Nach meiner Erfahrung ist es für Menschen im linken Spektrum, auch für die eher liberalen, extrem schwer zu verstehen dass man auch als liberaler Konservativer durchaus ähnliche Ziele wie sie verfolgt und vergleichbare Ideale hat. Manchmal ist die beste Art eine Brücke zu bauen zu zeigen dass man von den gleichen Menschen abgelehnt wird und was liegt da näher als eine Runde auf die rechtsautoritären Stechschrittmarschierer zu deuten?

Aber bevor wir uns den zackigen Gesellen widmen können müssen wir den Unterschied zwischen linker und rechter Kapitalismuskritik verstehen.

Das linke Argument gegen den Kapitalismus dreht sich um die Idee dass es unfair sei, dass eine Person für eine Stunde Arbeit mehr erhält als eine andere Person die eine Stunde gearbeitet hat. Qualitative Unterschiede in der Arbeit werden als minimal verstanden. Es wäre also schon in Ordnung wenn der Arzt etwas mehr verdient als die Krankenschwester aber eben nicht das Zehnfache, denn er täte ja nicht das Zehnfache. Das Gleiche gilt für den Firmenchef und seine Sekretärin. Je radikaler die Ansicht, desto kleiner muss dieser Unterschied sein. Die Idee findet ihr logisches Extrem in der Idee dass der Arbeitende nicht mehr haben darf als derjenige der nicht arbeiten möchte, kürzlich etwa proklamiert in den frühen Fassungen des „green new deal“ in den USA.

Gut 90% der Kapitalismuskritik dreht sich um diesen Ideenkomplex. Es gibt aber auch andere Kritikpunkte vor allem von der autoritären Rechten. Es gilt hierbei zuerst zu verstehen dass der (Laissez Faire) Kapitalismus im rechtsliberalen Bereich angesiedelt ist. Dieser (und nur dieser) ist gemeint wenn in diesem Artikel von „Kapitalismus“ gesprochen wird.

Ebenso relevant ist, dass die Grundwerte des Rechtsliberalen sich zu einem erheblichen Teil mit den Werten der Linksliberalen überdecken. Wie auch die Linksliberalen sieht der Rechtsliberale keinen Grund Menschen Verhaltensmuster aufzuzwingen. Jeder Mensch soll tun und lassen was er möchte und sei das in wilder Ehe mit einer Taschenlampe zu leben, solange er damit andere Menschen möglichst nicht beeinträchtigt. Im Gegensatz zum Linksliberalen ist der Rechtsliberale aber der Meinung dass der einzelne mit den Konsequenzen seiner Taten leben muss. Wo der Linksliberale es als „Diskriminierung“ versteht wenn Taschenlampen Fetischisten ausgelacht werden, hält das der Rechtsliberale für eine Konsequenz mit der Ersterer eben leben muss.

Rechtsautoritäre hingegen teilen den Drang nach Freiheit (bzw „Befreiung“) der Links- und Rechtsliberalen nicht. Für den Rechtsautoritären steht der Erfolg und Schutz des „Eigenen“ über allen anderen Gesichtspunkten. Das Wohl der Eigenen Gruppe geht immer vor.

Was das „Eigene“ ist, ist hierbei von der Gruppe abhängig. Es kann der eigene Klan, die eigene Nation, der eigene Glaube oder aber Menschen mit gleicher Hautfarbe sein. Der Rechtsautoritäre erwartet von Personen die er als Teil „seiner“ Gruppe versteht Solidarität ihm gegenüber. Der Rassist mag zwar „andere Rassen“ nicht umbedingt aber so wirklich leidenschaftlich hasst er nichts mehr als Angehörige „seiner Rasse“ die seine Ansichten nicht teilen und sich mit ihm nicht solidarisch zeigen. Das Gleiche gilt für alle anderen autoritären Ideologien: Abweichler sind für sie üblicherweise das schlimmste Übel und werden oft sogar mieser behandelt als „die Anderen“.

Hier beginnt auch das Problem das die rechtsautoritären Gruppe mit dem Kapitalismus hat: Im Kapitalismus zählt nur der messbare Nutzen.

Ein überzeugter Kapitalist stellt die Person ein die die beste Arbeit für den geringsten Preis erledigt, dabei ist es unerheblich aus welcher Gruppe dieser jemand stammt.

Er wird damit motiviert ein „Verräter an den eigenen Leuten“ (was auch immer das eben sein mag) zu werden.

Konkurrieren etwa zwei Firmen am freien Markt, wobei die eine Firma nur blonde blauäugige Männer einstellt, die andere Firma aber nur auf wirtschaftliche Gesichtspunkte achtet, hat zweitere Firma einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der ersten. Kauft erstere Firma dann auch nur bei anderen Firmen die von blonden blauäugigen Männern geführt wird, ist sie so gut wie chancenlos, weil sie ständig, aus ideologischen Gründen, gute Deals ablehnen muss.

Der Kapitalismus wirkt also hochgradig zersetzend auf gewachsene und abgeschottete Gesellschaftsstrukturen. Es ist nicht mehr möglich den netten aber etwas langsamen Cousin als Produktionsleiter einzusetzen wenn man wettbewerbsfähig bleiben möchte, man muss den „Besten“ nehmen den man bekommen kann.

Im Extremfall führt Kapitalismus dazu, dass Gruppen die sich hassen zusammenarbeiten müssen, einfach weil die Alternativ sie benachteiligen würde.

Der Idealist fällt zurück, er verarmt im Kapitalismus, der Geschäftsmann ohne Ideal aber wird reich.

Ethnische, kulturelle oder andere Homogenitäten sind für die Akteure am Markt Hindernisse die sie abbauen möchten. Der multinationale Konzern mag keine Grenzen, Grenzen kosten ihm Geld. Wenn der Spezialist den man in Frankreich braucht in Zimbabwe lebt, dann holt man ihn eben nach Frankreich anstatt, wie in anderen Systemen, einen Franzosen an den Platz zu setzen und zu hoffen dass er in den Job hineinwächst. Das geht schneller und Zeit ist eben Geld. Das ist aber schlecht für den französischen Nationalisten.

Das rechtsautoritäre Argument gegen den Kapitalismus ist also dass Gruppen, die untereinander verbunden seien und im Wettbewerb mit anderen Gruppen stehen, einen Nachteil haben und verschwinden, wenn sie sich nicht öffnen.

Nationen, Klassen, Klans, Rassen und all die anderen Dinge die dem Rechtsautoritären heilig sind haben im Kapitalismus schlechte Karten, entsprechend will der Rechtsautoritäre der Wirtschaft diktieren können was sie tun kann und was nicht.

Für den Rechtsautoritären darf die Wirtschaft nur solange tun was sie tun möchte, solange das seine Ideale stützt und das ist keine Freiheit, kein Kapitalismus.

Das rechtsautoritäre Argument gegen den Kapitalismus ist daher ein wunderbares Argument für den Kapitalismus aus rechts- und sogar linksliberaler Sicht: Diskriminierung und Freunderlwirtschaft wird zu einer teuren Angelegenheit im freien Markt, so teuer dass sie sich kaum einer leisten möchte oder kann.

Die Gier wird also zur Waffe gegen Diskriminierung, Fremdenhass und Vorurteil.

Dieser Zusammenhang ist in linken Spektrum weitgehend unbekannt, beziehungsweise wird angenommen dass der Kapitalismus Teil jeder rechten Ideologie ist. Diese Annahme ist, wie demonstriert, falsch.

Es gilt also festzustellen dass der Kapitalismus eine effiziente Waffe gegen jegliche autoritäre Einstellung darstellt: Zwang, Unterdrückung, Vorurteil und Diskriminierung übersetzen sich im Kapitalismus immer in einen Nachteil und dieser Nachteil wird umso gewaltiger desto brutaler der Wettbewerb wird.

Wenn es um das erreichen dieser Ziele geht, sollte man den Kapitalismus als mögliche Herangehensweise wenigstens in Betracht ziehen, der Erfolg gibt ihm schließlich recht.

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Matt Elger

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