In der chinesischen Jugend geistert seit einiger Zeit der Begriff Tang Ping (躺平) herum. Der Begriff bedeutet so viel wie sich hinlegen oder totstellen. Seine Ursprünge lassen such in etwa bis in den April 2021 zurückverfolgen und wurde nun mit dem Begriff Bai Lan (摆烂) ergänzt.
Tang Ping ist im Grunde ein Lifestyle der sich um die Optimierung der eigenen Zeit dreht. Die Idee ist das harte Arbeit nicht garantiert zu Erfolg, aber Müßiggang zwangsläufig zu einem gemütlichen Leben führt.
Während die Partei harte Arbeit und Strebsamkeit als erstrebenswerte Ideale anpreist, wie etwa kürzlich in der Ansprache zum 4. Mai durch Xi Jinping, postuliert die chinesische junge Gegenkultur, dass eine Reduktion der eigenen Lebensziele das wahre Ideal sein sollte.
Bai Lan geht eine Spur weiter. Übersetzt bedeutet 摆烂 in etwa „es verfallen lassen“ und ist ironischerweise eng mit dem westlichen Konzept des „black pillings“ verwandt. Beide Philosophien sehen die Gesellschaft auf einen Abhang zusteuern und sehen keinen Grund (oder Möglichkeit) das Ruder herumzureißen. Die Idee ist das System eben an die Wand fahren zu lassen und zu hoffen, dass etwas Besseres nachkommt, im Prozess aber passiv zu bleiben, "es passieren zu lassen".
Das Problem ist in China mittlerweile so groß, dass die dortigen Medien bereits mehrmals darauf hingewiesen haben, dass Tang Ping und Bai Lan nicht erstrebenswerte Ideale seien.
Wir im Westen können daraus vor allem zwei Lektionen lernen. Zum einen sehen wir, dass auch Menschen in sozialistischen Systemen optimieren und diese Optimierung bedeutet, dass wenn „nichts tun“ eine Option ist, Menschen diese Option wählen. Und wer mag es ihnen verdenken? Der Stundensatz einer Person die für nichts tun etwas bekommt ist höher als der Stundensatz des reichsten CEOs, denn der musst wenigstens irgendwas tun, und sei es ab und an im Büro vorbeizuschauen. Etwas für nichts zu bekommen übersetzt sich in einen unendlich hohen Stundensatz und es ist daher vernünftig so einen Lebensstil zu wählen.
Die andere Lektion ist dass der sozialistische Staat eben nicht, wie in westlichen sozialistischen Kreisen vermutet, den Künstler und Lebenskünstler über den Manager stellt. Ganz im Gegenteil. Der sozialistische Staat braucht, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten, genau die gleichen Manager wie der Kapitalismus, Leute die aus den Arbeitern das Maximum herausquetschen und er braucht die entsprechenden Arbeiter die sich ausquetschen lassen und im Idealfall noch lächeln und danke sagen. Der westliche Künstler ist nur der nützliche Idiot der den Sozialisten Macht bringt, wenn er die Macht aber einmal hat, wird der Künstler zum Arbeiter "umerzogen", denn "Selbstverwirklichung" ist nur ein sozialistisches Ideal wenn etwas für den Staat nützliches dabei herauskommt.
Die oben beschriebenen Jugendbewegungen stellen für China ein existenzielles Problem dar, ein Problem das im Grunde nur mit Arbeitspflicht oder aber mit einer Erhöhung der Motivation der Jugend zu lösen ist. In anderen Worten: entweder beginnen die Chinesen Stalins Methoden zu imitieren oder aber den westlichen Weg. Beides bringt Probleme für die Partei mit sich.
Bai Lan und Tang Ping sind revolutionäre Bewegungen, aber es sind stille Revolutionen, Tröpfchen die das Fundament der Partei langsam aber sicher aushöhlen. Man darf gespannt sein wie die Partei auf diese neue Herausforderung reagiert.
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