2020 erhielt die westliche Welt einen metaphorischen Weckruf. Dieser Anruf nahm eine ungewöhnliche Gestalt an und zwar die des Klopapiers. 2020 zeigte der westlichen Welt etwas das wir vergessen haben und dieses Etwas war „Knappheit“. Alles in der Welt ist knapp weil man alles für mehr als nur eine Sache verwenden kann. Das hatten wir vergessen.

Der Mensch in der westlichen Welt war es gewohnt alles haben zu können was er haben wollte, sofern er das nötige Kleingeld eben aufbringen konnte. Wir wussten zwar, dass wir keinen Ferrari bekommen, wenn wir ihn haben wollen, weil das Ding ja teuer ist, aber was wir uns leisten können, wie Wasser, Strom, Brot und Klopapier, können wir haben, wenn wir es wollen. Wir können es uns ja leisten.

Die Pandemie hat gezeigt, dass das eine Illusion war. Dinge können ganz rasch nicht verfügbar sein und die bunten Scheine in unseren Händen können, wenn die gewohnte Überflussgesellschaft plötzlich einen Aussetzer hat, wertlos sein. Geld ist nur etwas Wert wenn es Zeug zu kaufen gibt. Reich ist daher nicht der mit Geld sondern der mit dem Zeug.

Manche haben verstanden was das bedeutet. Viele nicht. Entsprechend haben manche begonnen ihre Denkweisen anzupassen und viele sind einfach wieder zu ihren gewohnten Denkmustern zurückgegangen.

Nun aber kommt der zweite Weckanruf in Form eines Krieges. Und der Ruf hats in sich.

Putin erklärt öffentlich, dass die Ukraine keine Existenzberechtigung hat und proklamiert, dass er die Grenzen Russlands ausdehnen wird. Der Westen ist schockiert über etwas das unsere Vorfahren nicht schockiert hätte, weil klar war, dass das passieren wird, genauso wie klar war, dass China seine Minderheiten brutal unterdrückt, sich an die Vereinbarungen mit dem Westen zum Thema Hong Kong nicht halten wird und früher oder später Taiwan angreifen wird. Nichts davon ist überraschend, weil es in einer Welt passiert die brutal ist, eine Welt in der zählt wer den größeren Stock hat und nicht wer besonders eloquent erklären kann warum er besonders unterdrückt ist und daher Sonderrechte verdienen sollte um soziale Gerechtigkeit herzustellen.

Der Westen ist schwach.

Deswegen passiert was gerade passiert.

Und wir sind schwach, weil wir dank der Überflussgesellschaft, begonnen haben zu glauben, dass wir in einer Welt leben in der es wichtig ist welche persönlichen Pronomen wir benutzen, eine kultivierte Welt die nach Erleuchtung und Fortschritt strebt, nach Selbstverwirklichung und schöner Kunst.

Der Krieg an unserer Haustüre zeigt uns aber, dass wir nicht in so einer Welt leben und alle anderen Nationen, die sich in einer Welt aus Feuer und Stahl verstehen, tun nun was sie tun können um Land, Einfluss und Macht zu gewinnen. Aber eventuell war Russland zu voreilig. Der Westen ist schwach, aber es scheint so als wäre noch Mark in den Knochen. Der Westen hat reagiert und zwar energischer als 2014. China scheint Russland zunehmend im Stich zu lassen, weil ihre Banken plötzlich Angst bekommen. Hätte der Westen die Eroberung der Ukraine hingenommen, wären die Chinesen schon unterwegs nach Taiwan. China belädt aber nicht seine Invasionsboote weil der Westen dann doch nicht ganz so schwach sind wie die Führer im Osten glauben.

Viele wachen nun auf und erkennen, dass wir in einer Welt aus Feuer und Stahl leben, in einer Hölle, über die wir ein bequemes, aber sehr dünnes, Seidentuch gespannt haben und wir sollten erkennen, dass die Motten bereits mächtig große Löcher in dieses Tuch gefressen haben.

Es ist Zeit wieder zu erkennen was unter uns brodelt: eine Welt voller Knappheit, Krieg, Brutalität und Menschen die nehmen was sie können. Und das tun werden ohne sich um Dinge wie Moral oder Gerechtigkeit zu kümmern.

Für Manche reichte der erste Weckruf, für manche der Zweite. Viele brauchen eventuell noch den Dritten der dann wohl aus dem Pazifik kommen wird. Entscheidend ist aber, dass es schwieriger wird in einer Traumwelt zu leben und das ist eine gute Sache, denn wenn sich der idealistische, friedliche und vor allem gute Westen wieder auf seine Beine stellt haben wir zu mindestens wieder eine Chance auf eine freier Welt in der wenigstens eine Chance auf Selbstbestimmung und Selbstentfaltung besteht, eine Chance die nicht besteht wenn der Osten das Rennen gewinnt.

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Aron Sperber

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