleuchtet wie am Airport, aber mit einem kleinen Augenzwinkern wie mir scheint. Über eine leuchtende Rampe geht‘s dann aber bergan und vollkommen unspektakulär gelangt man über einen Finger ins Innere des 300 Meter langen Riesenkreuzers - Love Boat und Traumschiff in einem.Ein Feeling wie in der Lobby eines 5-Sterne Hotels in Bangkok oder Peking, nur mit deutlich mehr Teppichboden und weniger Glas. Alles riecht neu wie im Möbelhaus. An der Rezeption stehen schöne, noch nicht genervt wirkende Damen und von der Decke hängen lustige Figuren - ein Touch von Casino Baden weht herein.

Ich bin wirklich gespannt und freue mich an Bord sein zu dürfen - die regulär gebuchten Gäste dürften das in der Mehrheit aber nicht so sehen.

Wir nehmen an der Bar einen ersten Drink (inklusive!) und gesellen uns zu den anderen Gäste, die, nun ja, warten. Sie befinden sich an Bord eines Luxusliners, haben eine 10-tägige Schifffahrt vor sich, haben tausende Möglichkeiten der Beschäftigung - allein ihr Universum kreist um den einzigen Gedanken:

* Dass.sie.jetzt.auf.ihr.Gepäck.warten.müssen.

* Und.auf.die.Freigabe.ihrer.Kabine.warten.müssen.

Ganz deutlich sieht man an den unzufriedenen in verschiedene Richtungen starrenden Gesichtern der sprachlosen Paare, dass sie sich gerade ganz fürchterlich ärgern müssen. Nun ist es beileibe nicht so, dass es hier an Bord keine Beschäftigungsmöglichkeiten gäbe - noch dazu für zahlende Gäste: Man kann sich durch die riesige Getränkeauswahl (INKLUSIVE!) kosten und das in gefühlten 10 verschiedenen Bars In- und Outdoor. Draußen liegt Hamburg zu unseren Füßen, man befindet sich in einem Hochseehafen, kann den Hafenbetrieb beobachten, lesen, sich informieren, an Deck spazieren oder einfach nur rausschauen und das Kreuzfahrtfeeling genießen.

Schaffen die Leute aber nicht, denn: WIR.MÜSSEN.AUF.UNSER.GEPÄCK.WARTEN.WIR.DÜRFEN.NICHT.IN.UNSERE.KABINE.

Dazu sollte man wissen: Innerhalb von einigen wenigen Stunden werden heute hier am Wechseltag an Bord 1250 Passagier Kabinen gereinigt und 5000 Gepäckstücke bewegt - unglaubliche Zahlen. Und das ganze für mindestens 2500 Passagiere, die heute hier in Hamburg an Bord gehen. Genauso viele sind vormittags von Bord gegangen.

Zwei Stunden später treffen wir schon auf freundlichere Gesichter -Denn: ES.GIBT.ESSEN. Überall und an jeder Ecke - frisch, schön, gsund, ungsund - inklusive vom Buffet oder mit Tisch-Service oder elitär mit Aufpreis an den besonders schönen Platzerln.

Ja, die Sonne ist rausgekommen - man lehnt am Heck oder am Pool an der Reling - immer mit einer der vielen Bars im Rücken und da steigt die Stimmung noch doch ein wenig.

Aber als wir um 18 Uhr von Bord gehen, lausche ich den unglaublich freundlichen Rezeptionistinnen am Telefon, die immer noch offensichtlich immer noch aufgebrachte Gäste beruhigen müssen: „Nein, tut mir leid, ich kann Ihnen nicht genau sagen, wo an Bord sich Ihr Koffer befindet. Aber er ist ganz, ganz sicher auf dem Weg zu Ihnen..."

Der Genuss einer Luxuskreuzfahrt bedeutet also nicht gleichzeitig auch Langmut und Frohsinn - wär ja noch schöner. Grantscherbn-Partie.

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fischundfleisch

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Angelika Mandler-Saul

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