Demonstrationskulturen: Warum das System unterschiedlich reagiert

Demonstrieren ist ein Bürgerrecht in jedem entwickelten Land aber unterschiedliche Gruppen nehmen dieses Recht unterschiedlich oft wahr.

Kürzlich verfolgte ich eine Podiumsdiskussion, in der einer der Teilnehmer einen interessanten Punkt vorbrachte: Demonstrieren ist für manche Gruppen ein Teil ihrer Identität und für andere Gruppen ist es ein Vorbote eines Bürgerkriegs.

In der Debatte wurde herausgezeichnet, dass die Machtstrukturen diese Zusammenhänge gut verstehen, deswegen kümmert sich keiner wenn Schüler auf die Straße gehen und für etwas demonstrieren das sie als wichtig erachten. Ich war früher auf solchen Demos, damals weil den Schulen Gelder gestrichen wurden und in den Nachrichten war davon nichts zu hören, es wurde totgeschwiegen.

Wenn die Schüler aber von den Lehrern geschickt werden, um für etwas zu demonstrieren das die Regierung umsetzen will, „Fridays for Future“ kommt einem da leicht in den Sinn, sind die Medien voll mit Berichten und einem „Das ist was die Jungen wollen“ Framing.

Ähnlich ist es mit der linken Seite des politischen Spektrums. Demonstrationen gehören zur linken Identität, wie das das Fasten zum Islam: ein echter Linker geht mindestens einmal im Monat auf die Straße. Die Straße ist die Kirche des Linken, man singt miteinander Lieder, man baut ein Wirgefühl und man erklärt allen anderen, dass sie in der Hölle braten werden. Wie das eben die Christen in der Kirche tun.

Der Konservative hingegen demonstriert nicht wirklich, aber wenn er es tut dann ist das ein Warnschuss durch den Bug.

Die January 6th Proteste sind ein gutes Beispiel. Ein Haufen Trump Supporter demonstrierten und noch immer höre ich dass, trotz der tausenden Toten und Millionen abgefeuerten Schüsse dieses Bürgerkrieges irgendjemand von den Leuten, die da mitgemacht haben, frei sind, eine Katastrophe wäre.

Die Realität ist, dass ein Demonstrant erschossen wurde, keiner der Demonstranten gab jemals einen Schuss ab. Vier Polizisten starben in Folge. Aufgrund von Selbstmord. Thats it.

Wenn das ein Aufstand war, war es ein verflixt jämmerlicher und impotenter.

Vergleichen wir das mit den CHAZ Protesten 2020, wo eine Koalition aus linken Gruppen 6 Häuserblocks für über einen Monat besetzte und der Polizei keinen Zutritt zu gestatten. Das führte zu Mord, Vergewaltigungen, Erpressungen und so weiter. 200 Millionen Schaden, 4 große Schiesserein zwischen verfeindeten Banden (Linke töten gern Linke, fragt mal Onkel Stalin warum), zwei bestätigte Todesfälle, eine unbekannte Anzahl an Vergewaltigungen und Großflächige Brandanschläge.

Die Medien bezeichneten es als „weitgehend friedlichen Protest“.

Warum? Weil wir es erwarten.

Wir wissen, dass wenn der Linke protestiert Steine fliegen und ein paar Polizisten im Krankenhaus landen und wir wissen auch dass dann nichts passiert, auf eine Linke Demonstration folgt nur eine Revolution, wenn sie irgendeine Großmacht finanziert (Fragt Onkel Lenin wie die Revolution ohne deutsches Geld verlaufen wäre).

Wenn aber Bauern und Arbeiter in Gelben Westen (Frankreich 2019) oder Trucker (Canada 2022) beginnen zu protestieren ist das der besagte Warnschuss und entsprechend kam der Hammer der Justiz rasch und gnadenlos heruntergesaust.

Wenn der rechte Flügel auf die Straßen geht, ist eine Schmerzgrenze überschritten und der Schritt zu einer kinetischen Auseinandersetzung ist dann nicht mehr weit. Wenn der Linke demonstriert, ist es halt Dienstag.

Der Witz an der Sache ist, dass das erklären würde warum das System so viel empfindlicher reagiert, wenn Menschen rechts der Mitte beginnen sich zusammenzurotten und auf die Straße zu gehen, während das auf der linken Seite des Spektrums keinen kümmert.

Wenn der linke Flügel demonstriert, ist das Teil der Normalität und das System ist nicht in Gefahr.

Wenn der rechte Flügel demonstriert, aber steht das System kurz vor einer existenziellen Krise.

Was den Schluss nahelegt, dass das revolutionäre Potential, zu mindestens aus Sicht des Systems, im rechten und nicht im linken Flügel existiert.

Das System will nicht wegrevolutioniert werden, also kämpft es gegen die revolutionären Kräfte und toleriert wenn die Kids ein paar Schaufenster einschlagen und Mistkübel abreißen, weil das für das System im Grunde wurscht ist.

Der Grund warum sich unsere Gesellschaften wie pfeifende Druckkochtöpe anfühlen ist dass das System versucht, den Status Quo, der nicht mehr nachhaltig ist, mit Gewalt stabil zu halten und jene zu unterdrücken die sagen, dass sich was ändern muss.

Das System also beschimpft jene die sagen „es stinkt“ als Nestbeschmutzer und als „Problem“, die Ironie aber ist dass der Nestbeschmutzer der ist der ins Nest gepupst hat und nicht derjenige der sagt dass es nach Pups stinkt.

Wir haben Probleme und wenn der rechte Flügel auf die Straße geht, ist das eine Indikation, dass das Problem existenziell ist.

Das System versteht das.

Die Machthabenden wissen das und wir alle wissen das zumindestens auf einer unterbewussten Ebene.

Deswegen ist uns mulmiger wenn wir an tausende Bauern denken die friedlich mit ihren Traktoren demonstrieren als wenn der schwarze Block an uns vorbeizieht, denn obwohl der RevolutionsLARPler gefährlicher aussieht, wissen wir dass er nur zu einem LARP geht und Revolutionär spielt, ein Bauer hingegen der seinen Traktor auf die Autobahn auffahren lässt, ist ein echter Revolutionär oder gefährlich kurz davor einer zu sein.

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Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 30.04.2025 09:33:46

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