Menschen ändern ihre Sichtweisen aber in manchen Fällen ist das eine gewaltige Überraschung. Hätte man mich gestern nach dem Champion des Atheismus und den Vernichter aller Religionen gefragt hätte ich Richard Dawkins gesagt. Seine Bücher haben Generationen von Atheisten und Agnostikern mit der besten Munition für religiöse Debatten versorgt. Dawkins ist ein Gigant und einer meiner Jugendhelden.
Mich persönlich hat das Buch „The Blind Watchmaker“ sehr beeinflusst aber das Buch wurde 1986 geschrieben und seither hat sich die Welt verändert. In einem aktuellen Interview mit K. Kisin sagte Dawkins Dinge die ich so von ihm nicht erwartet hätte, vorwiegend dass Religion eventuell doch eine notwendige, eventuell sogar gute Sache sei. Das war gelinde gesagt verblüffend.
Sein Argument entstammt aus der Beobachtung, dass die Wissenschaft jetzt nicht mehr von den Befindlichkeiten der Religiösen gestört wird, sondern von den Befindlichkeiten der Politischen. Exakt der gleiche Menschenschlag der vorher gejammert hat, dass ihre religiösen Gefühle verletzt werden, wenn man sagt, dass die Welt nicht in einer Woche erschaffen wurde jammert jetzt, wenn man biologische Wahrheiten ausspricht. Für einen Champion der messbaren Wahrheit, wie Dawkins eben einer ist, steht recht fest, dass diese beiden Dinge die gleiche Ursache haben und impliziert, dass die Religiösen (vor allem: Christen), wenn auch genauso nervig, harmloser waren.
Alle Fanatiker werden irgendwann handgreiflich aber bei manchen dauert es länger als bei anderen. Je Spiritueller (man möchte fast sagen: je abgehobener und weltfremder) eine Bewegung ist, desto eher überlässt diese Bewegung das Urteil eben Göttern. Man ist auch gewalttätig aber die Gewalt ist spirituell: Gebete, Flüche oder sonstige Zaubersprüche.
Religionen mit einem stärkeren weltlichen Ansatz (Wo der Prophet gleichzeitig die spirituellen als auch das weltliche Gesetz geschrieben hat) reagieren viel schneller mit weltlicher Gewalt.
Die Gewalt des Politischen hat aber keine spirituelle Komponente. Der Politische denkt sich nicht „red nur, dafür brennst in der Hölle, du Unmensch!“ und geht seines Weges, der Politische reagiert sofort weltlich.
Dawkins argumentiert (sichtbar wehmütig) dass das was Religion gibt für einen erheblichen Teil der Menschen wichtig ist. Nicht für alle und dieses etwas sei auch Nichts auf das man stolz sein sollte und es wäre etwas das man überwinden könne, aber es sei eben so.
Religion war also nicht das Problem. Das Bedürfnis nach Religion ist das Problem oder aber einfach ein Phänomen.
Es ist erstaunlich, wenn ein Held der eigenen Jugend scheinbar zum gleichen Schluss gekommen ist wie man selber.
Die logische Folge daraus ist eine veränderte Sicht auf Religion, insbesondere das Christentum. Nicht dass Dawkins die Idee dass aus Esspapier das Fleisch eines Zimmermannes werden kann validieren würde, wie er halte auch ich die Bibel weiterhin für ein Märchenbuch, aber man muss unserer Zivilisation zugestehen dass wir Religion recht gut domestiziert haben.
Aus dem Wolf wurde ein Hund. Dumm, übelriechend und oftmals lästig, natürlich, aber zu einem gewissen Grad nützlich. Das Christentum ist eine so tolle Religion weil sie so harmlos ist. Ja, ab und an beißt der Köter aber im Vergleich zu den Viechern in der Nachbarschaft ist er kontrollierbarer.
Das ist die wunderbare Qualität des Christentums und deswegen gehört es *räusper* *hust* *schüttel* gefördert. Nicht weil es Gut ist, nicht weil es wahr ist sondern weil es besser ist als die Alternativen.