Regelmäßig wird in politischen Debatten vorgebracht, dass der Staat Dinge viel besser könne als der gewöhnliche Sterbliche. Dem Staat werden dabei geradezu magische Fähigkeiten unterstellt. Was dabei vergessen wird, ist, dass der Staat kein Gott ist, auch wenn er wie einer behandelt wird.
Der Staat ist am Ende des Tages einfach nur ein Ding, das von ganz gewöhnlichen Menschen geführt und verwaltet wird. Jede Entscheidung im Staat wird von einem Menschen oder einer Menschengruppe getroffen und viele dieser Menschen mit Macht sind nicht gerade kompetent, was einem jede durchschnittlich politisch interessierte Person gerne und mit feuriger Begeisterung bestätigen wird, vor allem dann, wenn man diese Person zu den Parteien befragt mit der sie sich selber nicht verbunden fühlt.
Die Anzahl der Personen die alle Politiker als "gleich kompetent" ansehen, ist überschaubar und diese haben üblicherweise gemeinsam dass sie alle Politiker in allen Lagern als grundsätzlich eher ahnungslos verstehen. Praktisch niemand hat daher ein wirklich umfassendes Vertrauen in den Staat, spätestens wenn „die Anderen“ an der Macht sind wird Kritik an Kompetenz recht rasch sehr laut und praktisch alles was diese Regierungen tun ist dann plötzlich fürchterlich, selbst wenn sie genau das Gleiche tun wie die Gruppe der man wenige Jahre vorher noch bei der gleichen Sache zugenickt hat.
Dennoch wird der Staat als etwas völlig unabdingliches verstanden, als etwas alternativloses. Ist das berechtigt?
Grundsätzlich ja und das aus drei Gründen:
a) Ohne einen Staat der uns vor anderen Staaten beschützt wird ein staatsloses Gebiet sofort von einem Staat erobert.
b) Ohne einen Staat ist Vertragssicherheit nicht gegeben. Der Starke kann beschließen sich nicht an Verträge zu halten.
c) Ohne einen Staat kann ein durchsetzen dieser Vertragssicherheit nicht wirklich erfolgen
Diese drei Dinge rechtfertigen das Militär, die Polizei und ein (sehr sehr schlankes) juristisches System. An diesen Dingen gibt es kaum ein Vorbei. So ein Staat ist aber sehr schlank und wer gerade an seiner Spitze sitzt ist im Grunde genauso gleichgültig wie die Frage wer Vorstand im örtlichen Bienenzüchterverein ist.
So ein Staat hat kein Mandat unser Leben einzuschränken, er hat kein Mandat uns einzusperren oder zu strafen nur weil wir kiffen oder den imaginären Freund eines Nachbarn beleidigt haben. Das macht Machtmissbrauch praktisch unmöglich und ohne Machtmissbrauch sinkt das Interesse „seine Leute“ in Machtpositionen zu schieben damit diese dann „den Anderen“ Geld wegenehmen und „unseren Leuten“ geben.
Der Staat ist nichts magisches und aus einen Taschen kann nur kommen was er vorher reingestopft hat. Der Staat kann nichts finanzieren, er kann nur Menschen Geld wegnehmen und dann für dieses Geld etwas kaufen. Das Problem ist dass er dabei sehr häufig Dinge kauft die die Menschen gar nicht haben wollen, die ihnen nicht nützen oder aber nur einer sehr kleinen Gruppe nützen und diese Gruppe ist nur ganz selten bedürftig. Auch das liegt in seiner Natur, der Mensch der die Entscheidung trifft "wem der Staat hilft" hat ein größeres Interesse jemandem zu helfen der für ihn nützlich ist, denn dieser wird sich revanchieren. Den Machtlosen zu helfen hingegen ist für den Entscheidungsträger kaum nützlich daher macht er es nur ab und an der Optik wegen.
Wie bereits gesagt gibt es eine Rechtfertigung für die Existenz des Staates, vor allem seine Fähigkeit uns gegen andere Staaten zu verteidigen. Darüber hinaus ist aber der Staat etwas wie Salz in der Suppe: ein bisschen ist gut aber es wird rasch zu viel und dann wird die Suppe ungenießbar.
Regelmäßigkeit hört man dass „Politikverdrossenheit“ oder „politisches Desinteresse“ eine schlechte Sache sei. Ich behaupte dass ein System in dem es dem Volk egal ist wer an der Macht ist, weil das System sie nicht drangsaliert und schikaniert sondern einfach nur eine sichere Umgebung schafft, eine gute Sache wäre.
In anderen Worten: wenn sich keiner für Politik interessiert, dann macht der Staat einen guten Job.
Er hemmt dann offensichtlich niemanden, bevorteilt keinen und alles was in seinem Wirkungsbereich passiert ist gerecht und von Menschen ausverhandelt.
Dem gegenüber steht ein System in dem die Machthabenden ein Mandat haben die 49% die sie nicht gewählt haben zu schikanieren, weil diese zuvor die andere Hälfte ausgebeutet und drangsaliert hat.
In einem System in dem der Staat deutlich mehr als die Hälfte unserer Einkünfte einzieht und dann damit absurde Dinge tut ist ein System in dem es zu einem zentralen Interesse wird wer an der Macht ist.
Ich halte das für eine eher ungünstige Situation, zumal es sich um ein Nullsummenspiel handelt: die eine Seite klaut genauso viel wie die andere Seite ein paar Jahre später, alles was bleibt sind Kosten für die absurden Dinge die beide Seiten kaufen die im Grunde keiner haben wollte.
Ein schlanker Staat ist eine gewisse Notwendigkeit. Es geht auch ohne aber schlanker Staat ist keine so üble Sache, im Wesentlichen weil er wie eine Hecke agiert: er schützt uns vor Dingen die jenseits der Hecke lauern.
Vernachlässigt man aber das Stutzen der Hecke, überwuchert sie rasch das Gemüsebeet.
Ein gesunder Staat, wie auch eine gesunde Hecke, brauchen gelegentlich eine radikale Rasur und es wäre naiv anzunehmen dass die Hecke selber die Heckenschere anwirft. Diese Arbeit müssen wir selber erledigen, dazu muss uns aber klar werden dass unter der Hecke viele Gemüsebeete liegen und nur darauf warten wieder Gemüse zu produzieren.
Hyacinthe Rigaud https://segu-geschichte.de/der-staat-bin-ich/