Gregory H Stanton entwickelte 1996 die 10 Stufen eines Genozides.
Die Idee war frühzeitig zu erkennen ob dieses Muster erfüllt wird um entsprechend zu reagieren, Bewusstsein zu schaffen und Hilfe für die Gruppen bereitzustellen die Gefahr laufen vernichtet zu werden. Wie jede andere gute Idee wird das System natürlich auch missbraucht, grundsätzlich ist es aber eine gut durchdachte Darlegung eines sich immer wieder wiederholenden Musters.
Es gilt hierbei zu verstehen dass das Muster nicht bis zum bitteren Ende durchgezogen werden muss und die Form der einzelnen Stufen nur von der Kreativität ihrer Proponenten limitiert ist.
Die Stufen sind wie folgt:
. Klassifikation
. Symbolisierung
. Diskriminierung
. Dehumanisierung
. Organisation
. Polarisation
. Vorbereitung
. Verfolgung
. Vernichtung
. Abstreiten und Verdrängung
Was bedeutet das im Detail?
In der Phase der Klassifikation wird abgegrenzt wird „wir“ bzw „die Guten“ sind und wer auf der anderen Seite steht.
In der Phase der Symbolisierung werden Menschen dazu ermutigt Farbe zu bekennen. Man trägt also freiwillig die Symbole seiner Gruppe oder wird gezwungen das Symbol seiner Gruppe zu tragen. In Nazideutschland etwa trugen die Nazi ihr Symbol am Ärmel und zwangen die Juden einen Judenstern zu tragen. Dieser Schritt kann vollständig unabhängig vom Staat entstehen.
Das Thema "Gruppenrechte" wird verstärkt besprochen.
In der Phase der Diskriminierung werden Machtdynamiken interessant. Es macht einen gehörigen Unterschied ob jemand keine blonden Frauen heiraten möchte, eine Firma keine blonden Frauen einstellt oder der Staat blonden Frauen das Wahlrecht aberkennt. Diskriminierung auf individueller Ebene ist historisch betrachtet kaum ein Problem (und faktisch unvermeidbar), systematische Diskriminierung, also wenn staatliche Regeln im Spiel sind, ist hingegen brandgefährlich. Wenn der Staat zu diskriminieren beginnt verweist er oftmals auf individuelle Diskriminierung und verspricht etwas dagegen zu tun.
In der Phase der Dehumanisierung spricht man „den Anderen“ das Recht auf ihre Meinung, Partizipation und oder Existenz ab. Die Anderen müssten mundtot, zensiert, reguliert, kontrolliert oder umerzogen werden. Das wäre legitim weil sie keine „echten Menschen“ seien sondern böse, verblendet, ungläubig oder fehlinformiert. Sie werden als Tiere, Seuchen oder schlicht als "Gefahr" bezeichnet.
In der Phase der Organisation plant irgendjemand was er mit „den Anderen“ tut, sobald er die Macht hat es zu tun. Dieser Punkt ist knifflig. Theoretisch befinden wir uns in dieser Phase wenn fünf Blondinenhasser in ihrem Keller die Zwangfärbung aller Blondinen plant. Es gilt also zu verstehen dass der Punkt „Organisation“ nicht zwingend mit einer realisierbaren Durchführung der selbigen Hand in Hand geht sondern bereits dann zutrifft wenn irgendjemand plant irgendetwas mit „den Anderen“ zu tun.
Wenn bereits staatliche Macht vorhanden ist werden hier spezielle Körper (Geheimpolizei etc) gebildet um den Plan durchzuführen.
Die Phase der Polarisation ist im wesentlichen die Phase der Symbolisierung auf Stereoiden. Wurden zuvor Symbole nur zur Schau getragen werden nun jene offen angegriffen die noch nicht „Farbe bekannt haben“. Die ganze Gesellschaft muss sich nun also deklarieren und wird so in zumindest zwei Fraktionen aufgetrennt. Je gesteuerte das verläuft desto kleiner ist die Minderheit die im Visier ist. Zoltán Pfeiffer beschrieb es 1947 als "Salamitaktik". Die kommunistische Partei entledigte sich so Scheibchenweise ihres Mitbewerbs indem sie immer alle, auch zukünftige Opfer, gegen eine kleine Gruppe aufbrachte, diese eliminierte und zur Nächsten überging.
Polarisation steht zudem fast immer im Zusammenhang mit Propagda. Sie kann, muss aber nicht, staatlich organsiert sein. Der Staat oder eine Regierung kann hierbei auch durchaus ein Ziel bzw ein Opfer darstellen.
Die Vorbereitungsphase greift wieder zurück zur Organisationsphase. In der Vorbereitungsphase werden die zuvor erstellten Pläne aufgefasst und entsprechende Maßnahmen getroffen um sie umzusetzen. Die Vorbereitungsphase bedingt bereits reale politische Macht. Der Staat organsiert (oder duldet) lokale Zusammenführung der unterschiedlichen Gruppen. Das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeit wird beendet.
Ab hier spricht die zugrundeliegende Studie bereits von einem Genozid.
In der Phase der Verfolgung werden Menschen die sich der Vorbereitungsphase entziehen konnten oder Ausnahmen bildeten ins Visier genommen. Es wird festgestellt welche Gruppe wo sein darf und der Staat bekämpft Abweichung. „Die Anderen“ sind jetzt tatsächlich andere, die wo anders leben, andere Dinge tun, andere Dinge, nicht dürfen und vom Staat anders behandelt werden.
Es folgt die Vernichtung. Die Mehrheit wird die Frage aufgedrängt warum sie „die Anderen“ in „ihrem Machtbereich“ dulden sollten. Das Ziel ist die „Anderen“ aus dem eigenen Machtbereich zu entfernen. Das kann systematisches Ermorden bedeuten, im besten Fall handelt es sich „nur“ um Vertreibungen, Assimilation oder um "Unsichtbar machen" der Gruppe.
In der letzten Phase streitet die Regierung ab etwas Falsches getan zu haben und rechtfertigt sich üblicherweise mit „Notwendigkeiten“ und „Alternativlosigkeiten“.
Wie so oft ist es für die Täter schwer zu erkennen dass sie Täter sind.
Für sie ist was sie tun ja eine Notwendigkeit und alternativlos, im Dienste der Wahrheit, des Guten, des Fairen, der Gesundheit, des Glaubens, der Gerechtigkeit, der Ideologie und so weiter und so fort. Entsprechend werden Vorwürfe dass man sich wie jemand der diesem Muster folgt verhält leicht von der Hand gewiesen. "Man sei ja der Gute und im Kampf gegen die Bösen, wie könnte man denn einen Genozid betreiben? Und wenn dann trifft es ja eh nur die Bösen" hört man dann.
Ist man aber im Visier der menschenfressenden Maschine sieht die Sache anders aus und landet man dort erst wenn das Muster schon weit fortgeschritten ist, ist das Erwachen oftmals herb und brutal. Niemand denkt dass es ihn treffen könnte, bis es ihn trifft und treffen kann es absolut jeden.
Es gilt hierbei noch einmal daran zu erinnern dass wir von einem Genozid reden wenn eine Institution mit Macht reale Anstrengungen unternimmt eine Gruppe in ihrem Machtgebiet systematisch anders zu behandeln und gleichzeitig darauf pocht dass man hier keine Bürger ins Visier nimmt sondern „Gefahren“.
Wo befinden sich die unterschiedlichen Gruppen? Gibt es heute Gruppen die das System als „Gefahr“ bezeichnet, die Symbole (oder Ausweise) herumtragen müssen? Gibt es Pläne was man mit diesen Menschen tun könnte wenn die Situation es zulässt? Gibt es reale Auswirkungen für diese Gruppen? Und kann es sein dass wir nicht einmal mitbekommen haben wie viele Gruppen, unter unserer Nase, heimlich still und leise, einfach verschwunden sind?
Oder schlimmer noch: wird das systematische Auslöschen von unliebsamen Gruppen eventuell von einer beeinflussbaren Masse sogar jeden Tag abgenickt?
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