Analyse der russischen Analyse zum Ukraine Krieg

Russland führt im Moment einen Krieg den wir in dieser Form schon eine Weile nicht gesehen haben: einen Krieg zwischen zwei Nationen die technologisch am gleichen Stand sind. Die vergangenen Kriege der USA etwa waren stets gegen Gegner die im Bezug auf Technologie und Doktrin deutlich weiter zurücklagen. Entsprechend interessant sind Analysen der Kombattanten. Eine russische NGO gab vor kurzem eine kurze Abhandlung mit dem Titel „Lebe, Kämpfe, Gewinne!“ („ЖИВУ, СРАЖАЮСЬ, ПОБЕЖДАЮ!“) mit den gelernten Lektionen heraus.

Das Büchlein ist in 66 Kapitel (in Summe etwa 50 Seiten) unterteilt und nur der Anfang (Vorwort bis Kapitel 6) und das Ende ist politisch gefärbt, der Großteil ist sehr pragmatisch gehalten und adressiert recht brutal die eigenen Schwächen, so wird etwa festgestellt, dass der Erfolg des Feindes fast immer auf dem eigenen Versagen basiert oder aber Offiziere dumme Entscheidungen aus Bequemlichkeit treffen.

Die Ratschläge sind aber eben unheimlich praxistauglich und beschäftigen sich mit dem Umgang mit Läusen, nassen Füßen und der Frage welche Teile der Doktrin Sinn machen und wo man etwas anders tun sollte.

Die Analyse zeigt uns, dass der Krieg sich gewandelt hat und jetzt wieder der Situation des ersten Weltkrieges ähnelt. Geschütze spielen wieder eine bedeutende Rolle und das Gewehr des Soldaten verliert an Bedeutung. Im 27. Kapitel wird dargelegt, dass im ersten Weltkrieg pro gefallenen Soldaten etwa 25 000 Kugeln verschossen wurden, in Vietnam 250 000 Kugel und wir jetzt bei 2,5 Tonnen angekommen sind.

Das Sturmgewehr als Waffe hat damit eine untergeordnete Bedeutung. Artillerie ist wieder der unangefochtene „König des Schlachtfeldes“, die meisten Opfer, auf beiden Seiten, wurden durch Geschütze und Raketen verursacht, die wiederrum durch Dronen ins Ziel gelenkt werden. Dronen sind also ein bedeutender Faktor, haben aber eine Verlustrate von über 90%.

Durch diese Entwicklung verschwimmen die Begriffe wie „Front“ und „Hinterland“, weil „die Gefahr überall lauert“, auch 20 km hinter der eigentlichen Front.

Es wird angemerkt, dass aufgrund moderner Aufklärungstechnologie das Verstecken deutlich schwieriger geworden ist. Der „Nebel des Krieges“ ist nicht mehr undurchsichtig, entsprechend ist wieder Täuschung wichtiger geworden.

Die Lektüre ist interessant und verdeutlicht vor allem, dass der Krieg nichts an seiner Grauslichkeit eingebüßt hat und weiterhin mehr Opfer hinter als vor den Linien fordert. In kühler Pragmatik werden Lösungen für Probleme geschildert die einem die Gänsehaut über den Rücken jagen sollte und jedem klar machen muss wie fürchterlich Krieg wirklich ist, für all jene die gezwungen werden ihn zu führen, während die Drahtzieher mit trockenen Füßen, läusefrei, in bequemen Palästen sitzen und von notwendigen Opfern sprechen.

Die Analysten des Krieges zeichnen einen ernüchterndes Bild eines Krieges zwischen Peers, ein Bild das auch die USA und China im Moment sehr genau analysiert und hoffentlich zu dem Schluss kommt, dass rascher Erfolg nicht am Menü steht.

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Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 16.12.2022 19:57:33

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