Anthony Mackie ist ein Superstar. Das Interessante an dieser Aussage ist, dass praktisch niemand seinen Namen kennt. Gleichzeitig kennt fast jeder sein Gesicht: er spielt Falcon in „Avangers“.

Ah ... Der.

Genau dieses Problem beschrieb er in einer Konvention: die Zeit des Superstars sei vorbei. Er führte als Vergleich die Stars der 80iger und 90iger an und beschrieb, völlig korrekt, dass man sich in den 90igern „den neuen Schwarzeneggerfilm“ ansah. Man sah sich nicht „Kindergartencop“ an. Man sah sich den neuen „komischen Schwarzenegger“ an. Man sah sich nicht „over the Top“ an sondern den „Stellone in dem er einen Trucker spielt“. Das war die Zeit des Superstars. Der Großteil der Zuseher wurde tatsächlich von den Schauspielern ins Kino gezogen und einmal im Jahr war es dann spannend zuzusehen welcher Schauspieler mehr Oscars abräumt.

Diese Zeiten sind vorbei. Wären wir in den 90iger Jahren wäre alleine der Umstand, dass Robert Downey Jr. (Ironmen) Dr. Dolittle spielt, ein Garant für Erfolg gewesen. Der Film floppte und steht bei 14% auf Rotten Tomatoes. Für die Vorinternetgeneration: das bedeutet keiner mag den Film und keiner zahlt Geld um ihn ein zweites Mal zu sehen.

Downey zieht keine Menschen ins Kino. Ein mittelmäßiger Ironmenfilm aber ist hingegen eine Lizenz zum Gelddrucken, denn Ironmen zieht Menschen ins Kino.

Wir sehen dieses fehlende Interesse an den Schauspielern auch an den Preisvergaben. Prunkvoll treffen sich Multimillionäre in Gewändern im Gegenwert meines Jahresgehaltes und nehmen dann vergoldete Figürchen in Empfang um dann Joe Sixpack zu sagen warum er sich mehr anstrengen sollte um die Welt besser zu machen.

Niemanden interessiert sich dafür in 2020, die Zuseher zahlen brechen ein. Die Menschen würden eventuell wieder einschalten wenn die Frage lautet ob Ironmen oder der Hulk einen Oscar bekommen denn diese gespielten Figuren verbinden die Zuseher mit dem Film den sie mögen.

Das ist eine grundsätzlich nicht so üble Entwicklung, hat sich doch das Interesse des Zusehers gewandelt. Der Superstar war ein Personenkult, jetzt zählt wieder die Geschichte. Auch das ist nichts unbedingt Neues. Neben Schauspielern lockten auch früher schon Regisseure. Man sah sich den „Neuen Spielberg“ an oder den aktuellen „David Lynch“. Dieser Zugang war aber stets eher etwas das als mehr „sophisticated“ empfunden wurde und genau das wird jetzt langsam aber sicher Mainstream, so ist alleine die Erwähnung von Paul Feig (Regiseur von Ghostbusters 2016) praktisch ein Garant für davonlaufende Zuseher, und Jon Favreau ein Name der Menschen vor die Leinwand lockt.

Schlüssel ist hierbei das Internet. Die Möglichkeit als Cineast tiefer in die Materie einzutauchen ist heute viel besser als in den 90igern. Ich kann mich ohne Probleme meine ganze Zugfahrt mit Produktionsschwierigkeiten eines einzelnen Films beschäftigen, wenn ich möchte. Das werden nur wenige Menschen tun aber genau die die das tun sind auch jene die dann von ihren Freunden gefragt werden welcher Film was taugt, welche man meiden soll und auf was man sich im neuen Jahr gefasst machen kann. Das führt zum Verschwinden des nächsten Berufsstandes: des professionellen Kritikers.

Kritiker begannen irgendwann nicht mehr zu sagen welcher Film ihnen gefiel und welcher nicht. Es ist zwar völlig legitim dass der professionelle Kritiker Dinge wie Kameraführung kritisierte, selbst wenn das vielen Zusehern nicht auffiel, für den Cineasten war das ja durchaus bedeutend. Das Problem war dass es damit nicht endete.

So fanden immer mehr eigenartige Dinge eingang in die Art und Weise wie Filme zu bewerten sind, wie etwa den „Bechdel test“ der angedacht war zu messen wie sehr Frauen eine tragende Rolle im Film haben. Filme die diesen Test nicht bestanden wurden daher schlechter bewertet. Meisterwerke wie der „Soldat James Ryan“ kommen hier schlecht davon, weil schlicht keine Frauen in dem Film vorkommen.

Wäre es nur diese eine Metrik, wäre das nicht so schlimm, aber es sind dutzende. Das Resultat ist dass Filme die zwar alle nötigen Anforderungen erfüllen um eine Kritik zu bekommen dennoch von den Zusehern gehasst werden. Ein prominentes Beispiel sind die neuen Star Wars Filme, die nicht für die Fans sondern für Kritiker gemacht wurden.

Natürlich geht es auch anders herum: Venom etwa wurde von den Kritikern verrissen, wurde aber von den Zusehern als sehenswert eingestuft. Er ist platt, zugegeben, aber was hat man erwartet wenn die Hauptfigur ein durchgedrehter Alienparasit ist? Es sind 2 Stunden leichte Unterhaltung, wie erwartet.

Das Problem an Kritikern ist dass sie nicht verstehen dass es unterschiedliche Genres gibt. Na manchen Tagen möchte ich dass mein Gehirn gekitzelt wird und in so einem Fall schaue ich mir etwas mit Niveau an. An anderen Tagen will ich einfach nur abschalten und dann dreht man eben einen Film mit Explosionen auf. An einem ganz anderen Tag sieht man sich eben Inland Empire an und schaut wie schwindlich einem dieses Mal wird.

Der Kritiker der Vergangenheit wusste das und bewertete entsprechend. Der rezente Kritiker tut das nicht sondern schert über einen Kamm. Man kann aber einen Steven Spielberg nicht mit einem Michael Bay in einen Topf werfen. Beide sind für sich betrachtet gut aber sie produzieren völlig unterschiedliche Dinge, wir bewerten ja Sushi auch nicht an den gleichen Maßstäben an denen wir Kuchen bewerten.

Der Superstar und der professionelle Kritiker sind am Weg unbedeutend zu werden und zwar aus ähnlichen Gründen. Die Schauspieler haben begonnen anzunehmen dass der Zuseher sich für sie als Person zu interessieren hat, weil wir uns für die Superstars von früher interessiert haben. Niemand interessiert sich heute für die Politik von Alyssa Milano, egal wie sehr sie glaubt dass sie die Gesellschaft mit ihrem Twitteraccount verändern kann. Nobody cares.

Der Kritiker hingegen pochte hingegen auf die eigene Autorität, die er aber durch die Anwendung von Checklisten selber untergraben hat. Ein Kritiker der Drama, Action, Komödie und Dokumentation auf die gleiche Art und Weise bewertet ist einfach für den Zuseher nutzlos und wurde durch Cineasten mit einer Webcam und einem Youtubekanal ersetzt, schlicht weil dort die Chance einen guten Tipp zu bekommen höher ist als beim professionellen Kritiker.

Das alles führt zu einer sichtlichen Reduktion des Personenkults und einer Hinwendung hin zum Inhalt. Das ist im Großen und Ganzen eine gute Entwicklung, die Superstars stimmen dem aber nicht zu.

Lionsgate Lionsgate.com

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