1979 war es möglich von London nach New York mit über 2000km/h zu reisen, heute geht es maximal halb so schnell. Was ist passiert? Läuft die technologische Entwicklung rückwärts?
Bis zu einem gewissen Grad schon, aber das ist nicht zwingend schlecht.
Die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war davon geprägt alles anders zu machen als früher, bei gewissen Dingen scheint jede Verbesserung aber mehr Probleme als Vorteile mit sich zu bringen. Seit Jahrzehnten sagen Designer dem Kaffeeheferl mit Henkel den Kampf an aber der Henkel bleibt tapfer auf Platz eins. Weil es funktioniert. Die clevere Idee den Henkel von der Tasse abzusetzen hatten schon die Handwerker in China vor etwa tausend Jahren aus dem gleichen Grund: man verbrennt sich eben nicht die Finger.
Beim Flugzeug sehen wir nicht auf 1000 Jahre Geschichte zurück aber mussten auch erkennen, dass größer und schneller nicht notwendigerweise besser bedeutet. Im Westen, wo der Hersteller sich überlegen musste was er mit dem Ding tun möchte, verabschiedete man sich (mit wenigen Ausnahmen, die allesamt keinen wirtschaftlichen Erfolg hatten) von gigantischen Flugzeugkonzepten bereits in den 70igern, nur in der Sowjetunion baute man mit Steuergeld Weltrekorde um sie dann im Hangar verrotten zu lassen, weil es schlicht keine Verwendung für diese Dinge gab.
Ein anderes wunderbares Beispiel ist der Zug. Jedes Jahr erfindet irgendjemand eine Transportinnovation die schneller, toller und größer ist: elektrisch angetriebene Vehikel in Vakuumröhren sind hierbei besonders beliebt und kommen regelmäßig ins Rampenlicht.
Dabei wird übersehen, dass diese Systeme hundertmal aufwändiger zu bauen und zu warten sind als die Schiene, praktisch alle Nachteile mit der Eisenbahn teilen ohne wirklich einen Nutzen zu bringen der den erhöhten Aufwand rechtfertigt.
Ähnliches ist im Dokumentationswesen zu beobachten. In den späten 90igern gönnte sich jede Firma die sich dem Fortschritt verbunden fühlte Handbücher in .html Format, voller drehender Logos und Hyperlinks, heute geht der Trend scheinbar zurück zum schlichten Dokument, als .pdf am Server abgelegt versteht sich, aber ohne dem fancy Schnickschnack der späten 90iger, schlicht weil diese schlicht gehaltenen Dokumente ihren Zweck besser erfüllen und die Jungen lieber die wesentlichen Informationen in Dokumente packen anstatt sich mit dem oft wirren html Files ihrer Vorgänger auseinanderzusetzen.
Etwas neu zu machen nur damit es neu ist führt also nicht immer zu besseren Lösungen. Entwicklung ist ein evolutionärer Prozess, Schritt um Schritt, selten eine Revolution.
In einem evolutionären Prozess muss jeder dieser Schritte einen Vorteil mit sich bringen, was üblicherweise bedeutet, dass man mit dem gleichen Aufwand mehr oder das Gleiche mit weniger Aufwand erreichen kann. Nicht jede Änderung ist eine Verbesserung. Aber wie erkennt man das?
Brauchen wir Studien, brauchen wir ein Komitee, brauchen wir ein Ministerium das feststellt ob eine Entwicklung oder Praxis besser ist als ihre Vorgängerversion?
Offensichtlich nicht.
Alles was man braucht ist einen Blick auf den wirtschaftlichen Erfolg.
Eine Firma die eine Methode einführt mit der sie mit weniger Aufwand mehr erreicht wird besser sein als eine die das nicht tut und signifikant besser sein als eine die eine Praktik einführt die die Situation verschlechtert. Wer dumme Dinge macht, den bestraft die Wirtschaft.
Wer kluge Dinge macht, den belohnt die Wirtschaft. Wer etwa Menschen nach Hautfarbe einstellt, verwehrt sich eines Mitarbeiterpools und hat damit einen wirtschaftlichen Nachteil. Die Wirtschaft bestraft also Rassisten, Sexisten und so weiter und so fort und ist daher der stärkste Verbündete der Menschen die sich eine Welt der gleichen Chancen wünschen, wohingegen der Staat, der ständig Versager „rettet“ der größte Gegenspieler solch einer Welt ist.
Wichtig ist zu tun was funktioniert, nicht was funktionieren sollte, vorwiegend weil die reale Welt sich nicht darum schert was sein sollte, sondern nur darum was wirklich ist.
„Aber bist du nicht auch der Meinung dass es besser wäre, wenn [..]“ ist eben kein Argument.
Was besser ist entscheiden nicht wir, das entscheidet die Natur und die Sprache der Natur ist Erfolg und Misserfolg. So schwer das für viele Menschen zu akzeptieren ist, die Wirtschaft ist eines der Sprachrohre der Natur und vermutlich sogar das das wir am besten verstehen können. Dieses Sprachrohr geht aber nur in eine Richtung, wir können nur zuhören, der Natur aber nicht dazu bringen sich für uns zu ändern.
Ich denke, dass wir eine Trendumkehr beobachten können die sich gerade langsam vollzieht, eine Rückbesinnung auf das was funktioniert, schlicht weil die fetten Zeiten eben vorüber sind (Vorwiegend weil wir nicht mehr auf Kosten unserer Enkel leben wollen, im Gegensatz zu den 68igern) und Effizienz wieder wichtiger werden muss.
Die Zukunft wird an Beiwerk verlieren, schlichter werden, weil sie muss. Wir werden nicht zurück gehen aber wir werden die dort wo über das Ziel hinausgeschossen wurde nach unten korrigieren müssen und wieder akzeptieren, dass wir keine Götter sind die die Natur an ihre Wünsche anpassen können sondern kleine Wesen die in einer Natur überleben müssen die uns nicht anders behandelt als jedes andere Lebewesen.
Die Überheblichkeit des letzten halben Jahrhunderts wird uns noch, in Form ihrer Vertreter, ein paar Jahrzehnte begleiten aber es scheint als findet ein Umdenken statt, ein Umdenken das mit jeder Pensionierung und Beerdigung stärker wird. Aber das ist wohl einfach der Lauf der Dinge und die Natur wird darüber richten ob die Kurskorrektur richtig oder falsch gewesen sein wird.