Die Geburtenraten sinken in der ganzen entwickelten Welt, in allen Schwellenländern und bis 2100 soll sich dieser Trend auf die ganze Welt ausgeweitet haben. Ich persönlich denke, dass wir es hier mit keinem ökonomischen oder sozialen Problem zu tun haben, sondern mit der von John B. Calhoun beschriebenen und nachgewiesenen „Behavioral sink“, sprich dem Umstand, dass Säugetiere ihre Reproduktion reduzieren wenn die Zeiten „zu gut“ sind, um nicht im Falle der Normalisierung in ein Überbevölkerungsproblem zu krachen, wie es etwa Insekten tun, vorwiegend weil wir so einen Crash nicht gut kompensieren können.
Es gibt aber alternative Ideen, die meisten drehen sich um die Idee, dass Kinder zu bekommen zu teuer ist und man entsprechend mittels Förderungen gegensteuern müsste.
Aktuell dreht sich eine Debatte rund um einen Post auf X einer chinesischen Studentin die meint, dass das Problem einfach zu verstehen ist: es ginge nicht um Geld, es ginge um Prestige und ihre Schlussfolgerungen drehen sich um Beobachtungen in der Mongolei. Die Mongolei expandiert wirtschaftlich im Moment, bei einem projizierten Wirtschaftswachstum von über 6% im Jahr, die Geburtenraten sind aber weiterhin mit 2,6 recht hoch. Sie argumentierte, dass in der Mongolei Mutter-werden gefeiert wird und Mütter einen hohen sozialen Status haben und junge Frauen Mütter werden wollen, weil sie auch diesen erhobenen Status haben wollen. Was folgte war eine Explosion an Content rund um diese Aussage.

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Ist sie wahr? Keine Ahnung, aber es ist möglich.
Wenn die Aussage grundsätzlich stimmt, sind sowohl kapitalistische wie sozialistische Systeme hier mit einem existentiellen Problem (weder Sozialismus noch Kapitalismus funktionieren ohne Menschen) konfrontiert für die sie keine Lösung haben.
Entgegen der langläufigen Meinung stehen sich Kapitalismus und Sozialismus im Grunde recht nahe. Beide sind rational und wirtschaftlich orientiert, sprich beide haben die Verteilung von Ressourcen im Fokus. Eine Theokratie etwas, die das seelische Heil seiner Bürger an erste Stelle stellt, ist von Kapitalisten und Sozialisten viel weiter entfernt als Kapitalismus und Sozialismus zueinander.
Weil Kapitalisten und Sozialisten beide in Ressourcenverteilungen denken, ist die Schlussfolgerung, dass die sinkenden Geburtenraten, die ein Problem darstellen, ein wirtschaftliches Problem sind. Wenn man nur einen Hammer hat, muss jedes Problem eben ein Nagel sein.
Der Theokrat etwa sieht Verteilung von Ressourcen typischerweise nicht als Problem, die Ursache jedes Problems auf der Welt liegt für den Religiösen im Übernatürlichen, daher versagen sie in der realen Welt ja auch immer so spektakulär.
Aber was, wenn unsere Posterin nun recht hat und das Problem ein Statusproblem ist?
Der Kapitalismus hat darauf keine Antwort, weil die Familie den Müttern keine Gehälter zahlt, Status sich im Kapitalismus aber aus der Nützlichkeit und damit dem Gehalt ableitet.
Der Sozialismus hingegen sieht Mutterschaft als eine Last und behandelt es entsprechend, etwa durch Förderungen, und senkt damit den Status der Mutter zu jemanden der Hilfe braucht, was den Status reduziert. Wer Hilfe bekommt ist jemand der Hilfe braucht und jemand der Hilfe braucht ist ein Versager und Versager haben keinen Status.
Beide Systeme senken den Status der Mutterschaft und je mehr sie versuchen zu „helfen“, desto schlimmer wird der Eindruck, dass Mütter „Hilfe brauchen“ was in den Köpfen potenzieller Mütter den Eindruck erweckt, dass sie weit unten in der Hierarchie stehen.
Die Mongolei, die sich viel ihrers einzigartigen Charakters erhalten konnte, feiert Mütter aber. Eine Frau die ein Kind bekommt, wird als eine Heldin gefeiert. Sie steigt im Status und zwar nicht in irgendeinem Status, sondern im Status der anderen Frauen. Frauen ist es im Schnitt nicht egal was Männer von ihnen denken, aber was Frauen von ihnen denken, ist ihnen oft wichtiger.
Eine Umgebung in den Frauen andere Frauen mehr schätzen, wenn sie Mütter sind, führt scheinbar zu mehr Kindern. Umgekehrt ist eine Gesellschaft in der postuliert wird, dass eine Frau nur einen Wert hat, wenn sie tut, was klassisch ein Mann tut, zu weniger Kindern.
Und das ist die Krux.
Der Streit zwischen Kapitalismus und Sozialismus ist am Ende des Tages ein Streit zwischen Männern, die versuchen den korrekten Weg zu finden das zu tun was Männer immer getan haben: Zeug heimschleppen und dann damit anzugeben, wer mehr Zeug hat, um Frauen mit dem Zeug zu beeindrucken.
Das ist wichtig, keine Frage, aber es ist nicht das Einzige das wichtig ist und gefahrlaufend als Feminist beschimpft zu werden würde ich sogar behaupten, dass die soziale Infrastruktur die Frauen bauen wichtiger ist als das (her)schaffen von Dingen.
Die Aufgabe der steinzeitlichen Frauen war es, wenn die Männer Dinge heimgeschleppt haben, die Dinge wegzuwerfen, die keiner brauchte und die Dinge, von denen sie zu viel hatte mit den Familien zu teilen die weniger hatten. Man erhielt Status, wenn man sich einen Mann angelte, der viel heimschleppte und dann, gut sichtbar, die Überschüsse verteilte.
Wir wissen das, weil Naturvölker genau das tun.
Diese Umverteilung hängt aber eben an Status, bekommt man fürs teilen keinen Statusboost, wirds nicht gemacht.
Der Mann hat höheren Status bei den anderen Männern (weil mehr Frauen ihn haben wollen) wenn er mehr Zeug heimschleppt und Frauen haben höheren Status bei anderen Frauen, wenn sie Überschüsse verteilen und sich es „leisten können“ viele Kinder zu haben. Alle diese drei Dinge (Ressourcen heranschaffen und verteilen sowie Nachwuchs haben) bringen einen Stamm weiter, deswegen sind unsere Vorfahren Menschen, die so gelebt haben und deswegen sind vor allem das Heranschaffen und das Verteilen für uns so wichtige Themen, weil sie wichtig sind.
Heute versuchen wir aber alle (Männer wie Frauen) Zeug ranzuschaffen, lagerten das Verteilen an Staat (Sozialismus) oder Wohlfahrsvereine (Kapitalismus) aus und assoziieren Kinder nicht mit hohem sondern gar niedrigem Status. Was uns reich gemacht hat, weil wir mehr Zeug machen als wir brauchen, weil mehr Leute Zeug ranschaffen als nötig wäre.
Wenn die Schlussfolgerung falsch ist und es sich tatsächlich um ein Ressourcenproblem handelt, wie man in den Nachrichten hört, können wir mit unseren Geld-Hämmern etwas ändern.
Wenn nicht braucht es eine Änderung in der Kultur, die entweder durch eine Änderung unserer Kultur kommt, oder durch ein Ersetzen unserer Kultur gegen eine Kultur die Kinder als statuserhebend sehen.
Ob das die Moslems, die Mongolen oder die Amish sind, ist unklar, das Problem mit all diesen Gruppen ist nur eben eine gewisse Technologiefeindlichkeit die wohl, wenn sie uns ersetzt, nicht zu Fortschritt führen kann, sondern mit einem neuen Mittealter einhergehen wird, was für die Kinder und Kindeskindern der ganzen Welt eine Katastrophe darstellen könnte.
Aussterben werden die Menschen nicht, aber für unsere rationale Kulturen, kapitalistisch wie sozialistisch, sieht es düster aus, wenn unsere chinesische Freundin recht hat und so bitter es ist: ihr Argument ist leider verflixt gut.